Mörderische 13 Urlaubs-Krimis auf 1600 Seiten. A. F. Morland
noch erpressen, verwirren oder aus dem Gleichgewicht bringen könnte?“
Nach einer Bedenkminute zuckte sie die Achseln.
„Was ist mit deinen Kindern? Wenn er droht, ihnen was anzutun?“
„Das wird er nie tun!“
„Wie kannst du da so sicher sein?“
Sie zuckte wieder die Achseln, antwortete aber nicht.
„Julia geht in Essen-Werden auf die Folkwangschule, nicht wahr?“
„Ja.“
„Wo wohnt sie?“
„In der Ahornstraße 14, das liegt in Stadtwald. Das Haus gehört einer Großtante von mir, die sich mit Julia sehr gut versteht.“
Rudi notierte sich die Adresse. „Ich werde mal einen Essener Kollegen bitten, ab sofort ein Auge auf deine Tochter zu haben.“
„Wenn du meinst?!“
„Und Jonas?“
„Der fährt jeden Tag nach Darmstadt und zurück.“
„Warum denn das?“
„Du, er ist noch nicht volljährig, hat zwar mit 16 ein gutes Abi gemacht, aber das wurde noch ein richtiger Zirkus, bis er zum regulären Studium zugelassen wurde. So hat meine Schwester in Schlangenbad ein Auge auf ihn.“
„Na schön. So, wenn wir mal unterstellen, dass Schiefer ein Interesse hat, dich am Leben zu lassen, haben seine zahlreichen Feinde, mit denen er früher doch illegale und lukrative Geschäfte gemacht hat, ein großes Interesse daran, dass du darüber nichts aussagen kannst. Und vielleicht ist einem schon aufgegangen, dass er mit deinem gewaltsamen Tod auch Schiefer im kommenden Prozess schaden kann, also mit einem Streich zwei lästige Fliegen erledigen kann.“
„Du kannst einem richtig Mut machen.“
„Ich will dir nur die nötige Angst einjagen, damit du nicht leichtsinnig wirst. Wir müssen auf zwei Gruppen achten, die aus verschiedenen Motiven und mit verschiedenen Absichten hinter dir her sind, die sich vielleicht gar nicht kennen.“
„Und die sich im Idealfall gegenseitig lahmlegen oder zu Krüppeln schießen?“
„Wann hast du zum letzten Mal einen Idealfall erlebt?“
Jetzt griente sie boshaft: „Vor 15 Jahren auf Lanzarote.“
„Danke für die Blumen. Trink deine Tasse aus und fang mal an zu packen. Deine Handtasche bitte.“
Er hatte sich erinnert, Isa hatte die Tasche abends leichtsinnigerweise im Wohnzimmer neben der Couch auf dem Boden stehen lassen.
„Darf ich die mal haben und den Inhalt anschauen?“
„Muss das sein?“
„Ja. Muss sein.“ Sie hatte den üblichen Krempel in der Tasche, darunter auch eine angebrochene Monatspackung Pillen und eine noch verschlossene Packung Kondome. Weil er spürte dass sie ihn beobachtete, verkniff er sich den Satz: „Doppelt hält wirklich besser.“ Auf den ersten Blick ungewöhnlich war nur ein Teil, ein kleiner mattgrauer Würfel aus Plastik, um den zwei Schlingen eines blanken Drahts gewickelt waren. „Was ist denn das, Isa?“
„Gib mir doch mal bitte mein Etui mit Nagelschere, Nagelfeile und so für die kleine Maniküre unterwegs.“
Der Deckel des grauen Würfels ließ sich problemlos aufhebeln. Darunter verbarg sich, was Rudi befürchtet hatte, eine Miniplatine mit zwei elektronischen Bausteinen, zwei winzige Spulen, ein kleiner Quarz und zwei Knopfzellen.
„Was ist denn das?“
„Das, liebe Isa, ist ein Sender, den unser nächtlicher Besucher dort platziert hat und mit dem sie uns den ganzen Tag über anpeilen wollten.“ Er nahm eine Nagelzange und knipste die kleinen Kabelstücke von der Batterie zur Platine durch. „So, Ende der Vorstellung. Jetzt darfst du packen.“
„Sag mal, muss ich jetzt diesen scheußlichen Keuschheitsgürtel wieder anziehen?“
„Nein. Aber Perücken und Brille sollten es schon sein.“
Sie schnitt eine Grimasse, doch in diesem Punkt blieb er hart. Die Perücke war nicht die Krönung der Friseurkunst, aber die Brille mit dem leicht getönten Fensterglas veränderte den Gesichtseindruck mächtig. Über die nächsten Tage sprachen sie nicht. Rudi war klar, dass sie einen gewaltigen Nachteil hatten: Die anderen wussten, wann und wo Isa auftauchen musste. Während er packte, überlegte er sich, wie sie am 18. Juni unbemerkt in das Gebäude des Landgerichts kommen könnten. Er musste sich darauf verlassen, dass kein Maulwurf ihr neues Versteck verraten würde, dann konnten sie dort bis zum Mittwoch bleiben und erst am frühen Vormittag nach Wiesbaden zum Landgericht losfahren.
Gegen 12 Uhr rief Katrin an: „Okay, ich habe alle herumbekommen und kann den Dienst tauschen. Du hast doch ein Navi?... Schön. Kommt nach Bonn-Ückesdorf, suche den Paula-Roming-Weg 19 und fahrt dort in die offenstehende Tiefgarage. Ich erwarte euch da. Sagen wir mal, gegen 15 Uhr.“
Eine knappe Stunde später fuhren Rudi und Isa los, die Haustür war noch zugeschlossen, und Isa achtete nicht darauf, dass der Innenriegel zurückgezogen war.
*
MUNO, GENANNT DIE MAUS, war doch ziemlich nervös geworden, als da jemand in der Nacht in allen Zimmern nacheinander Licht machte und wieder ausknipste. Also war doch jemand misstrauisch geworden? Wie und wodurch? Der kleine Mann wartete bewegungslos. Die Drohne, das Steuergerät, die Fernsehkamera, der Bildschirm und der Sender dazu lagen schon lange bruchsicher verpackt in seinem Kofferraum. Erst als Rudis Auto am Horizont verschwunden war, telefonierte er über Handy: „Sie sind gerade losgefahren. Sandfarbener Corsa, WI Strich RH 234.“
„Okay, wir übernehmen.“
Doch mit dem Übernehmen wurde nichts. Als der sandfarbene Wagen an ihnen Auto vorbeifuhr, blieb es in ihren Kopfhörern stumm. Munos so gepriesener Peilsender funktionierte nicht oder man hatte ihn gefunden und noch im Haus entsorgt oder lahmgelegt. Die Männer verfolgten den Corsa noch, so weit sie konnten. Aber als Rudi die Autobahn 3 ansteuerte, gaben sie es auf. Ohne Peilsender und Peilempfänger war es ziemlich aussichtslos, allein eine Verfolgung auf einer vollen Autobahn anzufangen, ohne dem Verfolgten auf Dauer aufzufallen.
„Muno, hörst du? Wir geben auf, dein Peilsender arbeitet nicht.“
„Scheiße.“
Der wütende Chef gab Muno Recht, setzte sich aber sofort an den Computer und rief das Mailprogramm auf. Mit der Adressdatei „Rundschreiben“ erreichte er an die vierhundert Mitarbeiter, Vertreter, Geschäftspartner und Betriebs-Nebenstellen im In- und Ausland: „Dringend. Gesucht wird ein sandfarbener Corsa mit dem amtlichen Kennzeichen WI – RH 234. Sofort Standort an Utom oder Agentur Kollau melden, sehr wichtig für uns alle. Niels.“
Niels Kollau betrieb offiziell eine übel beleumdete Inkasso-Agentur, aber einige Mitarbeit kassierten nicht nur, sondern teilten auch rücksichtslos aus – Schläge, Tritte, Pfefferspray und in besonderen, hoch bezahlten Fällen auch blauen Bohnen und beseitigten anschließend sorgfältig ihre Opfer. Dafür war Kollau in bestimmten Kreisen berühmt und wurde öfter engagiert, weil sich herumgesprochen hatte, dass er seine Auftraggeber nie verpfiff oder später erpresste.
Muno schaute ihm über die Schulter, während Kollau tippte: „Glaubst du, das bringt was?“
„Hast du eine bessere Idee?“
Muno musste passen. Einen Versuch war es auf jeden Fall wert.
*
AUF DER AUTOBAHN ERKUNDIGTE sich Isa: „Wohin fahren wir eigentlich?