Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis. Walter G. Pfaus
ab. Er hatte es sich bequem gemacht und trug zu Cordjeans ein kurzärmeliges Sporthemd. In der Rechten hielt er eine Zeitung.
„Hallo“, sagte er. „Ich hörte Ihren Wagen kommen. Hatten Sie einen guten Flug?“
„Danke“, erwiderte Bount und folgte Elmer ins Innere des Hauses. „Haben Sie schon gehört, was passiert ist?“
„Nein, wieso? Etwas Schlimmes?“
„Virginia Leggins ist tot. Sie flog vor meinen Augen mit ihrem Wagen in die Luft. Um ein Haar hätte es auch mich erwischt“, sagte Bount.
„Das ist ja entsetzlich. Wie ich sehe, haben Sie eine Beule am Kopf davongetragen.“
„Die verdanke ich einem anderen Zwischenfall“, sagte Bount. „Über ihn wird noch zu sprechen sein.“
Sie betraten das Wohnzimmer.
„Nehmen Sie Platz, wo es Ihnen gefällt“, meinte Elmer und sah auf seine Uhr. „Xenia ist nicht zu Hause. Ich habe keine Ahnung, wo sie sich aufhält und muss zugeben, dass ich ihretwegen etwas in Sorge bin.“
„Warum?“, fragte Bount und setzte sich.
„Sie pflegt mich zu erwarten, wenn ich abends aus dem Hotel nach Hause komme“, erwiderte Gregg Elmer, legte die Zeitung aus der Hand und ließ sich Bount gegenüber in einen Sessel fallen. Bount holte seine PALL MALL aus der Tasche und streckte dem Hausherrn das offene Päckchen entgegen. Der bediente sich und sorgte mit seinem Feuerzeug dafür, dass die Zigaretten brannten. „Wenn Xenia aus irgendeinem Grund zur gewohnten Stunde nicht im Haus sein kann, gibt sie mir telefonisch Nachricht, oder sie hinterlässt eine schriftliche Notiz“, fuhr Gregg Elmer fort. „Ich habe keinen Anruf erhalten, ich habe auch keinen Zettel gefunden. Na ja, es ist erst kurz nach Zehn, aber ich mache mir dennoch Sorgen. Es ist einfach ungewöhnlich, dass Xenia so lange ausbleibt, ohne sich zu melden. Ich denke ...“ Er unterbrach sich, als das Telefon klingelte, sprang auf und meinte: „Ich wette, das ist sie. Entschuldigen Sie mich bitte.“
Er trat ans Telefon, nahm den Hörer ab und meldete sich. Bount beobachtete Elmer. Dessen Gesicht straffte sich, es drückte plötzlich jähes Erschrecken aus.
„Hören Sie, Mister ...“, begann er, nachdem der Anrufer etwa eine halbe Minute lang gesprochen hatte, dann ließ er den Hörer sinken. „Aufgelegt“, murmelte er.
„Wer war das?“, fragte Bount, der sehr direkt sein konnte, wenn es um eine wichtige Information ging.
Gregg Elmer schritt mit der Zigarette in der herabbaumelnden Linken, zu seinem Platz und setzte sich. Er starrte ins Leere. Es schien, als habe er Bounts Frage nicht gehört.
„Wer war das?“, wiederholte Bount.
Gregg Elmer zuckte kaum merklich zusammen.
„Er verlangt von mir, dass ich Sie nach Hause schicke.“
„Wer?“
„Seinen Namen hat er nicht genannt. Es war zu merken, dass er mit stark verstellter Stimme sprach ... vermutlich durch ein Tuch. Er erklärte, dass ich Xenia nicht wiedersehen werde, wenn Sie nicht sofort die Stadt verlassen. Als ich ihm antworten wollte, legte er auf. Ach ja, noch eines hat er gefordert. Keine Polizei. Kein FBI.“
„Wusste er, dass ich bei Ihnen bin?“
„Keine Ahnung, das hat er nicht erwähnt. Was sollen wir jetzt tun?“
„Informieren Sie die Polizei!“
„Ausgeschlossen, das kann ich nicht. Ich darf Xenias Leben nicht aufs Spiel setzen. Deshalb muss ich Sie bitten, abzureisen. Noch in dieser Stunde. Mir bleibt keine Wahl.“
„Auf diese Weise kriegen Sie nie heraus, was geschehen ist und wer sich hinter den Anschlägen verbirgt.“
„Mag sein, aber das ist nicht länger wichtig für mich. Jetzt geht es um Xenia. Ich muss sie retten. Die Leggins sind tot, aber die habe ich nicht einmal gekannt. Tomlin wird sich rasch von seiner Schussverletzung erholen, und was den Brandanschlag und seine Folgen betrifft, so genügt es, wenn Polizei und Versicherung sich einstweilen damit befassen.“
„Sie vergessen Myers“, sagte Bount.
„Keineswegs. Besonders jetzt denke ich an ihn - und das mit gutem Grund.“
„Warum?“
Elmer holte tief Luft.
„Wie ich schon sagte, war die Stimme des Anrufers verstellt, aber sie erinnerte mich in geradezu erschreckend starkem Maße an die von Dick Myers.“
„Würden Sie ihm zutrauen, dass er sich auf die Seite Ihrer Gegner geschlagen hat?“
„Nein.“
„Wie heißt Ihr zweiter Mann?“, fragte Bount.
„Hugh. Dexter Hugh. Warum fragen Sie? Er ist okay.“
„Wie alt ist er?“
„Siebenundzwanzig. Ein Anfänger, wenn Sie so wollen, aber er gibt sich Mühe, gute Arbeit zu leisten. Natürlich fehlt ihm das Format, das Myers hat, und fraglos muss er seinen Erfahrungsschatz noch ausbauen ...“
„Arbeitet Hugh nach dem Ausfall seines Kollegen Myers rund um die Uhr?“
„Wie man’s nimmt. Hugh ist vorübergehend auf Wunsch der Hotelleitung in den Personalflügel des Kenwood Plaza gezogen. Er ist jederzeit greifbar, wenn Not am Mann ist, aber natürlich kann er nicht vierundzwanzig Stunden hintereinander Dienst tun.“
„Wie war das Verhältnis zwischen ihm und Myers?“, wollte Bount wissen.
„Myers ist der Boss. Er mimte nicht den großen Chef, aber er achtete auf eine gewisse Distanz und machte dem Jüngeren klar, wer das Sagen hat. Ich finde das nur natürlich.“
„Hugh denkt darüber möglicherweise anders.“
„Kann schon sein, aber das ist ohne Bedeutung. Ich bin der Hoteldirektor und durchaus bereit, einem guten Angestellten mal gönnerhaft auf die Schultern zu klopfen, aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich mich mit ihm auf eine Stufe stelle. Die Beziehungen zwischen Myers und Hugh sind ähnlich gelagert. Warum fragen Sie?“
„Ich wüsste gern, ob es zwischen den beiden eine gewisse Spannung gibt.“
„Sie halten es für möglich, dass Hugh auf Myers sauer ist und seinen Job haben möchte? Das kann und will ich nicht ausschließen, aber wenn Sie glauben sollten, dass sich dahinter das Motiv verbirgt, der Brandanschlag etwa, und Myers Verschwinden, sind Sie falsch gepolt. Hugh ist ein guter Mann. Absolut seriös. Ehe wir jemand mit einem solchen Posten betrauen, durchleuchten wir sein Vorleben gründlich. Das von Dexter Hugh ist untadelig. Nein, er ist kein Amokläufer, der Verbrechen inszeniert, um einen Konkurrenten aus dem Wege räumen zu können. Ich halte Hugh nicht für einen Superdetektiv, aber er kann noch in diese Rolle hineinwachsen. Im Übrigen ist er integer. Ein Mann ohne Fehl und Tadel, wie ich glaube. Zufrieden?“
„Wenn ich Fragen stelle, beinhalten sie nicht gezwungenermaßen einen Verdacht“, stellte Bount richtig. „Aber es ist notwendig, dass ich die Figuren kenne, die in diesem Spiel von Bedeutung sind.“
„Dexter Hugh hat mit dem Spiel nichts zu tun“, versicherte Gregg Elmer.
„Ist er verheiratet?“
„Nein.“
„Ich würde gern ein paar Worte mit ihm wechseln.“
„Das steht Ihnen selbstverständlich frei, aber Tatsache ist, dass Dexter für das Geschehen ein Alibi hat. In der Nacht, als auf Tomlin geschossen wurde und der Brandanschlag erfolgte, war er nachweislich in Miami Beach, in einem Spielkasino.“
„Ist er ein Glücksspieler?“
Gregg Elmer lachte.
„Diese Frage war zu erwarten. Nein, Dexter ist kein Spieler.