Goodbye, McK... & Co.. Edgar K. Geffroy

Goodbye, McK... & Co. - Edgar K. Geffroy


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war als im Laden – stieß mehr und mehr auf Ablehnung. Wer will schon von einem Anbieter abhängig sein? Die Mitglieder kündigten. Besonders schwer betroffen waren die Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz. Nach Angaben der Bertelsmann-Tochter DirectGroup gingen die Mitgliederzahlen auf eine Million im Jahr 2014 zurück, mit einem Umsatz von nur noch 100 Millionen Euro und nur noch 52 Filialen. Die Haus-und-Hof-Unternehmensberatung von Bertelsmann wurde beauftragt, ein Kosteneinsparungsprogramm von mehreren hundert Millionen Euro auszuarbeiten.9 Ende 2009 waren dort konzernweit noch 106.000 Menschen beschäftigt, deren Arbeitsplätze letztlich verloren gingen.

      Das sind nur zwei Beispiele, die das allgemeine Bild eines Beraters heute sehr gut veranschaulichen: Er ist nichts anderes als ein Leiharbeiter im Anzug oder Teil einer Berater-Feuerwehr, die von den Bossen meist erst dann geholt wird, wenn das halbe Stockwerk bereits in Flammen steht. Betroffene, aber auch Außenstehende, sehen die Schuld für Niederlagen überwiegend auf Seiten der Geschäftsführung, die wiederum gerne ihre Fehler auf fremden Schultern ablädt, um später sagen zu können: »Wir haben alles Mögliche getan!« Von Mitarbeitern argwöhnisch beobachtet, erarbeitet die »Berater-Feuerwehr« dann fieberhaft Strategien, die den Brand löschen und idealerweise die bereits vernichteten Stockwerke Stück für Stück wiederaufbauen sollen. Die Geschäftsführung versucht, diese Vorschläge mit ihren Mitteln und ihrem Können umzusetzen. Ist aber die Grundsubstanz bereits zerstört oder hat sich der Markt maßgeblich verändert, nützt die beste Strategie nichts.

      ■ In Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt hat man das am eigenen Leib erfahren. Dort machte die billige Konkurrenz aus Asien dem Solarunternehmen Q-Cells immer mehr zu schaffen, sodass es 2012 schließlich Insolvenz anmelden musste. Dabei liest sich die Erfolgsgeschichte von Q-Cells-Boss Anton Milner zunächst wie ein American Dream: Im Jahr 2000 errichtete er mit drei Mitgründern eine Fabrik für die Produktion von Solarzellen. Das war eine Zeit, in der die deutsche Ökostromförderung noch in Kinderschuhen steckte, aber auch genauso schnell laufen lernte. 2008 war Q-Cells der weltweit größte Hersteller von Solarzellen, bot zu Peak-Zeiten 2200 Arbeitsplätze und hatte einen Börsenwert von drei Milliarden Dollar bei rund 80 Euro pro Aktie. Doch dann kamen die Asiaten, und der Kampf ums Überleben begann. 2011 schrieb der Konzern schon einen Verlust von 846 Millionen Euro bei einem Umsatz von einer Milliarde Euro. Zwischen September 2011 und April 2012 bemühte sich neben zwei großen, bekannten Unternehmensberatungen auch ein kleines Restrukturierungsteam einer deutschen Wirtschaftskanzlei um das stark angeschlagene Unternehmen. Nachdem die Aktie auf 14 Cent gefallen war und der Insolvenzantrag unweigerlich folgte, schürte die Durchsicht der Bücher die Kritik an den Honoraren, die an diese kleine Kanzlei geflossen waren. Insolvenzverwalter Henning Schorisch warf den Beratern vor, auch dann noch an einer Sanierung gearbeitet und dafür kräftig Honorare einkassiert zu haben, als schon längst feststand, dass Q-Cells nicht mehr zu retten war. Eine Klage folgte.10

      Wem muss man hier die Schuld geben? Natürlich ist ein Vorstand dafür verantwortlich, dass sein Unternehmen den bestmöglichen Weg geht. Doch tragen nicht auch die Berater Verantwortung? Sollte ihnen nicht das Wohl des Auftraggebers am Herzen liegen?

      Q-Cells konnte noch gerettet werden – dafür sorgte der Insolvenzverwalter. Im Oktober 2012 wurde die Firma von dem südkoreanischen Konzern Hanwha übernommen. Zwar gingen dabei rund ein Drittel der Jobs in Deutschland verloren, aber der Standort Bitterfeld-Wolfen blieb erhalten.

      Was sagen diese Beispiele darüber aus, wie die Berater ihre Macht nutzen? Das verdeutlicht wohl am besten die Sicht der Betroffenen: Für sie ist die Aktivität der Berater nichts anderes als eine große, leere Blase. Von der Geschäftsführung unterstützt, treiben die Berater das Unternehmen nur noch weiter in die Abwärtsspirale. Man hört wenig schmeichelhafte Bezeichnungen wie »hoch bezahlte Besserwisser«, »erbarmungslose Killer«, »Blender«, »Bluffer«, »Hilfstruppe des Managements«, »Clowns im schwarzen Anzug« oder »Nieten in Nadelstreifen«. Harte Worte – und doch verständlich. Der Berater geht, das Gebäude wird unbewohnbar. Dann war es einfach zu spät.

      Aber der nächste Kunde scharrt bereits mit den Hufen. Denn – machen wir uns da nichts vor – das Outsourcen von Problemen ist bequem. Und warum auch nicht? Warum sollte das Management nicht eine Hilfe auf Zeit in Anspruch nehmen? Schließlich geht es ja nicht immer gleich um den drohenden Untergang. Was aber passiert hier auf oberster Ebene? Sind die Manager heutzutage nicht in der Lage, selbst auf neue Ideen zu kommen, Strategien für neue Produkte oder Märkte zu entwickeln und Wege aus festgefahrenen Situationen zu finden? Haben sie sich vielleicht selbst in die Misere geritten, indem sie zuvor zu umfassend und zu lange auf Lean Management gesetzt haben, bis auch die letzte Abteilung ihre Leistungsgrenze überschritten hat? Wir wissen es nicht. Was Berater bieten, scheint jedenfalls praktisch zu sein: Qualität auf Abruf.

      Völlig paradox erscheint die völlig konträre Wahrnehmung der Berater in der Öffentlichkeit: Auf der einen Seite wird das, was die Berater erreichen, in den höchsten Tönen gelobt – auf der anderen Seite werden sie in der Luft zerrissen. Die folgende Aussage beschreibt diese Ambivalenz sehr treffend: »Kaum ein anderer Berufsstand wird gleichzeitig so glorifiziert und an den Pranger gestellt, bis zum Misstrauen beneidet und dennoch ins Vertrauen gezogen.«11

      Nach dem Boom in den 1970er-Jahren, der auf wachsende internationale Geschäfte zurückzuführen war, wird die Beraterbranche seit den 1990er-Jahren zunehmend kritisch beäugt. Bis in die 1990er-Jahre erbrachten Berater offensichtlich nicht nur gute Leistungen, sondern erlangten auch eine entsprechend gute Stellung in der Öffentlichkeit. Zu dieser Zeit waren sie mehr als nur anerkannt – sie wurden bewundert. In den 1970er-Jahren war es zum Beispiel für Unternehmen selbstverständlich, Beraterleistungen in Anspruch zu nehmen. Betrachtet man den wissenschaftlichen Bereich, galten Berater bis in die 1990er-Jahre als diejenigen, die zwischen Theorie und Praxis vermittelten. Dieses Image wurde weiter ausgebaut und Berater standen sogar in dem Ruf, unmittelbar an der Theorieentwicklung beteiligt zu sein.12 Daraus entwickelte sich die strategische Unternehmensführung, die zum Vorzeigeprojekt der großen Beratungshäuser wurde.

      Diese Reputation drang sogar bis in die Politik vor. Das äußerte sich etwa darin, dass vor allem zwei Größen der Beraterbranche, Roland Berger und Jürgen Kluge, in regelmäßigen Abständen zu politischen Expertenkommissionen oder auch Strukturkommissionen der Bundeswehr geladen wurden.

      Doch wie ein Sprichwort so schön sagt: Wer hoch fliegt, kann tief fallen. So kam es dann auch hierzulande. Die früher von der Politik so hoch gepriesenen Berater wurden plötzlich in aller Öffentlichkeit förmlich in der Luft zerrissen. Eine Aussage von Christian Wulff, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, der Anfang 2004 in Sabine Chistiansens Talkrunde das Beratungsunternehmen Roland Berger heftig attackierte, wurde später in der FAZ folgendermaßen aufgegriffen: »Es geht um mehr als den üblichen Zweifel an der Relation von Leistung und Löhnung. Es geht um die Legitimation einer ganzen Branche, an der Kritik bisher abperlte wie Feuchtigkeit von der Teflonpfanne.«13

      Plötzlich kam es nach vielen Jahren des Jubels zu einem Umschwung. Die Lösungsstrategen sahen sich nun mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht das Optimum für ihre Kunden herauszuholen, sondern sich vielmehr selbst die Nächsten zu sein. Die Ergebnisse ihrer Beratungsarbeit wurden hinterfragt, ihre Preise galten plötzlich als überhöht, gar als dreist. Sicher ist eine solche Kritik ein Risiko, mit dem die Branche rechnen musste: Je höher man pokert, desto mehr steht man in der Öffentlichkeit und macht sich dadurch angreifbar. Das ist bei Politikern, Topmanagern und Stars und Sternchen auch nicht anders und gehört einfach dazu – und sicher spielt dabei auch der Neid eine Rolle.

      Neben der öffentlichen Meinung und der Sicht der Medien gibt es auch die Perspektive der Forschung, die die Beraterbranche wie jeden anderen Markt unter die Lupe nimmt. Die Faktensammlung gestaltet sich jedoch insgesamt schwierig: Weil Berater in der Regel großen Wert auf Diskretion legen und Kundenprojekte im Verborgenen abwickeln, tauchen nicht viele Fakten in der Öffentlichkeit auf.

      In ihrem Werk Critical Consulting14 haben Timothy Clark und Robin Fincham eine erste kritische Analyse der Beraterbranche veröffentlicht und darin die verschiedenen Akteure und ihre Aktivitäten in der Managementberatung bewertet. Mit diesem Buch leiteten


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