Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit. Tilman Wetterling

Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit - Tilman Wetterling


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in den Körper)

      Alkohol wird in der Regel getrunken, also in flüssiger Form oral »eingenommen«. Da Alkohol eine wasser- und fettlösliche Substanz ist, diffundiert er leicht durch biologische Membranen und wird schnell und vollständig im oberen Verdauungstrakt resorbiert. Er wird über die Portalvene zunächst der Leber zugeführt und danach über den Blutkreislauf auf den gesamten Organismus, vorwiegend auf die Körperflüssigkeiten, verteilt. Bereits fünf Minuten nach Aufnahme des Alkohols kann er im Blut nachgewiesen werden, wobei die Maximalkonzentration hingegen erst nach 30–90 Minuten nach der Alkoholaufnahme zu erwarten ist. Eine Reihe von Faktoren kann die Resorption von Alkohol beeinflussen (Cederbaum 2012). Eine schnellere Aufnahme wird v. a. gefördert durch:

      image weibliches Geschlecht,

      image hohes Lebensalter,

      image Adipositas

      image Trinken auf »nüchternen« Magen sowie

      image hoher Alkoholgehalt des Getränks (image Tab. 3.1)

      image Kohlensäuregehalt des Getränks

      Aufgrund der Wasser- und Fettlöslichkeit verteilt sich die resorbierte Alkoholmenge rasch und relativ gleichmäßig in allen Geweben und Flüssigkeiten. Biologische Barrieren wie die Blut-Hirn-Schranke stellen kein Hindernis für Alkohol dar. Daher gestattet die Bestimmung der Alkoholkonzentration im Blut (BAK) eine Aussage über die Konzentration im Zentralnervensystem.

      3.2 Elimination (Abbau im Körper und Ausscheidung)

      Die im Körper resorbierte Alkoholmenge wird in einer Reihe von Wegen verstoffwechselt (Cederbaum 2012). Im Magen erfolgt schon ein Abbau durch die Resorption von Alkohol in der Magenwand, was auch als first-pass Metabolismus bezeichnet wird. Bis zu 15 % der Alkoholmenge, die von der Magenschleimhaut resorbiert wird, gelangen daher nicht in den Blutstrom. Alkohol wird überwiegend durch das Enzym Alkoholdehydrogenase, hauptsächlich (> 80 %) in der Leber metabolisiert. Ein kleiner Teil von etwa 5 % wird über die Lungen durch Abatmung eliminiert, was landläufig unter dem Begriff der »Alkoholfahne« bekannt ist und zum Schnelltest auf einen Alkoholkonsum (z. B. bei Verkehrskontrollen) genutzt werden kann (image Kap. 6.7.3). Maximal 2 % werden unverändert über die Haut (Schweiß) oder im Urin ausgeschieden. Auch in anderen Organen werden geringe Mengen an Alkohol abgebaut (Molina et al. 2014). Ob und inwieweit Alkohol auch im Gehirn verstoffwechselt werden kann, ist bisher nicht eindeutig geklärt (Peana et al. 2017).

      In der Leber wird Ethanol in zwei Schritten metabolisiert, die in Abbildung 3.1 dargestellt sind. Das Enzym Alkoholdehydrogenase (ADH) wandelt Ethylalkohol in Acetaldehyd um. Dann wird Acetaldehyd unter Einwirkung des Enzyms Aldehyd-Dehydrogenase (ALDH) in Essigsäure umgewandelt, die unter Freisetzung von ATP weiter in Kohlenstoffdioxid und Wasser abgebaut wird. In der Leber kann Alkohol auch noch über eine andere Gruppe von Enzymen, das mikrosomale Ethanol oxidierendes System (MEOS) abgebaut werden (Lieber 2004). Dieses System ist von der Cytochrome P450c Oxidase Typ 2E1 abhängig. Dieses Enzym ist auch am Abbau von Medikamenten beteiligt, sodass deren Konzentrationen bei chronischem Alkoholkonsum steigen können und es dadurch zu toxischen Effekten kommen kann. Bei dem Abbau von Alkohol kommt es auch zur Bildung von erheblichen Mengen an sogenannten reaktiven oxidativen Molekülen (ROS) (»oxidativer Stress«) (Cederbaum 2012). Diese werden neben Acetaldehyd für die organschädigende Wirkungen von Alkohol, insbesondere der Leber als wesentlich angesehen (Molina et al. 2014) (image Kap. 4 und image Kap. 5). Andere Alkohole, die in vielen alkoholischen Getränken enthalten sind, werden vorwiegend über das MEOS abgebaut.

Images

      Abb. 3.1: Alkoholresorption und -elimination (schematisch dargestellt)

      Ein geringer Teil des konsumierten Alkohols wird als Konjugat im Urin ausgeschieden. Dabei wird Alkohol mittels des an Mitochondrien gebundenen Enzyms Uridindiphosphat-Glukuronyl-Transferase (UGT) mit aktivierter Glukuronsäure (Uridin-5´-diphospho-ß-Glukuronsäure) zu Ethylglucuronid (EtG) konjugiert. Ethylglucuronid ist somit ein direkter Alkoholmetabolit, der zum Nachweis eines aktuellen Alkoholkonsums, z. B. auch als Rückfallmarker verwendet werden kann (Wetterling et al. 2014) (image Kap. 8.3.2).

      Der Abbau von Alkohol (Ethylalkohol) verläuft nach Konsum höherer Mengen zeitlich linear, d. h. pro Zeiteinheit wird annähernd die gleiche Menge abgebaut. Der Abbau erfolgt über einige Schritte (s. o.), die enzymatisch gefördert werden. Da es von diesen Enzymen Isoenzyme gibt, ist die Abbaurate genetisch determiniert (Cederbaum 2012). Bei einem durchschnittlichen europäischen Erwachsenen beträgt die Abbaurate pro Stunde etwa 10 ml Alkohol, d. h. in einer Stunde baut er z. B. etwa 20 ml 40 % Wodka oder 0,2 l Bier ab. Sie ist von einigen Faktoren abhängig. So ist die Abbaurate v. a. bei Jugendlichen und Hochbetagten geringer. Auf das Körpergewicht bezogen, ist bei Frauen die Elimination etwas höher (Cederbaum 2012).

      3.3 Altersabhängige pharmakologische Alkoholeffekte

      Die pharmakologischen Effekte von Alkohol zeigen eine deutliche Altersabhängigkeit. So ist aufgrund der geänderten Wasser-/Fettverteilung im Körper das Verteilungsvolumen von Alkohol im Körper bei älteren Menschen verringert (Vogel-Sprott und Barrett 1984). Insbesondere die Pharmakodynamik des Alkohols ist im Alter deutlich verändert. Die maximale BAK wird verzögert erreicht (Oneta et al. 2001) und Alkohol wird im Alter auch langsamer abgebaut (Meier und Seitz 2008), sodass schon geringere Mengen als bei Jüngeren schädlich sein können. Bei gleicher BAK sind die kognitiven Funktionen sowie die Bewegungskoordination bei älteren Menschen stärker gestört als bei Jüngeren (Vogel-Sprott und Barrett 1984). Die Gründe hierfür sind noch nicht hinreichend geklärt. Es werden zerebrale Vorschädigungen als Ursache vermutet (Sullivan und Pfefferbaum 2019). Diese können Folgen eines längeren Alkoholkonsums, z. B. mehrerer alkoholbedingter Erkrankungen, sein (Wetterling 2019) (image Kap. 5.1).

      3.4 Organschädigende Stoffwechselprodukte

      Bei dem Stoffwechsel von Alkohol entsteht eine Reihe von Substanzen, die vor allem bei einem längeren Konsum größerer Mengen organschädigend wirken (Molina et al. 2014; Rocco et al. 2014). Diese werden in Kapitel 5.3 dargestellt.

      4

      Neurobiologie

      Alkohol hat vielfältige neurobiologische Effekte. Die genauen Wirkmechanismen von Alkohol auf das Gehirn sind noch nicht in allen Einzelheiten bekannt (Peana et al. 2017). Diskutiert werden einige Hypothesen, v. a.:

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