Der Tod der blauen Wale. Joachim H. Peters
nie Klassenbester.« Er schnaufte verdrießlich. »Sehr zum Leidwesen seines Vaters. Der hätte ihn gerne als Überflieger gesehen.« Er blickte Natalie fragend an. »Kennen Sie seinen Vater?«
Sie blieb kurz stehen. »Ich habe bereits heute Vormittag die Ehre gehabt, mich mit ihm auseinanderzusetzen. Er …« Sie stockte, sollte aufpassen, was sie über den Angehörigen gegenüber Dritten sagte, auch wenn der sie noch so sehr in inneren Aufruhr versetzt hatte. Umgehend nahm sie ihre Wanderung hinter dem Schreibtisch wieder auf. »Gab es Hinweise auf einen Selbstmord?«
Weiler brauste auf. »Na, hören Sie mal, glauben Sie, ich hätte geschwiegen, wenn ich irgendeinen Verdacht gehabt hätte?«
Natalie wurde von diesem Gefühlsausbruch völlig überrascht. »Sie werden sicherlich Verständnis dafür haben, dass wir dem Geschehen auf den Grund gehen möchten. Daher meine Fragen. Wie sah es mit Liebeskummer, Depressionen, Krankheiten aus?«
»Soweit ich weiß, nichts von alledem, aber das sollten Sie wirklich besser seine Eltern fragen.« Weiler erhob sich. Natalie merkte ihm an, dass ihm dieses Thema nun selbst zu unangenehm wurde. »Haben Sie noch weitere Fragen? Wenn nicht, dann würde ich jetzt gerne zurück in die Schule fahren, ich muss noch einen Bericht schreiben.«
»Wen würden sie denn als Kais besten Freund bezeichnen oder besser, wer stand ihm besonders nahe?« Natalie ließ sich auf ihren Schreibtischsessel fallen und zog einen Block zu sich heran.
Wieder musste Weiler eine Zeit nachdenken, bevor er antwortete. »Also richtige Freunde hatte er wie gesagt keine, ich würde meinen, Lena stand ihm wohl am nächsten. Sie war eine Freundin, aber nicht in dem Sinne von … also eben eine Freundin, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Lena, und weiter?«
»Lena Bartels.« Natalie notierte sich den Namen, wollte noch die Anschrift wissen. »Die weiß ich aus dem Kopf leider nicht, da müsste ich in der Schule nachsehen und sie Ihnen später durchgeben.« Dann räusperte er sich vernehmlich. »Wenn das alles ist, würde ich mich jetzt gerne entschuldigen, oder haben Sie noch andere Fragen?«
»Nein, das wäre fürs Erste alles«, bekannte Natalie, dann verbesserte sie sich. »Ich brauche nur noch Ihre Personalien.«
»Warum das denn?« Der Lehrer schien erstaunt. »Ich habe doch eigentlich mit der ganzen Sache gar nichts zu tun.«
»Bei uns nennt man das Auskunftsperson«, klärte sie ihn auf, dann notierte sie sich Weilers Daten und entließ ihn.
Nachdem der Lehrer das Büro verlassen hatte, saß die junge Polizistin am Schreibtisch und schaute aus dem Fenster, aber selbst wenn sich in diesem Moment die Sonne verfinstert hätte, wäre es ihr nicht aufgefallen. Sie war tief in Gedanken versunken und brütete über eine Sache, die ihr keine Ruhe ließ. Es hatte mit dem Handy des Jungen zu tun. Sie erhob sich und ging zu dem kleinen Tisch, der neben dem Aktenschrank stand und auf dem sich jede Menge Papier angesammelt hatte. Dort lag auch ihre Schreibmappe und in ihr die Plastiktüte mit Kais Handy.
Sie nahm es heraus, kehrte zum Schreibtischstuhl zurück und legte es vor sich hin. Es war komplett zerstört. Das Gehäuse gebrochen, die Scheibe des Displays zersplittert, die Akkuabdeckung fehlte. Irgendwie irritierte sie dieses Stück Elektronikschrott. Sie wusste nicht warum, aber sie war sicher, dass es ihr irgendwann einfallen würde. Mit solchen Dingen war es wie mit Namen, die man vergessen hatte. Sie ließen einem keine Ruhe, bis man sich wieder an sie erinnerte.
Sie betrachtete das Handy, als wolle sie es nur mit Blicken dazu zwingen, ihr sein Geheimnis preiszugeben. Dann holte sie ihr eigenes Handy aus der Tasche und spielte Kai Herbers letztes Video noch mal ab. Dann noch mal und noch mal und noch mal. Und dann wusste sie, was ihr auf dem Video aufgefallen war. Die Worte zart und zerbrechlich kamen ihr wieder in den Sinn.
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