Kultur unterm Hakenkreuz. Michael Kater

Kultur unterm Hakenkreuz - Michael Kater


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fühlten sich den ständig im Fluss befindlichen Ereignissen zu nahe, um eine maßvoll-objektive Haltung einnehmen zu können, und wenn sie, um dem Zeitgeschehen auf der Spur zu bleiben, von Heiklem oder Negativem wie dem »Röhm-Putsch« oder Konzentrationslagern berichten wollten, wussten sie um die Zensur. So tauchten nationalsozialistische Symbole, Persönlichkeiten oder Geschehnisse in erzählerischen Handlungen auf, die vor 1933 spielten. Darüber konnten Schriftsteller aus sicherer Distanz und Perspektive berichten. In Romanen über die sogenannte Kampfzeit der NSDAP – 1919 bis 1933 –, in denen die Weimarer Republik den historischen Rahmen bildet, taucht häufig Hitler auf, gefolgt von Goebbels und Horst Wessel: Personal von hohem Wiedererkennungswert und Charisma.49

      Romane mit historischem Ausgangspunkt und post-industriellem Szenario begannen zumeist während des Ersten Weltkriegs, begaben sich dann in die Welt der zwischen 1919 und 1925 operierenden Freikorps und behandelten bestimmte Problemfelder der Weimarer Republik. Hans Zöberlein, Edwin Erich Dwinger und Werner Beumelburg spezialisierten sich auf solche Geschichten. Mehr oder weniger deutlich stellten sie die Weltkriegskämpfer über die Freikorps mit den Männern aus SA oder SS in eine Linie. Einige ihrer Romane waren schon in den zwanziger Jahren veröffentlicht worden und erlebten nach der Machtergreifung höchst erfolgreiche Neuauflagen. All dies qualifiziert sie als NS-Literatur. Dass diese Autoren wie andere ihrer Sorte selbst Soldat gewesen waren, verlieh ihren Arbeiten einen hohen Grad an Authentizität.50

      Zu den Hinweisen, dass die Autoren faschistisch waren, zählen zum Ersten die Kriegsverherrlichung im Interesse der als patriotisch (lies: chauvinistisch) verstandenen deutschen Sache, zum Zweiten die Konstruktion einer Situation von Befehl und Gehorsam, in der eine autoritäre Führungspersönlichkeit ganz oben steht, und zum Dritten die Schilderung eines Individuums, etwa eines Soldaten, in dieser Kommandokette, das nur als Teil einer größeren Gemeinschaft, zum Beispiel eines militärischen Zugs, Bedeutung erlangt. Das ist schon ein Vorgeschmack auf die »Volksgemeinschaft«. Für Ernst Jünger war der Krieg von erhabener, moralisierender Wirkung, denn hier »begegnete der deutsche Mensch einer stärkeren Macht: er begegnete sich selbst«.51 Edith Gräfin Salburg glorifizierte den Tod auf dem Feld als »Heldentod im höchsten Sinn«, für den Soldaten bedeute er »das Hinauswachsen über die eigene Persönlichkeit, das Sichselbstvergessen im Dienste des Ganzen«.52 Dwinger erinnerte sich an das Gefühl der Gemeinschaft mit den zum Tode verdammten studentischen Freiwilligen, die im November 1914 in der berühmten Schlacht von Langemarck fielen, und er sowie Beumelburg, Heinrich Zerkaulen und Heinz Steguweit schilderten Szenen erbärmlichen Gehorsams der Soldaten gegenüber ihren Vorgesetzten.53 In Literatur umgesetzt wurden neben den Ereignissen des Ersten Weltkriegs auch der als Schmach empfundene Versailler Friedensvertrag sowie die Legende vom »Dolchstoß« der Heimatfront in den Rücken der Armee.54

      Die sogenannten Freikorps, kleine paramilitärische Gruppen, geführt von schlachterprobten Kommandanten, die zumeist den mittleren Rängen entstammten, formierten sich schon Anfang 1919, kurz nach der Auflösung der kaiserlichen Armee. Anfänglich wurden die Freikorps von der jungen Weimarer Republik als Polizeikräfte eingesetzt, aber seit 1920 kämpften sie, unabhängig und illegal, vor allem im Osten, und zwar gegen Bolschewiki, Balten und Polen, die, so hieß es, im Verein mit den Westalliierten deutschen Boden okkupierten. Hypernationalistische Freikorps ergriffen früh Partei für Hitler und seine Bewegung; bisweilen hatten sie Hakenkreuze auf ihre Stahlhelme gemalt. In seiner Pathographie der Freikorps hat KlausTheweleit ein scharf umrissenes Bild gezeichnet, wobei er vor allem die Obsession der Männer mit Grausamkeit hervorhob; »Blut« stand für sie einerseits im Zusammenhang mit Verwundung und Tod, andererseits mit Lebenskraft und Rassegemeinschaft. Bei den Frauen unterschieden sie die »weißen Schwestern«, die Krankenschwestern, die als Mütter und Schwestern zu verteidigen waren, von den »roten Schwestern«, den kommunistischen Frontkämpferinnen – Huren, die (mit dem phallischen Gewehr) erschossen werden mussten.55

      Das Wesen dieser Freikorps erfasste Zöberlein in seinem Roman Der Befehl des Gewissens (1937). Dort geben die Truppen ihrer Enttäuschung darüber Ausdruck, von der republikanischen Regierung nach dem Waffenstillstand vom November 1918, dessen Bestimmungen ihre Illegalität vorsah, verraten worden zu sein. Nun warteten sie auf einen Führer, der diesen Zustand beenden würde. In Dwingers Roman Die letzten Reiter (1935) erklärt Hauptmann Wollmeier seinen Kameraden, warum er sich schon früh der NS-Bewegung angeschlossen hat. Und in Rebellen um Ehre (1939) erläuterte der Autor, Herbert Volck, das Ethos der Freikorps, als die Truppen in Litauen dem »asiatischen Bolschewismus« gegenüberstanden: »Soldaten kann jeder gute Offizier kommandieren, Herzen führen nicht jeder. Wer nur befiehlt, ohne dass seine eigene Todesbereitschaft herauszufühlen ist, für den werden die Freiwilligen bald Verweigerer.«56

      Einige Freikorps, wie das von Albert Leo Schlageter geführte, verübten Sabotageakte gegen die Franzosen im besetzten Rheinland.57 Diese Männer und ihre Taten wurden in der nun auftauchenden neonationalistischen Literatur heldenhaft verklärt.58 Weiter geschürt wurden antifranzösische Ressentiments von Romanen, die sich mit der (angeblichen) Vergewaltigung deutscher Frauen durch Angehörige französischer Kolonialtruppen im Rheinland beschäftigten. Die so Beschuldigten wurden als »Neger« beschimpft (tatsächlich handelte es sich um Araber aus dem Maghreb und Indonesier).59

      Die Verlierer des Ersten Weltkriegs und die Freikorps richteten ihre ganze Wut gegen die Weimarer Republik, die den Versailler Vertrag und die Besetzung des Rheinlands hingenommen hatte – und die Populärliteratur im Dritten Reich zeugte davon. Die Zustände in der Weimarer Republik wurden auf schrille Weise detailreich karikiert, zuvörderst die »Asphaltkultur«, angeblich ein besonders negatives Merkmal der Weimarer Zeit. Herbert Volck äußerte sich kritisch über »Kaffeehäuser, Bars, Bodegas, für den Abend Tanzdielen, Luxuskabaretts«, des Weiteren über »die neuen Negertänze, die plärrende Jazzmusik, die neue Mode«.60 Zöberlein richtete anklagend den Finger auf »Kellner im schwarzen Frack«, die »frechen Augen geschminkter Halbweltdamen« und die Versorgung der gut Betuchten mit »französischem Sekt«.61 Zu dieser Subkultur zählte man außerdem »entartete« Bücher (und Filme) von so gottverlassenen Liberalen wie Erich Maria Remarque, dessen Roman Im Westen nichts Neues offen pazifistisch war.62 Ernst Wiechert beklagte denn auch die »verschwommene Humanität« der Weimarer Zeit, und Ernst Jünger machte diese Ära verantwortlich für die »optische Täuschung« der Massen durch das allgemeine Wahlrecht.63 Durch »Feindblockade« und Inflation verursachte wirtschaftliche Erschütterungen, durch von den »Novemberverbrechern« heraufbeschworenes Unheil sei die vormals so wohlgeordnete Gesellschaft aus den Fugen geraten, und nun bewege sich ein Heer von Kriegskrüppeln auf den Straßen, während Akademiker, Kriegshelden, Ladenbesitzer und ungelernte Arbeiter ohne Job dastünden.64 Neben den Juden galten die Kommunisten und ihre paramilitärischen Einheiten, die verhassten Rotfrontkämpfer, als Hauptschuldige am Desaster; dennoch wurden viele Mitglieder der Rotfront als potenzielle oder tatsächliche Überläufer zum Nationalsozialismus beschrieben.65

      Die in diesen Romanen gegen Weimar gerichteten Ressentiments lösten antidemokratische Stimmungen aus und fanden ihren Höhepunkt im schließlich durch Hitler verkörperten Autoritarismus. In Ernst Wiecherts Roman Das einfache Leben (1939) zieht sich Thomas von Orla, ehemals Kapitän der kaiserlichen Marine, aus der Großstadt in einen einsamen Winkel Ostpreußens zurück. Als einzige Autorität akzeptiert er einen General im Ruhestand, der sich so knapp ausdrückt wie Friedrich der Große. Orla selbst wiederum ist die Autorität für Bildermann, einen ehemaligen Matrosen, der ihm, ohne zu fragen, in die Einsamkeit gefolgt ist, als wäre der Erste Weltkrieg noch nicht vorbei.66 Ernst Jünger geht in seinem Essay Die totale Mobilmachung (1934) davon aus, dass infolge einer den Individuen auferlegten »unbarmherzigen Disziplin« eine totale Mobilmachung der Massen möglich sei, die nicht durch die Demokratie, sondern die Erfordernisse autoritärer Herrschaft bestimmt wird.67 In seinem Roman Der Großtyrann und das Gericht (1935) zeichnet Werner Bergengruen das Bild eines allmächtigen Herrschers zur Zeit der Renaissance, der in seinem Garten einen Mönch tötet, um dann die Suche nach dem Mörder anzuordnen. Mit Psychoterror bringt er seine Untertanen dazu, schon bald in jedem Nachbarn den Mörder zu sehen. Nach und nach verklärt der Autor den Großtyrannen, einen Herrscher, der durch reinen Befehl regiert, als käme es ihm natürlicherweise zu, der Gesetze schafft


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