Mörderische 13 Urlaubs-Krimis auf 1600 Seiten. A. F. Morland
an: „Schlechte Laune? Oder machst du dir Sorgen?“
„Beides stimmt etwas,Isa.“ Sie drehte den Korken aus der Flasche und hielt ihm ein Glas hin.
„Danke, wirklich lieber nicht.“
„Sind wir hier nicht sicher?“
„Doch. Zu neunundneunzig Prozent schon. Ein kleiner Rest Unsicherheit bleibt immer.“ Und bei unbekannten Drohnen am Himmel war dieser Rest sogar ziemlich groß, mit Sicherheit größer als nur ein Prozent.
„Und was willst du dagegen tun?“
„Wir können morgen sozusagen ins Blaue losfahren, also fliehen.“
„Ich fürchte, das nutzt nicht viel, Rudi, er hat überall seine Leute. Viele davon kennen mich. Und die Organisation ist verdammt groß.“
„Wer hat überall seine Leute?“
Eine halbe Minute staunte sie ihn an. „Ullrich Schiefer“, sagt sie endlich heiser.
„Und wer ist Ullrich Schiefer?“
„Sag bloß, du kennst den Fall nicht?“
„Nein. Ich weiß nur, dass du als Zeugin geladen und bedroht worden bist, damit du nicht wahrheitsgemäß aussagst.“
Nach einer langen Pause lachte sie ungläubig. „Das ist ja goldig. Ich habe gehört, wie Ullrich Schiefer seinem Laufburschen Boris Stepkow den Auftrag erteilt hat, Ullrichs Geschäftspartner Tomasio Lucano umzulegen. Was Stepkow dann auch getan hat, und zwar so dilettantisch, dass man ihn wenig später geschnappt und zu lebenslänglich verurteilt hat. Stepkow mit seiner langen Vorstrafen-Liste ist an der Sicherungsverwahrung nur vorbeigeschrammt, weil er sich bereit erklärt hat, als Kronzeuge gegen Schiefer auszusagen.“
„Du hast also gehört, wie Schiefer den Mordauftrag gegeben hat?“
Sie nickte energisch.
„In welcher Beziehung hast du denn zu Schiefer und Stepkow gestanden?“
„Schiefer war viele Jahre mein Chef und Geliebter. Stepkow arbeitete als eine Art Laufbursche und Bote und Mann für's Grobe in der Firma Utom.“
„Utom? Was heißt das?“
„Ullrich Schiefer und Tomasio Lucano.“
„Dein Chef? Dann weißt du also eine Menge über seine Geschäfte?“
„Das darfst du laut singen, fast alles, was ich nicht selbst in der Firma erfahren oder organisiert habe, hat Schiefer mir anfangs im Bett erzählt. Er redet gerne und braucht Bewunderung.“
„Bedroht er dich deswegen? Hat er Angst vor einer Mitwisserin?“
„Nein, glaube ich nicht. Er weiß, dass ich im Nebenzimmer war, als er Stepkow den Auftrag zum Mord an Lucano gab; und erst dann, als Stepkow gegangen war, will Ullrich bemerkt haben, dass die Tür einen Spalt offenstand. Was zu glauben mir schwerfällt.“
„Du meinst, er hatte das in dem Moment übersehen?“
„Das hat er zumindest mir gegenüber behauptet.“
„Hm hm“, machte Rudi sorgenvoll.
„Was soll das – hm hm?“
„Und wenn er dich zur Mitwisserin machen wollte und dir nach deiner Aussage Beihilfe vorwerfen wird? Oder von seinem Verteidiger unterstellen lässt? Denn mit deiner Aussage, dass du den Mordauftrag mit eigenen Ohren gehört hast, gibst du natürlich auch zu, dass du an dem Tatort gewesen bist. Als Mitwisserin oder Beihelferin.“
Isa schüttelte den Kopf. „Das wird er nicht.“
„Und warum nicht?“
„Du fragst wie dieser Staatsanwalt Lederer.“
„Ja? Polizisten und Staatsanwälte neigen zur selben Denke, das stimmt. Und wo hast du diesen Mordauftrag gehört?“
„In einem Haus. Im Schlangenbad. So, und jetzt ist Schluss mit der Vernehmung einer Verdurstenden.“ Sie griff nach der Flasche und schenkte sich Wein ein. Er beobachtete sie einen Moment unschlüssig und seufzte leise. Sie wollte also nicht mehr auspacken. Deshalb stand er auf und schaltete den Fernseher an.
Das Programm war lausig und gegen zehn Uhr ging er ins Bett, lag lange wach, weil er grübelte. In Isas Geschichte fehlte ein wichtiges Verbindungsglied. Unterstellt, die Tür zum Nebenzimmer stand tatsächlich einen Spalt offen, als Schiefer den verhängnisvollen Auftrag erteilte. Wie konnte Stepkow wissen, dass sich im Nebenzimmer die Geliebte und Mitarbeiterin seines Chefs aufhielt. Wenn er es nicht wusste, konnte sich ein alter Knastologe ausrechnen, dass seine Aussage gegen Schiefers Aussage stehen würde, wenn er bei der Polizei behauptete, sein Chef Schiefer habe ihm den Mordauftrag gegeben. Das vermochte sich auch jeder Staatsanwalt auszurechnen. Mit einem Mal konnte er einen weiteren Zeugen für seine Anklage „Anstiftung zum Mord“ präsentieren.
Was hatte Isa dazu gebracht, ihrem Chef und Geliebten anzukündigen, sie würde die Aussage des verurteilten und schon einsitzenden Mörders Boris Stepkow vor Gericht bestätigen? Sie musste es Schiefer angedroht haben, sonst hätte der sie nicht so unter Druck gesetzt, dass sie schließlich zur Polizei ging, vor einem Staatsanwalt aussagte und um Zeugenschutz bat.
Rudi verschränkte die Hände hinter dem Kopf und versuchte vergeblich, seine Gedanken abzuschalten und einzuschlafen. Die Gedanken wirbelten weiter und kamen nicht zur Ruhe. War Schiefer der Mann, der vor fünfzehn Jahren auf Isa in Frankfurt wartete, als sie Rudi auf Lanzarote so unerbittlich in die Wüste schickte? War Schiefer der Vater von Jonas und Julia? Rudi starrte in die Rabenschwärze unter der Decke und fühlte sich plötzlich sehr unglücklich. Von der erhofften Freude, Isa wiederzusehen, verspürte er nichts.
Weit entfernt knattert die Drohne leise, aber noch deutlich zu vernehmen. Isa hatte fast den ganzen Liter Rotwein getrunken und war zuerst recht fröhlich und dann ziemlich rasch müde geworden, als sie sich im Fernsehen eine ausgesprochen alberne Komödie angesehen hatte, was sie wahrscheinlich wohl auch deshalb getan hatte, um nicht länger mit ihm reden zu müssen. Sie schlief im Zimmer über dem schmalen Flur gegenüber, das vergitterte Fenster war geklappt, und Rudi hatte zuletzt auch die Haustür kontrolliert, abgeschlossen und den schweren Innenriegel vorgeschoben. Dann erstarrte er und atmete schwer. Seine Zimmertür knarrte und wurde ganz vorsichtig aufgeschoben.
„Rudi?“, flüsterte eine Frauenstimme. „Schläfst du schon?“
Er holte tief Luft. „Nein“, sagte er in normaler Lautstärke. „Isa. Was ist los?“
„Ach, das ist gut.“ Sehen konnte er sie nicht, er ahnte nur den schwarzen Schatten, als sie an sein Bett kam und sich hinlegte, sich unter die Decke schob und ihm eine Hand auf die Brust legte. Er langte nach ihr und wollte sie an sich ziehen, aber sie sperrte sich: „Deswegen bin ich nicht gekommen“, flüsterte sie. „Rudi, da ist jemand im Haus.“
Er sagte nichts. Nach einem Liter Rotwein hörte auch er mal Gespenster, spürte Geister und roch kleine Schwefel-Teufelchen. Sie ahnte, was er dachte. „Nein, bestimmt, Rudi. Es ist nicht der Rotwein. Da ist jemand im Haus. Und ich glaube, der ist schon heute mittag gleichzeitig mit der Drohne gekommen und hält sich seitdem irgendwo verborgen.“
„Isa, wie soll der hereingekommen sein?“
„Durch ein Fenster?“
„Die sind alle vergittert und geschlossen. Oder hast du es irgendwo klirren und brechen hören?“
„Nein“, gab sie zu. „Rudi, ich habe trotzdem Angst.“ Dass sie sich dabei an ihn presste, war ja ganz angenehm, aber sie mussten schlafen, der morgige Tag würde anstrengend werden.
„Okay“, gab er nach. „Wo hast du deine Pistole? Du kannst sie entsichern und so neben deinem Bett liegen lassen, während ich einmal durchs Haus gehe und nachschaue.“
Er hatte sein schönes, neues Stück auf den Nachttisch gelegt, schob Isa sanft