Ravenhurst. Sandra Bäumler

Ravenhurst - Sandra Bäumler


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für Ihre Fürsorge. Nun lassen Sie uns im Sitzen warten, das wird uns auch nicht mehr kosten«, gab ich zurück und nahm vor dem Kamin Platz. Ich streifte die Handschuhe ab, die ich auf meinen Schoss legte, und hielt meine frostigen Finger den wärmenden Flammen entgegen. Nach einem kurzen Zögern entschied sich Anne für den Platz neben mir auf dem Sofa. Man merkte ihr an, dass es ihr als Bedienstete unangenehm war, in meiner Gegenwart zu sitzen. Schweigend starrten wir einige Augenblicke ins Feuer, doch plötzlich beugte sie sich zu mir.

      »Sind Sie so gespannt wie ich, zu erfahren, was Mister Spaulding von Ihnen will?«, fragte sie mit gesenkter Stimme.

      »Unglaublich sogar, aber eine Dame bewahrt immer die Contenance und lässt sich ihre Curiosité nicht anmerken, wie mein französisches Kindermädchen stets zu sagen pflegte«, erwiderte ich leise. »Wahrscheinlich will er nur wieder …«

      Die Tür ging auf und Spaulding, ein Mann in den besten Jahren, betrat den Raum. Sein Oberlippenbart war wie immer sehr beeindruckend, das musste ich zugeben, auch wenn ich Gesichtsbehaarung jeglicher Art nicht mochte.

      »Ich bitte zu entschuldigen, dass ich Sie habe warten lassen, meine Liebe.« Er kam auf mich zu, ich legte die Handschuhe auf die Armstütze und erhob mich.

      »Meine Zofe Anne kennen Sie bestimmt«, erwiderte ich.

      Anne stand ebenfalls auf.

      »Vom Sehen, angenehm Ihre Bekanntschaft zu machen.« Er schüttelte kurz Annes Hand, dann nahm er meine.

      »Es tut mir wirklich sehr leid, dass ich Sie hierher beordern musste. Aber es ist mir im Moment unmöglich mein Büro zu verlassen, wissen Sie, die Arbeit …«

      »Keine Sorge, es hat mir nichts ausgemacht, Sie in Ihren Räumlichkeiten aufzusuchen«, unterbrach ich seinen Entschuldigungsschwall.

      »Gut, ich denke, wir bleiben in der Bibliothek. Hier ist es gemütlicher, zudem ist es in meinem Büro wesentlich kühler. Nach Ihren eisigen Händen zu urteilen, müssen Sie sehr frieren.« Mister Spaulding ließ mich los und deutete einladend zu dem Sofa, auf dem ich vor seiner Ankunft schon gesessen hatte. Ich nahm Platz, Anne tat es mir gleich, Mister Spaulding entschied sich für den Sessel uns gegenüber. Er musterte uns einen Augenblick, räusperte sich dann.

      »Vielleicht möchte Ihre Zofe in unserer Küche warten«, schlug er vor. »Ich hab doch recht intime Dinge mit Ihnen zu besprechen.«

      »Oh, natürlich kann ich dort warten.« Anne stand hastig auf, ihre Wangen glühten, ich hielt sie fest.

      »Es gibt nichts, dass Sie mir nicht auch in ihrer Gegenwart sagen könnten«, erwiderte ich entschlossen, Anne sank auf ihren Platz zurück.

      »Wie Sie wünschen«, meinte Spaulding mit missbilligendem Gesichtsausdruck. Offensichtlich hielt er es für unangemessen, wenn eine Bedienstete bei einem solch intimen Gespräch anwesend war, wie er es mit mir zu führen beabsichtigte. Aber seine Meinung kümmerte mich nicht. Wenn eine weitere Hiobsbotschaft bezüglich meines Vaters auf mich wartete, wollte ich eine Vertraute an meiner Seite haben. In den letzten Wochen hatte er nur schlechte Nachrichten für mich gehabt. Eine Unmenge Gläubiger war mit ihm in Kontakt getreten. Wenn ich nur an die Schulden dachte, die mein Vater aufgehäuft hatte, wurde mir speiübel. Mason brachte den Tee. Er stellte das Tablett auf einer kleinen Konsole in der Nähe der Sitzgruppe ab. Schweigend sahen wir zu, wie er einschenkte. Anschließend trug er die Tasse, die er auf einen Unterteller gestellt hatte, zu mir, dann kam Anne an die Reihe. Zuletzt versorgte er seinen Arbeitgeber, danach zog er sich wieder zurück. Spaulding nahm einen Schluck, anschließend stellte er seine Tasse auf den kleinen Tisch neben sich. Ich hielt meine fest, trank jedoch nichts, obwohl mein Mundraum vor Anspannung trockener als eine Wüstenei war.

      »Ach ja, ehe ich es vergesse, möchte ich Sie noch darüber informieren, dass ich den Bediensteten gestern zum Monatsletzten die Zeugnisse ausgehändigt habe. Es war sehr nett, dass ich die Schreiben verfassen durfte«, ergriff ich das Wort.

      »Sie kannten diese Menschen besser als ich. Ich denke mit den von Ihnen ausgestellten Zeugnissen dürften sie keine Schwierigkeiten haben, eine neue Anstellung zu finden.« Sein Blick glitt zu Anne.

      »Sie möchte bei mir bleiben und mir helfen, eine Anstellung zu finden«, erklärte ich ihm.

      »Es wird dafür keinen Lohn geben«, sagte er zu meiner Begleitung.

      »Dessen bin ich mir bewusst.« Anne hielt seinem durchdringenden Blick stand, reckte ihm kämpferisch ihr Kinn entgegen. Spaulding schenkte wieder mir seine Aufmerksamkeit.

      »Dann will ich zur Sache kommen. Wie Sie wissen, hat Ihr Vater Ihnen ungeheuer hohe Spielschulden hinterlassen und unzählige Gläubiger sind involviert.«

      »Wenn ich an diesem eisigen Morgen von Ihnen hierherbeordert wurde, nur damit Sie mir dies sagen können, hätte ich mir den Marsch durch die Kälte sparen können«, erwiderte ich ungeduldig. Eine meine eher undamenhaften Eigenschaften, die Worte purzelten manchmal schneller aus meinem Mund, als dass sie mein Verstand aufhalten konnte. Spaulding zog eine Braue hoch, schnaubte missbilligend und fuhr fort. »Dorian Graves hat mit mir vorgestern Kontakt aufgenommen. Er ist einer der Gläubiger Ihres Vaters und unter anderem der neue Besitzer von Warrington House, Ihr Londoner Stadthaus, das sollten Sie vielleicht wissen. In seinem Namen möchte ich Ihnen ein zugegebenermaßen ungewöhnliches Angebot unterbreiten.« Mein Gegenüber machte eine bedeutungsschwangere Pause. Nun nippte ich doch an meiner Tasse, um meinen Mund wenigstens etwas feucht zu bekommen.

      »Er möchte Sie heiraten«, sagte Spaulding ohne weitere Vorreden und prompt geriet der Tee in den falschen Hals. Ich begann zu husten, Anne stellte ihre Tasse weg und nahm mir schnell meine ab, bevor ich alles über mein Kleid verschüttete.

      »Kann ich Ihnen irgendwie helfen«, fragte Spaulding besorgt.

      »Nein, es geht schon«, erwiderte ich, krächzte dabei wie eine alte Krähe. Meine Augen tränten, doch endlich bekam ich wieder Luft.

      »Was möchte dieser Mrs Graves?«, fragte ich heiser, hoffte Mister Spaulding nicht richtig verstanden zu haben.

      »Er möchte Sie heiraten«, wiederholte er. Ich riss ungläubig die Augen auf, neben mir schnappte Anne hörbar nach Luft.

      »Lady Warrington, wie Sie wissen war ich jahrelang der Anwalt Ihres Vater und auch so etwas wie ein Freund, möchte ich meinen, sonst hätte er mich nicht gebeten, mich um Sie zu kümmern, falls ihm etwas zustößt. Keiner konnte auch nur ahnen, dass dieser Fall so schnell eintreten würde. Aber leider kann ich Ihnen keine allzu große finanzielle Unterstützung bieten. Das Stadthaus ist in einer Woche zu räumen und eigentlich hätten Sie schon sehr viel früher ausziehen müssen. Aber es kam mir grausam vor, Sie so kurz nach dem unerwarteten Ableben Ihres Vaters auch noch aus Ihrer gewohnten Umgebung zu reißen. Sie können mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass ich nur das Beste für Sie möchte. Eine Ehe mit diesem Mann ist meiner Meinung nach die einfachste Lösung, um Sie aus Ihrer misslichen Lage zu befreien. Ansonsten bliebe nur noch Ihr Vetter in Bristol. Ein einfacher Notar, der in einem Mietshaus lebt, das nicht einmal groß genug für seine Frau und fünf Kinder ist, oder Sie finden eine Arbeit als Gouvernante, die es Ihnen ermöglicht im Haushalt Ihres Arbeitgebers zu leben.«

      Noch immer fehlten mir die Worte, ich spürte einen Druck in meinen Kopf, der von herannahenden Schmerzen kündete. Wie paralysiert starrte ich Spaulding an.

      »Sagen Sie doch etwas«, forderte er mich auf.

      »Dieser Mann möchte was?«, fragte ich ein drittes Mal, in der Hoffnung jetzt eine andere Antwort zu erhalten.

      »Sie ehelichen.« Spaulding sprach ganz langsam, als müsste er einer Irrsinnigen die Angelegenheit erklären.

      »Er lässt über einen Anwalt den Heiratsantrag machen? Ein Mann, den ich noch nie in meinem Leben gesehen habe? Der es nicht für nötig erachtet, sich bei mir persönlich vorzustellen. Was bildet dieser Mensch sich ein?« Jetzt hatte ich meine Sprache wiedergefunden. »Sie können ihm ausrichten, dass ich es eher vorzöge ein Schwein zu ehelichen.« Ich sprang auf und nahm meine Handschuhe, die ich mir hastig überstreifte. Wie sollte es anders sein, vor Erregung rutschte


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