Freiheit auf Zeit. Kristina Müller

Freiheit auf Zeit - Kristina Müller


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(und das auch noch an den schönsten Orten der Welt), ist es manchmal gar nicht so leicht, sich wieder in ein von Konsum und Statussymbolen bestimmtes System einzugliedern. In eine Welt, in der man höchstens ein Viertel seiner Zeit frei, unabhängig und selbstbestimmt verbringen kann und sich die Leute vor lauter iPhone schwertun, einander in die Augen zu schauen. Was manchmal fehlt, ist die Erkenntnis oder der Wille, sich Zeit zu nehmen und den ganzen Alltagsstress einfach mal Alltagsstress sein zu lassen. Und an Tagen, an denen einem genau diese Tatsachen tierisch auf den Geist gehen, wünscht man sich auf ein kleines Segelboot irgendwo in die Weiten des Pazifiks, fernab von Smartphones, Facebook, Businesskasperei und Co.«

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      Aus dem Video- und Fotomaterial der Reise produziert Martin einen Film, der während gut 25 ausverkaufter Vorstellungen Fernweh in bayerischen Kinos auslöst. Ihr Umweltprojekt führen Corinna und Martin noch in einigen Schulen in der Heimat durch. Die Resonanz: riesig.

      Ach ja, und dann wäre da noch … der Motor: IVALU hat inzwischen wieder einen Dieselmotor. Der E-Antrieb flog nach der Rückkehr raus, da das Vertrauen der Schiffseigener in ihn dann doch nicht so grenzenlos war wie das ihres Sohnes.

      Der schmiedet bereits neue Pläne: »Ich habe tausend Ideen für weitere Reisen im Hinterkopf. Und jeder geht davon aus, dass ich irgendwann wieder weg sein werde.«

      Irgendwann ist manchmal schon ganz bald.

      Nachgehakt: Martins …

       … Tipps für Weltumsegler

      • Sich genug Zeit nehmen, drei Jahre sind das Minimum. Zwei Jahre, das klappt nicht.

      • Auf gute Ausrüstungsgegenstände wie Anker und Selbststeueranlage achten. Sie können das Leben an Bord, vor Anker und unterwegs, sehr komfortabel machen.

      • Improvisieren können: Mit Zwei-Komponenten-Kleber kann man auch mal einen abgebrochenen Zahn reparieren [lacht]. Hat bis zum Ende der Reise gehalten!

       … wichtigste Bücher an Bord

      • »Segelrouten der Welt« von Jimmy Cornell.

      • Mein Lieblingsbuch: »Schiffbruch mit Tiger« von Yann Martel.

       … spontane Antworten

      Nordsee oder Ostsee? Eigentlich keine von beiden, sondern die Passatregion, wo der Wind stetig weht. Aber die Ostsee ist einfach wunderschön, hat viel zu bieten, tolle Ankerplätze. Die Nordsee sicher auch, ist aber wahnsinnig rau und ungemütlich. Ich würde immer schauen, dass ich da schnell durchkomme. Ein Freund von mir hat mal gesagt, die Nordsee sei kein Segelrevier, sondern eine Zumutung.

      Atlantik oder Pazifik? Pazifik. Und da der Nordpazifik, der Leute und der Kulturen wegen. Die Menschen im Pazifik sind schon sehr besonders.

      Hafen oder Ankern? Ankern. Die coolen Orte auf der Welt haben keine Häfen, denn sonst würde ja alle Welt dahin segeln.

       … Revier-Geheimtipps

      Die Orte, an denen es kein WLAN gibt. In Mikronesien gibt es die noch zahlreich.

       … Vorgehen in schwerem Wetter

      Eine Kanne heißen Kaffee kochen.

       … Mittel gegen Seekrankheit

      Ich habe kaum Probleme mit Seekrankheit gehabt, meine Mitsegler schon. Jeder hat etwas anderes ausprobiert, der eine Pflaster, der nächste Kaugummi. Das Wundermittel gibt es einfach nicht. Aber eine vernünftige Ernährung mit viel Obst mit Vitamin C hilft. Man könnte auch sagen: Augen zu und durch, abwarten bis es vorbei ist – nach zwei, drei Tagen gibt sich das bei allen.

       … wichtigstes Ersatzteil

      Ein zweiter Satz Reffleinen, die sind bei uns ständig durchgescheuert. Vielleicht liegt’s auch daran, dass wir wegen des hohen Mastes sehr häufig im Reff gefahren sind [lacht].

       … seglerisches Vorbild

      Vorbild nicht unbedingt, aber Wilfried Erdmann hat mich einfach wahnsinnig inspiriert. Vor allem mit den Büchern über seine ersten Reisen.

       … hilfreiche Seiten im Internet

      Unterwegs nichts, da haben wir ja selbst geschrieben. Oft aber www.noonsite.com.

       … Versicherungen auf Weltumsegelung

      Auslandsreisekrankenversicherung für drei Jahre, Schiffshaftpflichtversicherung.

       … Lieblingsgericht bei Sturm

      Nudeln oder Reis mit Tomatenmark in der Pfanne.

       … Lieblingsgericht bei Flaute

      Eigentlich würde ich sagen: frisch zubereiteter Fisch. Aber bei Flaute fängt man so schlecht Fische.

       … bewährte Passatbesegelung

      Das Groß mit ausgebaumter Genua.

       … nützlichstes Kleidungsstück

      Viel hat man ja nicht an, daher: die Sonnenbrille!

       … Reiseblog der Weltumsegelung

       www.sy-ivalu.blogspot.de

      Zwölf Fragen an Martin Finkbeiner

       Warum wolltest du um die Welt segeln?

      Ich hatte Lust, einfach weg zu sein, und überhaupt keine Lust, jeden Tag auf 20 verschiedenen Kanälen ständig erreichbar zu sein. Ich hatte viele Bücher über Weltumsegler gelesen, die die Lust geweckt haben, es selber zu machen.

       Ohne was wärst du nie losgefahren?

      Ohne eine zuverlässig funktionierende Windfahnensteuerung.

       Ein Ausrüstungsgegenstand, auf den du nicht mehr verzichten möchtest?

      Epoxy-Zweikomponentenkleber [lacht].

       Das Werkzeug, das du am häufigsten in der Hand hattest?

      Mein Leatherman.

       Die Stärken und Schwächen deines Schiffes?

      Die IVALU war ziemlich perfekt für so eine Reise. Sie ist stabil und verglichen mit anderen Fahrtenyachten sehr schnell. Nur Kleinigkeiten würde ich ändern, wie eine größere Badeplattform oder eine feste Sprayhood installieren. Die größte Schwäche war der nicht vorhandene Motor.

       Was bedeutet gute Seemannschaft für dich?

      Grundsätzlich mag ich das Risiko, segle gern schnell und reize das aus, was das Boot zu bieten hat. Auf der Weltumseglung war das komplett anders. Da bin ich sehr vorsichtig und materialschonend gesegelt. Wichtig war, Boot und Crew sicher ans Ziel zu bringen, auch wenn man dadurch ein bisschen langsamer unterwegs war.

       Was war unterwegs Luxus?

      Ein kühles Bier, denn wir hatten ja keinen Kühlschrank an Bord, und gutes Brot.

       Was hat dir gefehlt und was gar nicht?

      Was ich vermisst habe, war eine richtig gute Brotzeit. Was ich gar nicht vermisst habe, war mein Handy. Genauso wenig


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