Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis. Walter G. Pfaus
was er in Miami Beach erlebt hatte und schloss: „Ich hoffe, dass es der Polizei gelingt, Mike Finch zu beschatten, und dass sie dabei auf die Figuren stößt, die für uns von Interesse sind.“
„Ich glaube, Sie verrennen sich da in etwas, das mit dem Kenwood Plaza-Anschlag nichts gemein hat“, meinte Elmer. „So viel Geld, wie Sie in dem Koffer gesehen haben wollen, gibt niemand für einen solchen Anschlag aus.“
„Ja, das ist ein schwaches Glied in der Kette meiner Überlegungen“, räumte Bount ein. „Ich habe zwar das Gästebuch eingesehen, jedoch versäumt, mir sagen zu lassen, wer im achten Stockwerk und in den drei darüber liegenden Etagen wohnte.“
„Diese Spezifikation habe ich mir anfertigen lassen, ich habe sie in meinem Aktenköfferchen“, meinte Gregg Elmer und stand auf. „Moment, ich hole sie Ihnen.“ Er ging hinaus und kehrte mit ein paar Fotokopien zurück. „Bitte“, sagte er, drückte sie Bount in die Hand und setzte sich.
Bount überflog die Namen. Er fand keinen darunter, der ihm geläufig war, aber ihm fiel auf, dass sich viele spanisch klingende Namen aneinander reihten.
„Was hat das zu bedeuten?“, sprach er Gregg Elmer darauf an.
„Nicht das Geringste“, erklärte Gregg Elmer. „In diesem Teil des Landes ist das nichts Ungewöhnliches.“
„Sie beherbergen doch wohl in erster Linie Touristen, die aus anderen Staaten und Ländern kommen“, meinte Bount.
„Das ist richtig. Im Augenblick wohnen jedoch viele Exil-Kubaner bei uns“, erklärte Gregg Elmer. „Besonders solche, versteht sich, die ihr Vermögen vor der Revolution nach Amerika zu transferieren vermochten. Sie liegen gleichsam in Lauerstellung. Sie wollen der alten Heimat nahe sein. Sie hoffen auf einen Umsturz, gleichzeitig schmieden sie Pläne, die ihre Zukunft in den USA betreffen. Ein seltsames Völkchen. Solange sie in Zeiten der Flaute das Hotel füllen und gut zahlen, sind sie mir hochwillkommene Gäste.“
„Das sind nur die Namen von den Gästen in der achten Etage“, erkannte Bount.
„Dort erfolgte doch der Anschlag!“
„Ich habe mir den Grundrissplan angesehen. Das Zimmer, das Leggins bewohnte, lag nur ein paar Yards von der Nottreppe entfernt, und die beiden anderen Benzinbomben, die intakt aufgefunden wurden, wären in einem Zimmer unweit des Treppenhauses hochgegangen. Ich schließe daraus, dass es einen taktischen Plan der Attentäter gibt. Sie wollten sicherstellen, dass niemand aus den oberen Stockwerken fliehen kann. Wenn die Treppen und Liftschächte durch Rauch und Flammen versperrt worden wären, hätte es für die Eingeschlossenen kaum eine Rettungschance gegeben, nicht wahr? So gesehen ist es also besonders wichtig, festzustellen, wer in den drei oberen Stockwerken wohnte - oder wohnt.“
„Sie haben recht“, murmelte Gregg Elmer beeindruckt. „Ich lasse diese Listen morgen anfertigen und sorge dafür, dass Sie Kopien erhalten.“ Er stand auf, trat an den Barwagen und griff nach einem Glas. „Trinken Sie einen mit?“, fragte er.
„Danke, nein.“
Gregg Elmer füllte sein Glas.
„Ich muss verrückt sein“, murmelte er dabei. „Ich rede über Hugh, ein paar kubanische Gäste und Benzinbomben, und vergesse dabei, dass Xenia entführt wurde. Wie und wo kann ich sie finden? Was muss ich tun, um sie aus den Klauen ihrer Kidnapper zu befreien?“
„Wie sicher sind Sie, dass die Stimme des Anrufers identisch ist mit der von Dick Myers?“
„Es ist so ein Gefühl. Ich kann es nicht erklären. Aber natürlich bin ich meiner Sache nicht sicher. Myers hat so einen seltsamen Slang. Er ist in Brooklyn großgeworden, glaube ich. Vielleicht ist das die Erklärung für die merkwürdige Assoziation, vielleicht stammt der Mann, der mich anrief, aus Brooklyn.“ Gregg Elmer setzte sich, mit dem Glas in der Hand. Er sah Bount an. „Wir haben keine Wahl. Es ist unsinnig, wenn ich von Gästelisten rede und Ihnen verspreche, sie an Sie weiterzuleiten. Sie müssen raus aus Palm Beach, sonst gefährden wir Xenias Leben.“
„Wer sagt Ihnen, dass Sie es schützen, wenn Sie das Ultimatum der Gangster befolgen?“
„Sie glauben, es sei dumm, sich einschüchtern zu lassen? Ich sehe das anders. Die Gangster haben gezeigt, wozu sie fähig sind. Ich nehme ernst, was sie mir und Xenia androhen. Ich für meinen Teil bin entschlossen, den Befehl zu akzeptieren.“
„Okay. Sie kündigen mir. Ist es Ihnen recht, wenn ich dennoch weitermache ... ohne Ihre Einwilligung?“
„Das ist Unsinn.“
„Es war nur ein Vorschlag“, sagte Bount und erhob sich. „Ich hoffe, Sie sind sich über die Risiken klar. Wenn Sie weder Polizei noch FBI einschalten und mich gleichzeitig nach Hause schicken, bedeutet das im Klartext, dass Sie nichts für Xenia tun, dass Sie sie ihrem Schicksal überlassen und sich völlig in die Hände dieser Gangster geben.“
„Sie brauchen mir nicht klarzumachen, in welcher Situation Xenia und ich mich befinden“, knurrte Elmer. Er leerte sein Glas und stand auf. „Verdammt, mir ist zumute, als müsste ich daran krepieren, aber ich muss jetzt auf Zeit spielen und hoffen, dass ich mich in irgendeiner Weise mit den Gangstern arrangiere.“
„Was werden Sie tun, wenn der Anrufer sich erneut meldet und für Xenia ein Lösegeld fordert?“
„Ich weiß es nicht.“
„Werden Sie zahlen?“
„Das hängt davon ab, was die Leute fordern werden. Ich bin kein Millionär. Glauben Sie denn, dass es diesen Burschen um Geld geht?“, fragte er.
Bount zuckte mit den Schultern.
„In der Hauptsache kommt es ihnen wohl darauf an, mich auszuschalten, aber es würde mich nicht wundern, wenn sie versuchten, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.“
„Es ist fantastisch, welche Furcht diese Kerle vor Ihnen haben“, meinte Gregg Elmer.
„Das ist noch ein Indiz dafür, dass Dick Myers seine Hände im Spiel haben könnte“, sagte Bount.
Gregg Elmer nickte.
„Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Er kennt Sie. Es muss ihn geschockt haben, als er erfuhr, dass der Mann, den er für einen der tüchtigsten Kriminologen des Landes hält, plötzlich hier auftauchte und ausgerechnet ihn, seinen Bewunderer, zu jagen versucht ...“
„Sie reden, als sei es ausgemachte Sache, dass Ihr Freund Myers hinter den Verbrechen steht.“
„Sie haben recht“, meinte Gregg Elmer mit jäher Zerknirschung. „Ich darf mich nicht in diese Hypothese verrennen. Aber da ist die Erinnerung an diese Telefonstimme. Sie war verstellt, und der von Myers doch so ähnlich ...“
Bount schritt zur Tür.
„Ich hasse es, mitten in einem Job aufzugeben“, meinte er.
Gregg Elmer begleitete seinen Gast in die Diele.
„Es gibt noch eine Möglichkeit“, sagte er stirnrunzelnd und blieb stehen. „Der Anrufer hat nicht gewusst, dass Sie bei mir sind. Er muss davon ausgehen, dass es mir erst in Stunden gelingt, Sie aufzuspüren und von dem Ende Ihrer Mission in Kenntnis zu setzen. Das würde bedeuten, dass Ihnen immerhin noch diese Nacht bleibt, etwas herauszufinden - nur ein paar Stunden.“
„Das ist sicherlich zu wenig“, meinte Bount, „aber ich werde versuchen, sie zu nutzen.“
7
Bount hörte Schritte in der Diele. Sie stoppten an der weißgelackten Wohnungstür. Der winzige Türspion verdunkelte sich. Bount hob das Kinn. Die Tür öffnete sich, nur spaltbreit. Die auf der Innenseite eingehängte Kette klirrte leise.
„Wer sind Sie?“, fragte eine weibliche Stimme. „Wissen Sie, wie spät es ist?“
Bount reichte seine Lizenzkarte durch