Natur Natur sein lassen. Hans Bibelriether

Natur Natur sein lassen - Hans Bibelriether


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von Urwäldern und naturnahen Wäldern sowie der Möglichkeiten, Wirtschaftswälder in naturnahe Wälder ursprünglicher Baumartenzusammensetzung zurückzuführen. Landschaftsökologische und wildbiologische Forschungen überregionaler Bedeutung wie die Erforschung der Anforderung der einheimischen Bevölkerung und der Erholungssuchenden an Landschaft und Wald, ganz allgemein der Wechselbeziehungen zwischen Landschaft, Tierwelt und Mensch.“

      Zum Aufgabenbereich Fremdenverkehr und Erholung: „Auf der einen Seite besteht aus regionaler Sicht die Notwendigkeit, durch eine Weiterentwicklung des Fremdenverkehrsgewerbes die Wirtschaftskraft dieses Gebietes generell zu steigern und die Einkommenssituation der einheimischen Bevölkerung zu verbessern…. Es muss darauf geachtet werden, dass für die verschiedensten Erholungstypen, sozialen Schichten von Erholungssuchenden und Interessensbereiche (Naherholung – Fernerholung – Wochenenderholung – Ferienerholung; ältere Leute – Familien mit Kindern – naturinteressierte Jugendliche; Fußwanderer – Autotouristen – Wintersportler) entsprechende Einrichtungen geschaffen werden. Landkreise, Gemeinden, Fremdenverkehrsvereine sowie das Nationalparkamt müssen eng zusammenarbeiten, um die Planungen und Maßnahmen nicht nur im Nationalparkgebiet, sondern noch mehr im Vorfeld aufeinander abzustimmen.“

      Ich betonte abschließend: „Dem Nationalpark sind zwei, zumindest partiell gegensätzliche Aufgaben gestellt… Es ist sicher, dass das Urteil über den Nationalpark Bayerischer Wald in 10 bis 15 Jahren einmal wesentlich danach gefällt wird, ob es gelungen ist, im Nationalpark und seinem Vorland eine gesunde, allen Anforderungen genügende Erholungslandschaft zu entwickeln, die hohe Besucherdichten ohne Schaden verträgt und die zusätzlich noch Heimstätte für ein wertvolles Stück heimatlicher, ursprünglicher Pflanzen- und Tierwelt ist.“

      Da schon damals in Deutschland die Erhaltung einer gesunden Umwelt mit reiner Luft, sauberem Wasser und unverseuchtem Boden eine wichtige Aufgabe war, stellte Generaldirektor Dr. Wolfgang Engelhardt, als Präsident des „Deutschen Naturschutzrings“ fest: „Der Umweltnotstand hängt auch mit der Unzulänglichkeit unseres Bildungswesens zusammen. Ein sehr großer Teil der Personen, die in Behörden Entscheidungen und Veränderungen der Umwelt planen, können aufgrund ihrer Schulbildung auch als Sechzigjährige noch griechische und lateinische Vokabeln beugen, haben aber keine Ahnung, was zum Beispiel unter der natürlichen Selbstreinigung eines Gewässers zu verstehen ist.“

      Aus dieser Situation erwuchs für den Nationalpark eine vierte Aufgabe: Das über 10.000 Hektar große Gebiet sollte genutzt werden, um umfassend über die Beziehungen zwischen den Einheimischen und Erholungssuchenden, die eine Landschaft nutzen, und über diese Landschaft mit ihren natürlichen Gegebenheiten zu informieren. Verständnis für diese Wechselwirkungen zu wecken, war und ist eine echte Bildungsaufgabe. Deshalb hielten wir schon damals die Einrichtung eines Informationszentrums für vordringlich und erreichten, dass schon im Juni 1970 vom Nationalparkbeirat ein diesbezüglicher Beschluss gefasst wurde.

      Als eine weitere wichtige Aufgabe für das Jahr 1970 wurde die Erstellung eines Landschaftsrahmenplanes für das Vorfeld des Nationalparks festgelegt. Eine Planungsgemeinschaft sollte ins Leben gerufen werden. Mit der Erstellung dieses Planes wurde Diplomgärtner Michael Haug beauftragt, der ab Januar 1970 daran arbeitete. (Mehr zum Thema Nationalpark und Nationalparkvorfeld in Kapitel 13)

      Die feierliche Eröffnung rückt näher

      Am 7. Oktober 1970 sollte der Nationalpark mit einem Festakt eröffnet werden. Dass bis dahin ein Wisent-, ein Luchs- und ein Rothirschgehege fertig würden, war kaum vorstellbar. Es wäre auch nicht gelungen, wenn nicht Hermann Puchinger von der Waldarbeitsschule Buchenbühl bei Nürnberg, den Georg Sperber kannte und dessen hervorragende Arbeit er schätzte, ans Nationalparkamt abgeordnet worden wäre. Ihm ist es zu verdanken, dass diese großflächigen Einrichtungen in der Gehegezone noch rechtzeitig fertig wurden. Parallel dazu hatte der „Bund Naturschutz“ 1970 mit außerordentlichem Erfolg eine Spendenaktion für Tiere für die Gehege im Nationalpark gestartet. 600 D-Mark wurden für einen Bären angesetzt, der dann den Namen des Spenders erhalten sollte, 1.000 D-Mark für eine Gämse und 6.000 D-Mark für einen Wisent. Geld für mehrere hundert Bären wurden gespendet! Aber wo sollten die im Nationalpark leben? Ein Problem, das zum Glück nicht wir, sondern der „Bund Naturschutz“ den Spendern klarmachen musste. Der damalige Bundeslandwirtschaftsminister Josef Ertl, dem wir bei einem Besuch die Schäl- und Verbissschäden zeigten, stiftete einen Luchs, „um das Schalenwild besser regulieren zu können.“

      Selbstverständlich mussten außerdem Spazier- und Wanderwege nicht nur in der Gehegezone, sondern möglichst bald auch in anderen ortsnahen Gebieten des Nationalparks geschaffen werden. Die heruntergekommene Forststraße zur Racheldiensthütte musste befahrbar gemacht werden, da diese zu einem Waldgasthof ausgebaut werden sollte. Das Klosterfilz bei Riedlhütte stellte uns vor ein besonderes Problem: Eines der größten und ursprünglichsten Hochmoorgebiete im Bayerischen Wald am Rande des Nationalparks wollte die Gemeinde St. Oswald in einen Stausee verwandeln. Investoren hatten sich schon Grundstücke gekauft. Der Lebensraum der letzten Birkhühner in der Region wäre damit zerstört worden, ebenso wie der für die letzten Fischotter in Süddeutschland. Auf Weinzierls Betreiben stiftete Bernhard Grzimek einige 10.000 D-Mark, sodass der „Bund Naturschutz“ noch im Frühjahr 1970 etwa 20 Hektar des 100 Hektar großen Gebietes ankaufen konnte. Dank der Unterstützung von Landrat Bayer verschwand der Stauseeplan daraufhin in der Schublade.

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      „Müllhappening“: Mehrere, mit im Nationalpark „entsorgten“ Autos vollbeladene LKWs wurden 1970 aus dem Wald gefahren.

       (Fotos: Hans Bibelriether)

      Die Zusammenarbeit mit den Forstämtern, insbesondere mit meinem Studienkollegen Franz Cronauer, dem Forstamtsleiter von St. Oswald, wurde immer schwieriger. Eine Woche vor der Eröffnung am 7. Oktober ließ er die Wanderwege in der Gehegezone, dem heutigen Tierfreigelände, durch Gräben unterbrechen, angeblich um Regenwasser abzuleiten. Außerdem ließ er Zäune bauen, damit die Besucher der Gehegezone nicht in den Wald nebenan gehen konnten.

      Immer mehr Reporter und Fernsehteams kamen in den Nationalpark, aber auch ausländische Gäste, Wissenschaftler, Tourismusexperten und auch Jäger. Dem Vizepräsidenten des Bayerischen Jagdverbandes Seubert gegenüber äußerte Ministerialdirektor Haagen, er hätte „zwei Verrückte im Nationalpark“. Der Zweckverband unter dem Vorsitz von Landrat Bayer dagegen unterstützte uns konstruktiv. In seiner Sitzung am 24. Juli 1970 beschloss der Zweckverband sechs Punkte als Forderung an das Ministerium:

      – die Zuständigkeit für die Tierwelt (Jagd und Fischerei) müsse an das Nationalparkamt übertragen werden;

      – die Waldbehandlung müsse den Naturschutzzielen untergeordnet werden;

      – das Nationalparkamt brauche mehr Geld, mindestens zwei Millionen D-Mark jährlich;

      – das Nationalparkgebiet solle vollständig unter Naturschutz gestellt werden;

      – das Nationalparkgebiet solle im Süden bis an die Staatswaldgrenze und im Nordwesten bis zum Kleinen Rachel erweitert werden;

      – für den Ankauf wertvoller Randgebiete müsse Geld bereitgestellt werden.

      Ähnliche Forderungen vom „Bund Naturschutz“ wurden auch einstimmig vom Zweckverband unterstützt.

      Das Fest beginnt

      Am 24. September 1970 wurde ein Ausstellungszelt auf dem Neuschönauer Sportplatz, an der Kreuzstraße im Nationalpark aufgebaut. Darin wurden die Themen des geplanten Informationszentrums präsentiert. Am 25. September wurden ein Wisentbulle und zwei Luchse von Heiligenstadt/Donau nach Neuschönau transportiert. Am Sonntag, den 27. September, waren um die Gehege bereits mehrere tausend Besucher unterwegs, Kutschen fuhren sogar über Treppenstufen, die Parkplätze waren überfüllt. Am 28. September wurde in München die Prägung einer Gedenkmünze in Auftrag gegeben. Das Festzelt


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