Fettnäpfchenführer Italien. Sandro Mattioli
Einheit von hundert Gramm entspricht. Außerdem sind die meisten Waren mit Kilogrammpreisen ausgezeichnet, kaum etwas wird nach Stück bezahlt, egal ob Brot, Obst oder Gemüse.
Zu guter Letzt haben Italiener ein ganz anderes Verständnis des Privaten als die Deutschen. Schon der Einkauf ist etwas Privates, man zeigt ihn nicht jedem. Deshalb lässt man sich stets Tüten geben, selbst wenn es nur darum geht, den Einkauf zum Auto zu tragen. Meist landen diese Tüten später im Müllcontainer – oft gefüllt mit Abfall, manchmal aber auch ohne jede weitere Verwertung. Eine gewaltige tägliche Ressourcenverschwendung, doch das Umweltbewusstsein ist in Italien nicht so ausgebildet wie etwa in Deutschland (siehe Kapitel 11).
Was können Sie besser machen?
Bestellen Sie in »etti«. Und wenn Sie ihre Einkäufe wie Italiener nach Hause oder zum Auto tragen und keine Plastiktüten dafür kaufen möchten, nehmen sie eine Einkaufstasche von zu Hause mit oder legen sich einen Einkaufskorb zu. Beides ist nicht allzu verbreitet, aber allemal besser, als die Milchpackungen in den Händen zu tragen.
3
WIE FRANZISKA IHRE MITBEWOHNERIN ZUM FRÜHSTÜCK EINLÄDT
MINIMALISMUS AM MORGEN, SONST BRINGT’S KUMMER UND SORGEN
Als Franziska fünf Tage später von der Universität nach Hause kam – sie hatte sich endlich immatrikuliert – hörte sie bereits von draußen, dass sie nicht mehr alleine war. Musik klang gedämpft durch die Tür, dazu bemühte sich eine Frauenstimme, englisch zu singen: »Dahda dada dada dah! Should I staya should ai go.« Franziska freute sich, künftig Gesellschaft zu haben.
Kurze Zeit, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, wurde die Musik leiser und eine Frau mit langen blonden Haaren und einer leichten Hakennase stürmte aus dem Zimmer gleich links.
»Du musst Francesca sein, richtig? Herr Battaferro hat dich angekündigt.«
»Si, das bin ich«, sagte Franziska und nickte.
»Herzlich willkommen«, sagte ihre Mitbewohnerin und umarmte sie. Franziska erwiderte die Umarmung überrascht.
»Und du, wer bist du?«
»Ich heiße Giulia. Sprichst du italienisch?«
»Ein bisschen schon, ja«, antwortete Franziska. »Sonst hätte ich dich ja nicht verstanden.« Franziska, die ohnehin schon gut gelaunt war, weil sie nun nicht mehr alleine war, musste lachen. Giulia lachte mit.
»Ich hoffe, dir gefällt dein Zimmer«, sagte Giulia.
Natürlich war Franziskas Zimmer nicht so gemütlich eingerichtet wie die ihrer Mitbewohnerinnen. Franziska hatte sich erlaubt, in jedes der Zimmer einen Blick zu werfen. Bei Giulia hingen bunte Tücher an der Wand, was dem Raum mit dem harten, gekalkten Weiß an der Decke und dem Steinboden etwas Wärme gab. In Franziskas Zimmer standen ein Bett, ein Schrank, ein Stuhl und ein Regal, alles aus weiß beschichteten Spanplatten, alles billig aus einem Möbel-Mitnahme-Markt. Franziska war zufrieden. Ein leeres Zimmer hätte gleich zu Beginn ein Loch in ihr Konto gefressen. Dann doch lieber Spanplattenmöbel.
»Komm, wir setzen uns ein wenig in die Küche«, schlug Giulia vor.
Die zwei Frauen quatschten lange und lachten viel, teils auch aus der Unsicherheit und den lustigen Situationen, die entstehen, wenn man der Sprache nicht ganz mächtig ist. Giulia war Franziska sehr sympathisch – trotz der Sprachbarriere und trotz aller Unterschiede: Franziska war eher strebsam und zielgerichtet, Giulia genoss das Leben und war unorganisiert, Franziska war wichtig, was andere von ihr dachten, Giulia war wichtig, was sie über andere dachte. Trotz der unterschiedlichen Mentalität, die sie mitbrachte, spürte Franziska bereits am ersten Abend, dass sie einen guten Draht zu Giulia haben würde. Giulia ging es offensichtlich genauso.
»Was hältst du davon, wenn wir morgen zusammen frühstücken, so gegen zehn«, fragte Franziska, nachdem die Literflasche Rotwein leer war.
»Gute Idee«, antwortete Giulia mit schwerer Zunge, »sehr gerne.«
Am nächsten Morgen stand Franziska extra früh auf, auch wenn ihr Kopf ihr sagte, dass das keine gute Idee war: Sie war das Trinken von Alkohol nicht gewöhnt und dementsprechend fühlte es sich an.
Franziska ging zum Bäcker und holte frische Rosettenbrötchen, beim Metzger kaufte sie etwas Schinken, dazu machte sie einen Abstecher in den Supermarkt, um Käse, Marmelade, Eier, Orangensaft, kurzum, all die Dinge, die man zu einem gelungenen Frühstück brauchte, zu kaufen. Dann deckte sie in der WG liebevoll den Tisch und breitete alles darauf aus. Die Sonne schien durch das Fenster in den lang gezogenen Raum, der überreich gedeckte Tisch sah wunderbar aus. Franziska hatte heute sogar eine deutsche Zeitung gekauft. So hätte sie etwas zu tun, während sie auf das Aufwachen von Giulia wartete. Doch ihre Mitbewohnerin stand bald darauf in einem kurzen rosa Schlafanzug im Türrahmen, die Haare noch wild verstrubbelt.
»Dio mio, wer soll denn das alles essen!«, rief sie aus.
»Na wir«, sagte Franziska, »wer denn sonst.«
»Ich glaube, da muss ich dich enttäuschen«, sagte Giulia und versuchte zu lächeln. Es gelang ihr nicht und sah gequält aus.
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Italiener sind ein reichhaltiges Frühstück nicht gewöhnt. Viele nehmen morgens nur einen Espresso zu sich und vielleicht etwas Obst. Das Durchschnittsfrühstück besteht aus einem Cappuccino und einem Cornetto, einem eher kleinen Croissant, das mit Nutella, Marmelade oder Honig gefüllt ist. Will man in der Bar ein Cornetto ohne alles, bestellt man ein »cornetto semplice«. In den vergangenen Jahren finden sich auch öfter Vollkornhörnchen in den Vitrinen der Bars.
Wenn zu Hause gefrühstückt wird, werden häufig biscotti, also Kekse, gegessen. Die gibt es in Kilopackungen in jedem Supermarkt. Viele Italiener gehen aber nüchtern aus dem Haus und frühstücken in der Bar. Und damit das so bleibt, halten die Barista den Preis dafür niedrig: Meist kosten ein Cappuccino und ein Cornetto nicht mehr als drei Euro. Italiener sehen den Espressopreis aber trotzdem als hoch an, selbst wenn ihr Caffè weniger als einen Euro kostet.
Erstaunlich ist, dass es in italienischen Supermärkten auch Cornetti aus der Fabrik gibt. Sie sind einzeln in Plastiktüten verpackt. Oder besser, erstaunlich ist, dass diese gekauft werden: Sie sind oft viel zu weich, schmecken nach Gummi und sind gewiss wenig gesund.
Was können Sie besser machen?
Grundsätzlich war Franziskas Gedanke, ihre Mitbewohnerin einzuladen, goldrichtig. Denn was in Italien gar nicht gut ankommt, ist etwa ein Abendessen oder ein Brunch unter Freunden zu organisieren und dann die Kosten umzulegen. Will man nicht die komplette Gruppe verköstigen, kann man die einzelnen Zutaten vorher aufteilen und mitbringen lassen, das geht völlig in Ordnung. Am besten aber laden Sie die Menschen, die Ihnen wirklich etwas bedeuten, zu einem guten Essen ein. Das zählt mehr.
4
WIE FRANZISKA SICH PLÖTZLICH EXTREM BEGEHRT FÜHLT
REDEN IST SILBER, SCHWEIGEN IST GOLD, WENN MAN ANGEMACHT WIRD
Franziska war wie erschlagen. Rom bot eine Riesenauswahl, was man tun kann: Die wunderbare Deckenbemalung von Sant’Ignazio anschauen, doch lieber die Kunstgalerie in der Villa Borghese, die kleine tolle Kirche Santa Maria della Vittoria mit der zu lüstern geratenen Heiligen Theresa des Bildhauers Bernini oder doch das Kolosseum von innen? Es war das große Problem, das Rom mit sich brachte: Man musste wählen. Tagtäglich. Nehme ich den Kaffee in dieser Bar oder doch lieber