Die tödlichen Gedanken. Stefan Bouxsein

Die tödlichen Gedanken - Stefan Bouxsein


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und hoffte, die unbequeme Fragerei damit beenden zu können.

      »Könnte sein, dass du bald einen brauchst«, erhöhte Siebels noch einmal den Druck und beendete damit aber auch das Gespräch.

      »Irgendwas ist da im Busch«, überlegte Siebels, als sie wieder im Auto saßen. »Ich setze dich zuhause ab, dann mache ich noch einen Abstecher zu Dagmar Kremer. Morgen Früh um acht hole ich dich ab.«

      »Nix da«, widersprach Till. »Zu Dagmar Kremer komme ich mit, das will ich mir nicht entgehen lassen.«

      »Du hast aber morgen noch ein paar Termine mit den Sitzenbleiberinnen. Nicht, dass dir das zu viel wird.« Siebels lächelte in sich hinein.

      »Was willst du mir damit sagen, alter Mann?«

      Siebels war drauf und dran, die Gelegenheit zu nutzen, um Till von seinen Rückzugsplänen aus dem Berufsleben zu berichten. Aber er schluckte die Worte, die ihm auf der Zunge lagen, unausgesprochen herunter. Heute Abend wollte er zunächst mit Sabine darüber sprechen. Nur nicht zu früh die Pferde scheu machen, ermahnte er sich. »Och, nichts«, sagte er also nur. »Ich denke, wir sollten eine Hausdurchsuchung bei Lukas beantragen. Der hat was zu verbergen.«

      »Viel in der Hand haben wir nicht, um ihn als Tatverdächtigen beim Staatsanwalt zu präsentieren«, gab Till zu bedenken.

      »Das kann sich ja gleich ändern«, mutmaßte Siebels und fuhr schweigend weiter zur Adresse von Dagmar Kremer.

      Dagmar Kremer bewohnte eine Eigentumswohnung im Sophienhof, im Stadtteil Bockenheim. Der Sophienhof bestand aus 15 Mehrfamilienhäusern mit 149 Wohneinheiten und wurde 2006 als größtes Passivhaus im Geschosswohnungsbau fertiggestellt. An der Kreuzung Sophienstraße und Ginnheimer Landstraße gebaut, war der innenliegende Hof von der Straße aus nicht sichtbar. Erst, als Siebels und Till auf dem Balkon von Dagmar Kremer standen, offenbarte sich der Blick auf den mit spielenden Kindern übersäten großräumigen und mit viel Grün bepflanzten Innenhof.

      »Viele Kinder«, bemerkte Siebels.

      Dagmar Kremer nickte und servierte ihrem Besuch Orangensaft auf dem Balkon. »Ja, in einem der Häuser ist auch ein Kindergarten untergebracht. Das ist ein sehr familienfreundliches Objekt hier. Zentral in der Stadt gelegen, nur wenige Meter bis zur U-Bahn-Station. Besser kann man kaum wohnen.«

      »Sie leben aber allein, oder?«, erkundigte sich Siebels und studierte die Gesichtszüge der Kunstlehrerin. Sie sah aus wie eine Frau, die wusste, was sie wollte.

      »Ja, jetzt wo Lukas weg ist, lebe ich wieder allein. Er hat seine Sachen noch gar nicht abgeholt.«

      »Wo hat er denn geschlafen?«, fragte Till.

      Dagmar Kremer deutete durch die Balkontür zum Wohnzimmer. »Auf der Couch.« Sie zeigte dabei keinerlei nervöse Reaktionen.

      »Wir sind da auf ein paar Fotos gestoßen«, sagte Siebels nachdenklich und legte besagte Fotos auf den kleinen, runden Kunststofftisch, um den herum sie auf dem Balkon saßen.

      Dagmar Kremer betrachtete sich schweigend die Fotos und legte sie wieder zurück auf den Tisch. »Woher haben Sie die?«

      »Die hatte Ihre Kollegin Frau Jürgens auf ihrer Festplatte gespeichert.«

      »Das würde einer Kunstlehrerin eigentlich eher zustehen als der Deutschlehrerin«, bemerkte sie mit etwas spitzem Ton, der Siebels und Till aufhorchen ließ.

      »Haben Sie auch so Fotos von ihm gemacht?«, fragte Till geradeheraus.

      »Sie sollten diese Bilder nicht falsch interpretieren«, mahnte Dagmar Kremer ihn. »Verena und ich, wir wollten dem Jungen eine Chance geben. Mit seinen schulischen Leistungen ist es rapide bergab gegangen. Er hat es zuhause nicht mehr ausgehalten, weil seine Eltern sich bei jeder Gelegenheit gestritten haben. Dass er erst bei Verena und dann bei mir gewohnt hat, war vielleicht nicht die beste Lösung, aber es war eine Lösung. Jedenfalls vorübergehend. Dass Verena ihn bei sich zuhause nackt fotografiert hat, war sicher nicht sehr schlau. Wahrscheinlich hat sie es aus einer Laune herausgetan. Es sind ja ästhetisch gesehen sehr schöne Bilder. Und vor allem zeigen sie doch, dass Lukas wohl kaum ihr Mörder sein wird.«

      »Wenn die beiden so ein aufgeschlossenes und harmonisches Miteinander pflegten, ohne dabei ein sexuelles Verhältnis zu haben, wie kam es denn dann genau dazu, dass Lukas seinen Unterschlupf von Frau Jürgens zu Ihnen verlegte? Erzählen Sie das doch bitte noch mal ganz ausführlich«, bat Siebels. Und weil er auf der Fensterbank einen Aschenbecher stehen sah, fragte er auch gleich, ob er dabei eine rauchen dürfe. Dagmar Kremer stellte den Aschenbecher auf den Tisch, ging in die Wohnung, um sich ebenfalls mit einer Zigarette auszustatten und paffte dann zusammen mit Siebels, während sie erzählte.

      »Sie hat mich eines Tages im Lehrerzimmer angesprochen. Ich kam gerade herein und Hans-Joachim Gerster, unser Lehrer für Englisch und Französisch, kam heraus. Es war offensichtlich, dass die beiden miteinander gestritten hatten. Sonst war niemand anwesend. Gerster war mit hochrotem Kopf an mir vorbeigerauscht und Verena stand zitternd vor Wut im Raum. Mir war die Situation etwas unangenehm und ich habe Verena gefragt, ob sie lieber allein sein möchte. Aber sie hat mich gefragt, ob sie mir etwas anvertrauen könne. Dann hat sie mir zuerst erzählt, dass Gerster ihr schon seit über einem halben Jahr nachstellen würde. Das grenzte wohl schon an Stalking, was er da so mit Verena trieb. Und dann beichtete sie mir die Sache mit Lukas. Dass sie ihn bei sich aufgenommen hatte, weil sie befürchtete, dass er sonst die Schule schmiss. Sie hielt ihn für sehr begabt und wollte auf jeden Fall verhindern, dass er seine Zukunft aufs Spiel setzte, nur weil seine Eltern ihr Leben nicht auf die Reihe kriegten. Lukas ist sehr sensibel, daher baute er in der Schule auch innerhalb kurzer Zeit extrem stark ab. Ihm gefiel es anscheinend bei Verena, er hat sich dort regelrecht eingenistet. Aber das hat Gerster spitzgekriegt, weil er abends oft vor Verenas Haustür rumlungerte. Das war natürlich ein gefundenes Fressen für ihn. Er drohte Verena damit, sie bei der Schulleitung wegen sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen anzuzeigen. So, wie sich die Sache nach außen hin darstellte, hätte Verena große Probleme bekommen. Sie wollte Lukas aber auch nicht einfach vor die Tür setzen. Ich habe ihr daraufhin angeboten, dass er bei mir unterkommen könne, allerdings nur für ein paar Tage. Ich habe mich damit ja in die gleiche konfrontierende Lage gebracht. Allerdings hatte ich Gerster nicht auf den Fersen. Ich hielt das Risiko für überschaubar, zumal die Sommerferien vor der Tür standen. Verena sprach am gleichen Tag noch mit Lukas und schon am nächsten Tag packte er seine Siebensachen zusammen und bekam bei mir Asyl.«

      Till deutete auf die Fotos, die noch auf dem Tisch lagen. »Unter diesen Umständen war es ja noch viel leichtsinniger, ihn auch noch so intim zu fotografieren. Das ist doch nur blöd. Ist eine Oberstufenlehrerin wirklich so blöd?«

      »Klug war es bestimmt nicht. Aber nun geht es doch darum, ihren Mörder zu finden und nicht über ihre Dummheiten zu philosophieren, oder?«

      »Falls das eine nicht mit dem anderen zusammenhängt«, überlegte Siebels und erhob sich von seinem Stuhl. »Sollten sich neue Fragen ergeben, melden wir uns wieder. Auf Wiedersehen.«

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