Fettnäpfchenführer Italien. Sandro Mattioli

Fettnäpfchenführer Italien - Sandro Mattioli


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dem Tresen hatte mitgehört und die Kaffeemaschine schon angeworfen. Lautstark produzierte die Mühle frisch gemahlenes Pulver.

      »Hier, ihr Cappuccino«, sagte er schließlich, wobei er das Wort »Ka-pu-dschi-noh« besonders deutlich aussprach.

      Es waren außer Franziska keine Kunden in der Bar. Der Mann schaute auf die Uhr über dem Eingang, dann zu der Frau an der Kasse, zuckte mit den Schultern und meinte: »Na ja, so ist das jetzt halt wohl.« Dann drehte er sich weg und putzte mit einem Lappen etwas an seiner Maschine herum.

      Franziska war noch in Gedanken. Schnell trank sie ihre Tasse leer – der Cappuccino schmeckte sehr lecker – wünschte einen schönen Abend und ging hinaus.

       Was ist diesmal schiefgelaufen?

      Nennen wir es so: Die Italiener sind im Einhalten von Regeln sehr selektiv. Es gibt aber eine ganze Reihe von ungeschriebenen Gesetzen, und da der Kaffee zu den wichtigen Dingen im Alltag gehört, bleibt auch er nicht von dieser zivilen Regelungswut verschont.

      Viele Italiener trinken mehrmals am Tag Kaffee. Will man nicht unangenehm auffallen, ist es besser, einige Regeln zu berücksichtigen. Diese Regeln sind keinesfalls in Stein gemeißelt, manche Menschen, auch Italiener, scheren sich, wie viele Touristen auch, nicht um sie. Im Allgemeinen ist man aber auf der sicheren Seite, wenn man einen Cappuccino nur am Morgen und nur zum Frühstück zu sich nimmt, nach einem Essen immer nur einen Espresso trinkt und abends entweder einen Espresso oder maximal einen Latte macchiato (der in Italien männlich ist, nicht wie oft im Deutschen weiblich!).

      Grundsätzlich ist das Kaffeetrinken in Italien keine längere Kaffeepause, sondern ein kurzer Break im Alltag, mit Betonung auf kurz. Die Bedeutung des Kaffees ist dennoch hoch. In der italienischen Kultur wird sie selbst in der Sprache deutlich: Es gibt viele Kaffee-Sprichworte wie etwa: »Er (oder sie) hat mir nicht einmal einen Kaffee angeboten«. Das heißt so viel wie »die Person hat mir keine Aufmerksamkeit gewidmet«.

      Übrigens ist es völlig richtig, dass Franziska dem Barista einen schönen Abend wünscht. »Buonasera« sagt man in Italien, eine weitere ungeschriebene Regel, ab 15 Uhr, manche sagen gar ab dem Mittagessen. Und ein letzter Hinweis: Will man anderen »noch einen schönen Abend« wünschen, mit Betonung auf dem Verlauf des Abends, sagt man »Buona serata!«

       Was können Sie besser machen?

      Wenn Sie als Experte erscheinen wollen, können Sie sich aus dem folgenden Kaffee-Bestell-Baukasten einige Elemente herausgreifen:

       FÜR DEN ESPRESSO:

       ristretto – mit wenig Wasser

       lungo – mit viel Wasser

       macchiato caldo – mit etwas warmer Milch und Milchschaum

       macchiato freddo – mit einem Schuss Milch

       schiumato – mit einem Löffel Milchschaum

       corretto – mit einem Schuss Alkohol (meist Grappa, aber auch hier gibt es Wahlmöglichkeiten)

       nel vetro – im Glas statt in der Tasse

       con Zucchero di Canna – mit braunem Zucker (wobei man nach diesem, wenn er nicht ohnehin ausliegt, meist erst fragt, wenn man den Espresso vor sich stehen hat. Anders ist es in der Gegend von Neapel, wo der Caffè meist »già zuccherato« ist, also schon gezuckert. Wollen Sie hier einen Espresso ohne Zucker, sind Sie auf der sicheren Seite, wenn Sie einen caffè amaro bestellen.

       FÜR DEN CAPPUCCINO:

       chiaro – mit wenig Espresso und viel Milch

       scuro – das Gegenteil davon, nicht allzu gebräuchlich

      Und: nie mit Sahne, immer nur mit Milchschaum.

      Wenn Sie in Rom sind, können Sie auch einen Cappuccio (»Kapuddscho«) bestellen, eine gebräuchliche sprachliche Verirrung. Da Wörter mit der Endung -ino meist Verkleinerungsformen sind, wird bei vielen Worten umgangssprachlich auf eine Ausgangsform geschlossen, die es nicht gibt, eine sogenannte Retroformation. Auch vorkommend bei »Benza« etwa (anstelle von »Benzina«).

      In Neapel, wo der Espresso traditionell sehr kurz getrunken wird, kann man gegebenenfalls einen kleinen Spritzer Mineralwasser (mit Kohlensäure) hinzugeben. Hier wird oft auch Crema angeboten, mit Espressokaffee aufgeschäumter Zucker, den man mit einem kleinen Löffel in seine Tasse geben kann.

      Ganz wichtig ist aber: Bestellen Sie auf keinen Fall einen caffè americano, wie man den (deutschen) Bohnenkaffee in Italien nennt. Der gilt als »uno schifo«, als »eklig«. Und oft schmeckt er auch so, wenn etwa ein Espresso einfach mit heißem Wasser verlängert wird.

      6

       WIE FRANZISKA IN EINER BAR FAST ZUR VERBRECHERIN WIRD

      Franziska ging auf die kleine Tür der Bar zu. Sie war fast komplett mit Aufklebern zugeklebt und man sah kaum durch das Glas. Gerade als sie die Tür mit Schwung aufdrücken wollte – sie klemmte nämlich auch noch – hörte sie die Stimme der Frau an der Kasse laut und deutlich: »Signora, nehmen sie doch bitte ihren Kassenzettel mit!«

      »Wie bitte, was meinen Sie?« Franziska ließ die Hand sinken und schaute zu der Frau an der Kasse.

      »Nehmen Sie doch bitte ihren Kassenzettel mit!«

      »Ich brauche ihn nicht«, antwortete Franziska, »Aber danke für den Hinweis.« Die Frau bestand auf ihrem Vorschlag: »Es wäre aber besser, wenn sie ihn einpacken würden«, sagte sie.

      »Ach, nein, ich weiß schon, wo ich mein Geld gelassen habe«, sagte Franziska und gab der Tür nun einen kräftigen Schubs.

      Die Tür ging mit Schwung auf und Franziska nach draußen. Sie war gerührt von der Fürsorglichkeit der Frau, auch wenn sie unnütz war: Die Kassiererin konnte ja nicht wissen, dass sie ein exzellentes Zahlengedächtnis hatte.

       Was ist diesmal schiefgelaufen?

      Franziska hätte auf den Rat der Frau hören sollen, den sie ihr keineswegs aus Fürsorglichkeit gab, sondern mit einem handfesten finanziellen Interesse: Denn es gibt in Italien ein hochvernünftiges Gesetz, dass jedes noch so kleine Päckchen Kaugummi und eben auch jeder Kaffee mit einem Kassenzettel abgerechnet werden muss. Der italienischen Regierung war aufgefallen, dass viele Kleinbeträge an der Steuer vorbei verkauft werden. Als Maßnahme dagegen wurde eine Regelung geschaffen, die es der Finanzpolizei erlaubt, sich den Kassenzettel, den sogenannten Scontrino, nach Verlassen des Ladenlokals vorzeigen zu lassen. Kann der Kunde das nicht, wird eine Strafe fällig – für ihn wie für den Barista oder Ladenbesitzer. Wie effektiv diese Regelung ist, sei insofern dahingestellt, als Kontrollen vor den Lokalen nie zu sehen sind.

      Und auch mit dieser Regelung bleibt die Steuerhinterziehung ein großes Problem in Italien: Die Schweiz ist nah, Liechtenstein diente in der Vergangenheit ebenfalls dazu, Geld vor dem Fiskus in Sicherheit zu bringen. Und in den Steuererklärungen geben viele Italiener Minimalbeträge an. Die Finanzpolizei klopft daher schon einmal an die Tür von teuren Internaten und lässt sich eine Schülerliste aushändigen, um das angegebene Einkommen der Eltern zu widerlegen – wer ein hohes Schulgeld zahlen kann, muss viel verdienen. Die Kundenlisten von Luxus-Autohäusern waren ebenfalls schon von Interesse für die Fahnder.

      Allerdings macht es der italienische Staat seinen Bürgern nicht gerade leicht, ehrlich zu sein: Die Steuern sind hoch, wenig ist absetzbar und kaum ein Italiener ist der Meinung, dass der Staat sich gut um seine Bürger kümmere. Im Übrigen halten Italiener das auch gar nicht für nötig, denn das Bezugssystem


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