Südengland Reiseführer Michael Müller Verlag. Ralf Nestmeyer
dem sogar der Boden bebt. Ebenfalls sehr eindrucksvoll ist die Szenerie „The Trench Experience“, die eine authentische Vorstellung vom Leben und Sterben in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs vermittelt.
♦ Lambeth Road, SE1. (U) Waterloo oder Elephant & Castle. Tgl. 10-18 Uhr. Eintritt frei! www.iwm.org.uk.
East End
Das East End ist die Heimat der Cockneys. Aber auch die Hugenotten und Juden haben hier ihre erste Heimstätte gefunden.
Heute wird das Armenviertel im Londoner Osten vor allem von Pakistanis und Bengalen geprägt. Große Sehenswürdigkeiten gibt es abgesehen von den vier bekannten Märkten (Spitalfield Market, Petticoat Lane Market, Brick Lane Market, Columbia Road Market) nicht. Einen schlechten Ruf hatte das East End schon immer: Bereits aus dem Mittelalter gibt es Berichte über Elendsquartiere, die sich dicht an dicht in den Sümpfen außerhalb von Aldgate drängten. Im Zeitalter der industriellen Revolution waren es vor allem irische Immigranten, Fabrikarbeiter und Hafenarbeiter, die in den Slums des East End eine billige Unterkunft fanden. Im Jahre 1870 wurden im Londoner Osten 600.000 Menschen gezählt. Zumeist lebten ganze Familien in einem einzigen Zimmer ohne Wasseranschluss, von sanitären Einrichtungen ganz zu schweigen. In der Hochphase der Industrialisierung lag im East End die durchschnittliche Lebenserwartung bei 16 Jahren; 55 Prozent aller Kinder starben, bevor sie das fünfte Lebensjahr erreicht hatten! Angesichts dieser Zustände verwundert es nicht, dass die von William Booth gegründete Heilsarmee 1878 in Whitechapel mit ihrer Missionsarbeit begann und 1888 dort das erste Nachtasyl für Obdachlose eröffnet wurde.
Docklands
Der einstmals größte Dockhafenkomplex der Welt mit seinen gigantischen Lagerhäusern und Hafenbecken wurde in den letzten Jahrzehnten in ein hypermodernes Büroviertel verwandelt.
Im Jahre 1981 begann die London Docklands Development Corporation das brachliegende, 2200 Hektar große Areal einer neuen Nutzung zuzuführen. Doch anstatt den großen städteplanerischen Wurf zu wagen, entstand auf der sogenannten Isle of Dogs, die eigentlich eine Halbinsel ist, ein architektonisches Potpourri aus Glas, Stahl, Marmor und Granit. Das Ergebnis ist ein seelenloses Terrain mit riesigen Häuserklötzen und postmodernem Schnickschnack. Abends und am Wochenende sind die Docklands fast menschenleer, grundlegende Versorgungseinrichtungen fehlen weitgehend. Auch Prince Charles rümpfte die Nase angesichts der „mittelmäßigen Bauten“ mit ihrer unterkühlten Eleganz. Zum Wahrzeichen der Docklands wurde der einer Rakete oder einem überdimensionalen Obelisk ähnelnde Canary Wharf Tower von Cesar Pelli. Architektonisch ausgefallen wirkt Cascades, ein zwanzigstöckiges Gebäude von Piers Gough, das direkt an der Themse emporwächst. Mit seinen Türmchen, Bullaugen und seinem abgeschrägten Anbau erinnert es an einen steinernen Wasserfall.
Greenwich
Greenwich ist ein traditionsreicher Ort am Südufer der Themse. Durch seine Königliche Sternwarte und den Nullmeridian ist Greenwich gewissermaßen zum Nabel der Welt geworden. Einen Besuch lohnt aber auch das National Maritime Museum.
Ursprünglich war Greenwich ein kleines Fischerdorf an der Themse. Dies änderte sich erst, als der Herzog von Gloucester 1428 ein Schloss errichten ließ. Letztlich war es aber Karl II., der die „Schuld“ am Aufstieg von Greenwich trug; der englische König beschloss 1685, „auf dem höchsten Punkt in unserem Park in Greenwich eine kleine Sternwarte zu bauen.“
Old Royal Naval College: Das Royal Naval College zählt zu den vier weltlichen Bauten von Christopher Wren. Allerdings war Wren hier nicht allein am Werk, Teile des klassizistischen Ensembles wurden von seinem Schüler Nicholas Hawksmoor entworfen. Auftraggeberin war Königin Maria II., die sich Greenwich als Standort für ein Marinehospital wünschte, das als Pendant zum Chelsea Hospital alten Seeleuten einen geruhsamen Lebensabend gewährleisten sollte. Die architektonische Vorgabe war, dass das dahinterliegende Queen’s House von Inigo Jones von der Themse aus weiterhin sichtbar bleiben müsse und daher nicht verdeckt werden durfte.
♦ Greenwich, SE 10. DLR: Island Gardens. Tgl. 10-17 Uhr, So erst ab 12.30 Uhr. Eintritt frei! www.oldroyalnavalcollege.org.
Cutty Sark: Direkt am Greenwich Peer liegt die Cutty, der schnellste und wohl schönste Teeklipper des 19. Jahrhunderts, auf einem Trockendock. Der Name des 1869 in Schottland vom Stapel gelaufenen Schiffes leitet sich vom kurzen Hemd ihrer Galionsfigur ab. Die Cutty Sark wurde von der East India Company in Auftrag gegeben, um der hohen Preise wegen die neue Tee-Ernte schnellstmöglich nach England zu bringen. 1871 stellte das Schiff mit einer Fahrtzeit von 107 Tagen einen Rekord auf der Strecke von China nach England auf. Durch den Bau des Suezkanals waren die Segelschiffe den modernen Dampfschiffen unterlegen (diese durch den Kanal schleppen zu lassen, wäre zu teuer gewesen), sodass die Cutty Sark zunächst für Wolltransporte nach Australien eingesetzt und 1895 schließlich nach Portugal verkauft wurde. Erst 1954 kam das Schiff nach England zurück, wo es zum Museumsschiff umgebaut wurde. Die Mannschaft - höchstens 28 Seeleute - war in den Deckshäusern untergebracht, damit sie bei Bedarf schneller verfügbar war. Wie man eindrucksvoll sehen kann, war das Leben der Matrosen alles andere als komfortabel, Waschgelegenheiten fehlten beispielsweise völlig. Unter Deck befindet sich noch eine Ausstellung von historischen Galionsfiguren. Nach einem verheerenden Brand musste das Schiff weitgehend rekonstruiert werden, bevor es seit April 2012 im Rahmen einer neuen Dauerausstellung wieder besichtigt werden kann.
♦ Greenwich, SE 10. DLR: Cutty Sark. Tgl. 10-17 Uhr, im Winter bis 16.30 Uhr. Eintritt £ 15, erm. £ 7.50 (Kombiticket mit Royal Observatory £ 26.25, erm. £ 13.15. www.rmg.co.uk/cutty-sark.
National Maritime Museum: Großbritannien war einst die größte Seefahrernation der Welt. An diese hehre Vergangenheit erinnert das Museum zur Geschichte der Seefahrt in mustergültiger Form. Rund um einen überdachten Innenhof sind die verschiedenen Sektionen des Museums gruppiert, die beispielsweise sehr anschaulich die großen Entdecker und ihre Expeditionen, allen voran James Cook (1728-1779), vorstellen; aber auch Fragen nach der Zukunft der Ozeane bleiben nicht ausgeklammert. Wer sich für Seeschlachten interessiert, kommt auch nicht zu kurz.
♦ Greenwich, Romney Road, SE 10. DLR: Island Gardens. Tgl. 10-17 Uhr. Eintritt frei! www.nmm.ac.uk.
Royal Observatory
Royal Observatory: Sir Christopher Wren entwarf die königliche Sternwarte nebst einem Haus für den Hofastronomen John Flamsteed. Bis 1945 blickten Flamsteeds Nachfolger von hier aus in den nächtlichen Himmel, dann musste die Sternwarte aufgrund der zunehmenden Luftverschmutzung nach Herstmonceux in East Sussex verlegt werden. Das Royal Observatory wurde daraufhin in ein Museum umgewandelt.
♦ Greenwich, SE 10. DLR: Greenwich. Tgl. 10-17 Uhr. Eintritt £ 16, erm. £ 8 (Kombiticket mit Cutty Sark £ 26.25, erm. £ 13.15). www.rmg.co.uk/royal-observatory.
Millennium Dome
Wie eine riesige Schildkröte ruht der Millennium Dome auf dem Areal eines aufgelassenen Gaswerks im Norden von Greenwich. Der Dome war ein Prestigeobjekt von Tony Blair, das den Geist von „Cool Britannia“ mit dem Vertrauen auf die zukünftige Welt vereinen sollte. Für diese hehren Pläne scheute die britische Regierung weder Kosten noch Mühen.
Der britische Staat stellte knapp 800 Millionen Pfund für den Bau und die Vermarktung