Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit. Tilman Wetterling

Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit - Tilman Wetterling


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2017, S. 58–59).

      2.3 Volkswirtschaftliche Belastung durch die Alkoholkrankheit

      Erhöhter Alkoholkonsum ist ein vorrangiges sozialmedizinisches Problem, denn erhebliche volkswirtschaftliche Kosten, entstehen in Deutschland vor allem durch:

      image Produktionsausfälle durch alkoholbedingte Erkrankungen und Fehlen am Arbeitsplatz (»Blaumachen«) (image Kap. 6.3).

      image Ausgaben im Gesundheitswesen für alkoholbedingte Erkrankungen und Unfälle (image Kap. 5 und image Kap. 6.4).

      image Erhöhte Mortalität durch alkoholbedingte Erkrankungen und Unfälle (image Kap. 6.5).

      image Soziale Folgekosten (Sozialhilfe) für durch Alkoholmissbrauch zerrüttete Familien (image Kap. 6.2).

      image Frühzeitige Berentung, auch Unfallrente (image Kap. 6.4).

      image Folgekosten bei fetalem Alkohol-Embryopathie-Syndrom (image Kap. 5.3.11).

      Dabei ist zu beachten, dass die gesundheitlichen und sozialen Probleme nicht nur eine Folge einer Alkoholabhängigkeit sind, sondern auch schon bei erhöhtem Konsum auftreten können, insbesondere bei Alkoholintoxikationen (Rauschtrinken). Die alkoholbedingten gesundheitlichen Folgen können sehr unterschiedlich sein (Wetterling et al. 1999b). Erhöhter Alkoholkonsum wird als ein wesentlicher Faktor für eine Multimorbidität angesehen (Wetterling 2019). Es liegen nur Schätzungen zu den volkswirtschaftlichen Kosten durch Alkohol vor (image Tab. 2.1). Die direkten Kosten werden mit insgesamt 9,15 Milliarden € angegeben. Den Hauptanteil machen die Krankheitskosten aus (image Tab. 2.1). Die indirekten Kosten werden auf insgesamt 30,15 Milliarden € geschätzt.

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      Kosten fürGeschätzte Kosten Milliarden €

      3

      Alkohol-pharmakologische Eigenschaften

      Definition:

      Der Begriff Alkohol geht auf das arabische Wort »alkuhl« zurück, bedeutet das »Feinste, feines Pulver« und bezeichnete ursprünglich die feinen, nichtflüchtigen Bestandteile des Weines. Über die Mauren in Spanien gelangte der Begriff wie auch andere chemische Bezeichnungen in die europäischen Sprachen. In der Chemie wird mit Alkohol eine große Gruppe von Substanzen bezeichnet, die mindestens eine Hydroxyl-(-OH)gruppe haben. Die chemischen Eigenschaften, z. B. ihre Eignung als Lösungsmittel etc., hängen von der Länge der Kohlenstoffkette ab.

      Ethylalkohol oder Ethanol (C2H5OH) ist eine farblose, brennbare Flüssigkeit. Ethanol entsteht bei der natürlichen Gärung von Zuckern und besitzt bemerkenswerte physikalisch-chemische Eigenschaften: Er ist sowohl sehr gut wasserlöslich (hydrophil) als auch fettlöslich (lipophil) und kann sich daher nach Aufnahme in den Körper schnell in nahezu alle Körperorgane verteilen.

      Ethylalkohol ist als berauschender Bestandteil von Wein, Bier oder Schnaps eine klassische, schon seit dem Altertum bekannte psychotrope Substanz, die u. a. durch die Gärung von Früchten gewonnen wurde. Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend wird in diesem Buch – chemisch nicht korrekt – die Bezeichnung Alkohol ausschließlich für Ethylalkohol benutzt.

      Tab. 3.1: Alkoholgehalt verschiedener Getränke (Durchschnittswerte)

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      GetränkAlkohol %g Alkohol/lkJ/l*

      * 1 g Alkohol enthält eine Energiemenge von 29,6 kJ (etwa 7 kcal). Teilweise sind die Energiemengen aufgrund des Gehalts an Zucker, Stärke etc. höher als es der Alkoholmenge entspricht.

      Merke:

      Ein wenig beachteter Aspekt ist der hohe Energiegehalt (»Kalorien«) von Alkohol. Dieser ist mit 7,1 kcal pro Gramm höher als der von Zucker (4,1 kcal) und niedriger als der von Fett (9,3 kcal). Dies führt häufig dazu, dass Alkoholabhängige einen großen Teil ihres Energiebedarfs durch Alkoholtrinken decken. Hierbei handelt es sich um »leere Kalorien«, denn Vitamine und Mineralien wie in anderen Lebensmitteln fehlen. Dies ist ein wesentlicher Grund für eine Reihe von Organschädigungen bei chronischem Alkoholkonsum (Barve et al. 2017).

      Meist enthalten alkoholische Getränke je nach Ausgangssubstanz (Frucht, Getreideart) und Gewinnungsprozess weitere pharmakologisch relevante Substanzen: Zucker, Fruchtester, Methanol und höhere Alkohole, Acetaldehyd und andere. Diese werden u. a. für unangenehme Wirkungen wie den »Kater« am nächsten Morgen oder Kopfschmerzen verantwortlich gemacht.

      Da Alkohol durch die natürliche Gärung von Zuckern entsteht, enthalten auch einige Lebensmittel geringe Mengen an Alkohol (in Volumenprozent):

      image Brot: bis 0,3 %

      image Apfelsaft: bis 0,4 %

      image Sauerkraut: 0,5 %

      image Traubensaft: bis 0,6 %

      image reife Banane: bis 1 %

      image reifer Kefir: bis 1 %


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