Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis. Walter G. Pfaus
Die großen Blauaugen wirkten auf Anhieb unschuldig, aber Bount, der sich auf Physiognomien verstand, ließ sich von dem kindlich anmutenden Blick nicht täuschen. Schließlich war da noch der Mund, schmal und verkniffen, und auch das klobige Kinn ließ erkennen, dass sein Besitzer über eine gehörige Portion Stehvermögen verfügte.
Holm drehte die Lizenzkarte, mit der Bount sich auswies, zwischen den Fingern hin und her, ohne sich beeindruckt zu zeigen. Im Gegenteil. Sein Gesicht sah verdrossen aus und machte deutlich, dass er über die Störung nicht erfreut war. Seine nächsten Worte demonstrierten, weshalb das so war.
„Wir hier in Miami Beach haben mit Leuten Ihrer ,Branche‘ keine sehr guten Erfahrungen gemacht, Mister. Uns ist von privat eyes einfach schon zu oft ins Handwerk gepfuscht worden. Wenn man mal einen kennenlernt, von dem es heißt, er sei prominent, kann man davon ausgehen, dass er uns für Provinztrottel hält und sich insgeheim über uns lustig macht. Sie werden verstehen, dass diese Erfahrungen uns nicht gerade geneigt machen, Privatdetektive als vollwertige Kollegen anzusehen“, schloss er mit mildem Spott.
Bount nahm seine Karte an sich und steckte sie ein.
„Sie können in New York Erkundigungen über mich einziehen“, schlug er vor. „Ich bin mit Captain Rogers befreundet.“
Holms Blauaugen wurden noch größer, als sie schon waren.
„Toby Rogers vom Morddezernat? Ein Ass. Vielleicht spreche ich mit ihm. Vielleicht auch nicht. Aber kommen wir zur Sache. Worum geht es?“
„Um Charly Leggins. Wie ich hörte, wurde er erschossen. Vieles spricht dafür, dass er identisch ist mit dem Burns, der in Palm Beachs Kenwood Plaza einen Mann niederschoss und unter Verdacht steht, den Brand gelegt zu haben. Ich wüsste gern mehr über diesen Leggins.“
„Sie arbeiten für Elmer?“
„Ja.“
Holm lehnte sich zurück, zündete sich eine Zigarette an, blickte aus dem Fenster in den blauen Himmel und machte ein paar Sekunden lang den Eindruck, als habe er sich entschlossen, den Fall zu vergessen und sich in Träumereien zu üben, aber dann wandte er mit einem Ruck den Kopf und sagte: „Leggins ist von Chicago gekommen, zusammen mit seiner Frau, die in Miami Beach als Hostess arbeitet. So nennt sie sich jedenfalls. Sie ist bei einem Reisebüro angestellt und betreut Gruppen sowie Einzelreisende. Vieles spricht dafür, dass diese ,Betreuung‘ auch gewisse amouröse Angebote einschließt. Ich habe sie nur kurz gesprochen, sie saß noch vor zehn Minuten auf dem Stuhl, den Sie jetzt einnehmen. Sie behauptet, nicht zu wissen, was Charly in den letzten Wochen trieb, für wen er tätig war, und durch wen er vom Leben zum Tode befördert wurde. Sie war nicht traurig. Im Gegenteil. Auf mich machte sie eher den Eindruck, als sei Charlys Abgang in ihrem Sinne. Natürlich hat sie ein paar Tränchen zerdrückt und gemurmelt, wie schrecklich das doch alles wäre, und wie glücklich sie einmal mit Charly gewesen sei, aber mir drängte sich dabei der Eindruck einer Pflichtübung auf. Vielleicht irre ich mich. Ich sage Ihnen nur, wie mir das Ganze vorkam. Ich will Ihnen auch sagen, welchen Eindruck ich von den beiden Leggins habe. Skrupellos und zu allem bereit, wenn es um das liebe Geld geht. Sie haben einen Bungalow. Gute Gegend in Suniland. Sie hat mir das Haus gezeigt, auf einem Foto. Sieht nicht übel aus. Na ja, beide haben gearbeitet und Kies gemacht, aber beide, davon bin ich überzeugt, sind niemals sehr wählerisch gewesen, wenn es um die Wahrung legaler Erwerbsprinzipien ging.“
„Haben Sie sich schon mit dem Finanzamt in Verbindung gesetzt?“, fragte Bount.
„Dazu bin ich noch nicht gekommen.“
„War Leggins Einzelgänger, oder arbeitete er für eine Gruppe?“, wollte Bount wissen.
„Er war Einzelgänger, hatte aber Verbindung zu allen möglichen Leuten. Vor allem zu solchen, die das Gesetz als dummen Ballast empfinden“, meinte Holm grimmig. „Ein Schlitzohr. Schlimmer noch, ein Gangster. Virginia - seine Frau - tat so, als wäre sie mit seiner Lebensführung niemals einverstanden gewesen, und als habe sie wiederholt dagegen protestiert, dass er seinem Zuhause oft tagelang fernblieb, aber das ist kaum ernster zu nehmen als ihre gespielte Trauer, fürchte ich.“
„Haben Sie eine Ahnung, wie es zu dem Mord kommen konnte und wer oder was sich dahinter verbirgt?“
„Zunächst einmal ist zu sagen, dass Leute wie dieser Leggins selten im Bett sterben. Sie fordern ihr Schicksal praktisch heraus. Das entbindet uns leider nicht von der Aufgabe, Täter und Motiv zu finden, aber es wird Sie nicht überraschen, wenn ich sage, wie schwierig das Ganze ist. Natürlich haben wir Informanten, es gibt Ganoven, die für uns arbeiten, aber es gibt noch mehr, die sich lieber die Zunge abbeißen würden, als uns zu helfen.“
„Hat man bei dem Toten keine Hinweise auf den oder die Auftraggeber gefunden?“
„Nein. Seine Taschen waren praktisch geplündert worden. Fund und Tatort sind nicht miteinander identisch. Vieles spricht dafür, dass er aus einem Auto in den Kanal geworfen wurde. Es kann sich natürlich um einen Raubmord handeln. Davon bearbeiten wir mehr, als uns lieb ist. Aber nach allem, was wir über Leggins wissen und was er in Palm Beach getan haben soll, halte ich es für wenig sinnvoll, die Raubmordversion aufzubauen.“
„Kennen Sie Myers, den Hoteldetektiv?“
„Ich habe ihn einmal getroffen und gesprochen“, erinnerte sich Holm. „Er ist verschwunden, nicht wahr?“
„Ja. Vieles spricht dafür, dass dieses Verschwinden mit dem Brandanschlag auf das Hotel zusammenhängt“, meinte Bount. „Welchen Eindruck hatten Sie von Myers?“
„Noch ein Schlitzohr“, spottete Holm. „Elmer, der Direktor des Kenwood Plaza, hält große Stücke auf ihn, aber ich sehe den Burschen realistischer. Ein Opportunist. Er hat mal bei der Polizei Karriere zu machen versucht. Jetzt ist er bemüht, bei Kenwood groß herauszukommen.“
„Als Hoteldetektiv?“
„Soviel ich hörte, ist die Konzernleitung dabei, eine eigene Sicherheitstruppe aufzubauen. So ’ne Art Hotelpolizei, die den Gästen das Gefühl vermitteln soll, in den Kenwood Hotels besonders gut aufgehoben und beschützt zu sein. Soviel ich weiß, hat Elmer seinen hochgelobten Myers für diese Aufgabe vorgeschlagen.“
„Kennen Sie Myers Frau?“
„Nein, aber man hat mir von ihr berichtet.“
„In welchem Zusammenhang?“
„Sie soll ein scharfes, kleines Luder sein.“
„Was wollen Sie damit sagen?“
Holm grinste. „Ist das denn misszuverstehen? Sie betrügt ihn. Noch nie davon gehört, dass manche Frauen es lieben, fremdzugehen?“
„So was soll’s auch bei Männern geben“, meinte Bount grinsend. „Weiß Myers von der ausgeprägten Lebenslust seiner Angetrauten?“
„Keine Ahnung.“
„Er ist immerhin Detektiv.“
„Mann, was bedeutet das schon, wenn es um private Belange geht?“, fragte Holm und lachte kurz. „Ich kenne hier im Haus 'ne Menge ausgezeichneter Polizisten, Leute, die jedem Ganoven auf die Schliche kommen, die aber versagen, wenn es darum geht, das Doppelspiel ihrer süßen, kleinen Frauen zu durchschauen.“
Bount unterdrückte die Frage, ob Holm verheiratet sei, bedankte sich für die Auskünfte, ließ sich Leggins genaue Adresse geben und ging.
Er aß eine Kleinigkeit in einem klimatisierten Hotelrestaurant, das sich den Meerblick mit horrenden Preisen bezahlen ließ, rief den Flugplatz an, um den Pilot wissen zu lassen, dass er seine Arbeit noch nicht beendet habe, und fuhr mit einem Taxi hinaus nach Suniland.
Der Bungalow der Leggins lag in einer schmalen Seitenstraße, einer Sackgasse, die sich Horse Shoe Drive nannte und tatsächlich hufeisenförmig angelegt war. Das Grundstück befand sich in der Biegung der Straße und grenzte mit der Rückfront des Gartens an einen der Bootskanäle, die für die Gegend typisch sind.
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