Fettnäpfchenführer Neuseeland. Rudi Hofer
oder die Ambulanz »St. John« weiterleitet.
Schwierig ist dabei für den operator nicht nur die schnelle Entscheidung, welcher Notdienst der richtige ist, sondern auch, ob überhaupt ein Notfall vorliegt: Die Statistik zeigt, dass es sich bei lediglich einem starken Drittel der auf 111 eingehenden Anrufe tatsächlich auch um Notfälle handelt.
Bei der Ausführung der Nothilfeeinsätze gibt es ein generelles Neuseelandproblem: In den Ballungszentren von Auckland und anderen großen Städten sind die Rettungseinheiten sehr oft überlastet, und in den rural areas (Landgebiete, ländlicher Raum) sind es die langen Anfahrtswege, die zu kritischen Verzögerungen führen können.
Riqi ließ das Auto anrollen, blieb aber nach wenigen Metern plötzlich wieder stehen, lehnte sich mit dem ganzen Oberkörper aus dem Fenster und rief Peter zu, der etwas in Gedanken versunken immer noch auf der porch (Veranda, Vorbau, Vordach) stand: »Eines noch – du bist nicht allein im Haus ...«
Was man kritisieren könnte ...
Scheinbar simple Begriffe können in der Übersetzung unerwartete Bedeutungen haben. Man sollte solche Worte nicht vorschnell auf die Goldwaage legen.
Das Schlüsselwort friend hat vor Peter Oblands geistigem Auge sofort das Bild einer festen Freundschaft im Sinne einer Liebesbeziehung entstehen lassen. Wichtig ist dabei jedoch, dass der friend im Wortsinne zunächst nicht mehr als ein Bekannter oder eine Bekannte ist.
Erst als boyfriend oder girlfriend wird aus der allgemeinen Bekanntschaft der feste Freund, bzw. die feste Freundin. Ein kleiner Unterschied mit großer Wirkung also. Erst wenn sich Siobhan als girlfriend von Riqi geoutet und diesen damit zu ihrem boyfriend gemacht hätte, wären Peters Mutmaßungen richtig gewesen.
»I had a crush on Riqi« war Siobhans Bekenntnis, dass der Duke of Funk immerhin einmal ihr Schwarm gewesen war. »But we’ve never been in a relationship« soll heißen, dass aus der Verliebtheit nie eine (Liebes-)Beziehung wurde. Tatsächlich geht Siobhan mit jemand anderem, was sie mit »I’m dating someone else« zum Ausdruck brachte.
Hier darf ein Wort, das an sich viele verschiedene Bedeutungen haben kann, nicht vergessen werden, nämlich date. Im Zusammenhang mit zwischenmenschlichen Beziehungen wird als date immer ein Rendezvous oder eine Verabredung bezeichnet; dementsprechend versteht man unter dating die Partnersuche.
Richtig ernsthaft wird diese romantische Angelegenheit, wenn aus der festen Freundin oder dem festen Freund ein fiance respektive eine fiancee wird: Dann nämlich hat man Verlobungsringe getauscht und sich das Eheversprechen gegeben.
Wer später dann die hen party, beziehungsweise stag party feiert, hat sich quasi endgültig vom Junggesellendasein verabschiedet – die Hochzeit, wedding, erfolgt kurz danach.
5
UNTEREINEM DACH
HERZLICH HOLPRIGESWILLKOMMEN
»Du bist nicht allein im Haus ...«, mit Riqis letztem Satz im Kopf ging Peter Obland in das Haus zurück, nahm seine beiden Reisetaschen, die noch vor der Tür standen, mit hinein und ohne sich weiter umzusehen, geschweige denn, sich einzurichten, ließ er sich im großen, hellen Wohnraum auf den erstbesten Sessel fallen. Von hier hatte er einen ziemlich freien Blick über das deck nach Osten und konnte das Meer und die Vulkaninsel Rangitoto sehen.
Obwohl die Reise insgesamt stressfrei verlaufen war, überkam Peter nun doch die Müdigkeit und er sackte, im weichen armchair (Sessel, Lehnstuhl, Fauteuil) sitzend, regelrecht in sich zusammen. Er nickte ein.
Nach unbestimmter Zeit wurde Peter durch ein klopfendes Geräusch aus seinem unbeabsichtigten Mittagsschlaf geweckt, draußen war es bereits erstaunlich dunkel. Er richtete sich in seinem bequemen Sessel auf, brauchte aber eine gewisse Zeit, um wieder zu sich zu kommen und zu realisieren, wo er überhaupt war. Dabei fiel sein Blick auf ein kleines Etikett aus weißem Plastikgewebe, das wie ein Fähnchen von einer Naht des Sessels weg hing. Darauf stand: IKEA Ektorp. Das Bewusstsein, hier in Neuseeland auf diesem Schwedenmöbel zu sitzen, überraschte ihn und machte ihn gleichzeitig wach.
SCHWEDENRÄTSEL
Neuseeländer warten sehnsüchtig auf den Schwedenmöbler IKEA. Mehrere Anläufe soll es bereits vom blau-gelben Möbelhaus gegeben haben, sich mit einer Filiale im Inselstaat zu etablieren. Seit Januar 2019 gibt es für die Kiwis Hoffnung, in möglichst naher Zukunft Billy, Klippan und Ivar selbst zusammenschrauben zu dürfen – IKEA hat in einer großen Pressekonferenz verkündet, einen ersten Standort in Auckland zu eröffnen. Wo und wann ist noch nicht bekannt. Bis es so weit ist, will IKEA in Auckland erst mal einen Pop-up-Store eröffnen.
Ganz Ungeduldige können übers Internet bestellen, bei My Flat Pack, Idiya, Aikia oder Swedish Furniture – um nur ein paar der IKEA-Importeure zu nennen.
Oder man muss eben mit Möbelhäusern wie Freedom (im allerweitesten Sinne an IKEA erinnernd) und Danske Mobler (das bis auf den Namen nichts mit skandinavischen Möbeln zu tun hat) vorliebnehmen.
Andere, wie beispielsweise Big Save Furniture, geben bereits durch den Sparhinweis im Namen zu erkennen, dass Möbel in Neuseeland grundsätzlich relativ teuer sind.
Peter hörte wieder das Klopfen und sah auf; ein asiatisch wirkender, relativ junger Mann stand mit einem Plastikbehälter in der Hand auf dem deck und versuchte, sich bemerkbar zu machen. Das also meinte Riqi mit: »Du bist nicht allein im Haus ...«
Peter hatte einige Mühe aus dem Schlaf wieder in den hundertprozentigen Wachzustand zurückzufinden und wankte leicht, als er aus »Ektorp« aufstand und zur gläsernen Schiebetür ging, vor der der Asiate geduldig wartete. Peter entriegelte eine Türhälfte und schob sie einen Spalt weit auf.
Der junge Mann verneigte sich höflich, konnte aber nicht zur Begrüßung ansetzen, da er unmittelbar von Peter in seine Schranken gewiesen wurde: »Darf ich fragen, wie Sie auf das deck kommen, und vor allem, was Sie hier verloren haben? Das hier ist ein Privathaus und ich bin verantwortlich dafür. Falls Sie etwas verkaufen wollen, dann klingeln Sie bitte an der Eingangstür. Aber nicht bei mir – ich kaufe nichts!«
Der Mann auf dem deck verneigte sich derweil immer tiefer, und als Peter seine Standpauke schließlich beendet hatte, sagte der Gemaßregelte, übrigens in bestem und akzentfreiem Englisch: »Sorry, sorry, sorry. Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Es ist ein Missverständnis. Ich weiß, dass du dich um das Haus kümmerst, solange Malcom in London ist. Aber ich wohne auch hier – genauer gesagt hier drüben in der angebauten flat (Wohnung, Apartment). Ich habe nichts zu verkaufen, sondern wollte mich einfach nur vorstellen – wir sind quasi flat-mates (Mitbewohner (einer Wohngemeinschaft)). Mein Name ist Kwan. Kwan Yeoh.«
Peter war erstaunt: »Ich weiß nicht recht, ob ich das glauben kann. Mir ist nämlich nichts von einem Mitbewohner im Haus bekannt. Und der Plastikbehälter in deiner Hand sieht mir doch sehr nach einer Verkaufsabsicht aus.«
Kwan hatte mit einer solchen Reaktion gerechnet: »Du darfst es ruhig glauben – sieh mal, ich weiß sogar, dass du Peter heißt und aus Frankfurt kommst. Wie schon gesagt sind wir quasi flat-mates. Aroha und ich wohnen hier schon viele Monate – im Anbau. Wir sind also nicht direkt in ein und demselben Haus, aber doch unter einem Dach.«
Peter war noch nicht restlos von den lauteren Absichten des Quasi-Mitbewohners überzeugt: »Aroha? Wer oder was ist denn bitte Aroha? Ich weiß nicht so recht, was ich von all dem halten soll. Ich rufe wohl besser Riqi an und höre mal, was er dazu meint.«
»Das ist eine gute Idee. Aroha ist nämlich Riqis cuz, jedenfalls bezeichnete er sie so. Außerdem ist sie meine Studienkommilitonin