Natur Natur sein lassen. Hans Bibelriether

Natur Natur sein lassen - Hans Bibelriether


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umgelegt wird.“

      Wer sich bemühte, Reh- und Rotwild zahlenmäßig im Zaum zu halten, wie die bäuerliche Jägerschaft, aber auch wie Kämpfer für eine naturgemäße Waldwirtschaft, etwa der Leiter des Staatsforstamtes Zwiesel-Ost, Konrad Klotz, sah sich dem Vorwurf der „Jagdfeindlichkeit“ ausgesetzt. Götz von Bülows Jagdideologie fand dagegen an höherer Stelle der forstlichen Hierarchie Zustimmung. Der Wald um Lusen und Rachel war zu einer der ersten Adressen in Trophäenjägerkreisen geworden.

      Als es ernst wurde mit dem Nationalpark im Bayerischen Wald, setzte sich die Bayerische Staatsforstverwaltung immer heftiger zur Wehr. Sie behauptete zum Beispiel, die im Nationalpark zu erwartenden großen Mengen an Rot- und Rehwild würden den Wald auf längere Sicht vernichten. Sie befürchtete Schälschäden größten Ausmaßes und in der Folge Borkenkäferkalamitäten, die Vernichtung des Unterwuchses bis hin zur völligen Vernichtung des schönen Landschaftsbildes. Gegen diese Vorstellungen argumentierte Bernhard Grzimek in einem Schreiben an Ministerpräsident Dr. Alfons Goppel: „Offensichtlich werden hier Verhältnisse, wie sie in engen eingegatterten Wildgehegen mit zu hohem Wildbestand herrschen, mit einem Nationalpark verwechselt (…). Es kann selbstverständlich keineswegs die Absicht sein, das Rotwild zu überhegen und dadurch das Aufkommen des Waldes in Frage zu stellen. (…) Der Herr Forstpräsident betonte immer wieder, wenn die Besucher überhaupt Rotwild sehen können sollten, müssten gewaltige Mengen dieses Wildes vorhanden sein. Diese Aussage widerspricht jedoch völlig den Erfahrungen, die wir allerorten in Nationalparken gemacht haben. Große Scheu der derzeitigen Wildbestände ist die Folge der jahrhundertelangen Bejagung (…) Es kann keineswegs Ziel eines Nationalparks sein, einseitig die Wildbestände in biologisch ungesunder Weise zu vermehren auf Kosten der Vegetation, also primär auch des Waldes. Es soll sich ja ein naturgemäßes Gleichgewicht einstellen, das einen Ausschnitt der deutschen Landschaft (…) zeigt, (…) in der die Eingriffe des wirtschaftenden Menschen auf das unbedingt Notwendige verringert werden.“

      Nationalparkbefürworter und Nationalparkgegner formieren sich

      Schon vor seiner Gründung war der „Nationalpark“ also heftigem Gegenwind ausgesetzt. Zu den Gegnern zählte neben der Bayerischen Staatsforstverwaltung der „Bayerische Forstverein“, der „Bayerische Jagdschutzverband“ und der „Verein Naturschutzparke e.V.“. Letzterer befürchtete im Nationalpark eine Konkurrenz für seine Naturparke.

      Die Befürworter gründeten am 6. Juli 1967 auf Anregung der Regierung von Niederbayern einen „Zweckverband zur Errichtung des Nationalpark Bayerischer Wald“. Mitglieder waren die Landkreise Grafenau, Wolfstein und Wegscheid, die Kreisstädte Grafenau und Freyung, sechs an den geplanten Nationalpark angrenzende Gemeinden, der „Bund Naturschutz in Bayern“ und die „Zoologische Gesellschaft Frankfurt“, deren Präsident Bernhard Grzimek war. Der Zweckverband erarbeitete in den folgenden Monaten ein Konzept für den Nationalpark und beantragte am 13. Dezember 1967 die Ausweisung eines mindestens 9.000 Hektar großen Gebietes um Rachel und Lusen als Nationalpark. Schon im November 1967 hatte der niederbayerische Bezirkstag die Ausweisung eines großräumigen Landschaftsschutzgebietes im Inneren Bayerischen Wald beschlossen. Ein Nationalpark könnte das Glanzstück dieses 75.000 Hektar großen Areals werden, argumentierten die Befürworter.

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      Werbefaltblatt des Zweckverbandes zur Errichtung des Nationalparks Bayerischer Wald aus dem Jahr 1966.

      Im Mai 1968 empfing der Bayerische Landwirtschaftsminister Dr. Alois Hundhammer eine zwölfköpfige CSU-Delegation aus den Kreisverbänden Grafenau und Wolfstein, die sich für einen Nationalpark stark machten. Sie erreichten eine Weiterführung der Gespräche zwischen der Staatsregierung auf der einen und dem Zweckverband auf der anderen Seite. Zugrunde liegen sollte das seit Februar 1968 vorliegende „Gutachten zum Plan eines Nationalparks“ von Professor Dr. Wolfgang Haber, das sogenannte „Haber-Gutachten“.

      Wo genau soll er liegen? Wie groß soll er sein? Wie soll er heißen? Nationalpark, Naturpark, Schutzgebiet? Im Rückblick hat man den Eindruck, der Nationalpark wäre bereits vor seiner Gründung beinahe totdiskutiert worden. Doch die Beharrlichkeit der Visionäre war größer. Und im entscheidenden Moment gab es politischen Rückenwind.

      Der Wendepunkt: Dr. Hans Eisenmann wird Landwirtschaftsminister

      Mit der Ernennung von Dr. Hans Eisenmann zum Bayerischen Landwirtschaftsminister im Frühjahr 1969 nahmen die Auseinandersetzungen um den Nationalpark eine positive Wendung. Ein weiterer Visionär trat auf den Plan. Vom ersten Tag an und in den nun folgenden Jahren seiner Amtszeit stellte sich Minister Eisenmann immer wieder hinter die Nationalparkidee – und zwar nicht eines Nationalparks „light“, sondern eines Nationalparks, der diesen Namen auch verdient und der auch internationalen Maßstäben entsprechen sollte. Eisenmann brachte die Auseinandersetzung um den Nationalpark rasch zu einem guten Ende. Er wurde in den darauffolgenden Jahren auch zum Wegbereiter einer zeitgemäßen Forstpolitik. Die während seiner Amtszeit entwickelte Waldfunktionsplanung und das erste „Wald“-Gesetz in Bayern waren Meilensteine der deutschen Forstgesetzgebung.

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      Landwirtschaftsminister Hans Eisenmann hat in den Anfangsjahren den Nationalpark Bayerischer Wald entscheidend vorangebracht.

      Nationalpark im Bayerischen Wald wird beschlossen

      Am 11. Juni 1969 war es soweit. Der Bayerische Landtag beschloss einstimmig (!) die Errichtung des Nationalparks Bayerischer Wald. Entscheidend dazu beigetragen hat Landwirtschaftsminister Eisenmann. Auf einer Pressefahrt im Mai 1969 in den Bayerischen Wald erklärte Minister Eisenmann, dass er dem Vorschlag, dort einen Nationalpark zu errichten, grundsätzlich positiv und ohne Voreingenommenheit gegenüber stünde. Der Träger des Nationalparks sollte der Freistaat Bayern sein. Es sollte eine Nationalparkverwaltung geschaffen und zusätzlich ein Gremium gebildet werden, dem Sachverständige, Vertreter der zuständigen Behörden und Körperschaften und Mitglieder des „Zweckverbandes zur Förderung des Projektes eines Nationalparks“ angehören.

      Im Landtagsbeschluss wurde die Staatsregierung ferner aufgefordert, den Nationalpark entsprechend den Vorschlägen des „Gutachtens zum Plan eines Nationalparks“ von Wolfgang Haber zu errichten. Darin war im Gebiet zwischen Rachel und Lusen die Anlage von mindestens fünf Großwild-Schaugehegen für Rothirsche, Wildschweine, Bären, Wisente und Elche vorgesehen. Als Standorte wurden Neuhütte, Guglöd, Altschönau, Weidhütte und Glashütte vorgeschlagen. Die Gehege sollten nicht zu groß sein, damit Touristen die Tiere beobachten könnten. Außerdem steht im Gutachten, dass als frei lebendes Großwild neben Rotwild und Rehwild auch Gämsen und Mufflons im Park angesiedelt werden sollten. Damit sie dort gut leben könnten, sollten neue Wildwiesen angelegt und in geeigneten Tallagen Weichholzbestände gefördert werden.

      In der Anlage zum Landtagsbeschluss wurde bestimmt, dass der Wald weiterhin naturgemäß gepflegt und die Holznutzung fortgesetzt werden sollte. Diese hätte sich aber den Erfordernissen des Parks unterzuordnen, etwa durch Erhöhung der Umtriebszeit. Die Erschließung des Gebietes durch Fahr- und Wanderwege sollte ebenfalls fortgesetzt und durch Reitwege ergänzt werden. Eine kleine Anzahl von Fahrwegen sollte für den Kraftfahrzeugverkehr freigegeben und an geeigneten Stellen weitere Parkplätze angelegt werden. Durch mindestens fünf Wald- und Wildlehrpfade sollten der Wald und die Tier- und Pflanzenwelt des Bayerischen Waldes dem Besucher näher gebracht werden. Dafür könnten auch die vorhandenen Naturschutzgebiete herangezogen werden.

      Die Rechtsverordnung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Errichtung des Nationalparks Bayerischer Wald trat am 1. August 1969 in Kraft. Es wurde festgelegt, dass das zu errichtende Nationalparkamt diesem Ministerium unmittelbar nachgeordnet werden und sein Sitz in Spiegelau sein sollte. In der Verordnung wurden dem Nationalparkamt folgende Aufgaben übertragen: Planung der Einrichtungen des Nationalparks Bayerischer Wald und ihre Koordinierung mit den Planungen und dem Betrieb der fünf örtlich


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