Die tödlichen Gedanken. Stefan Bouxsein

Die tödlichen Gedanken - Stefan Bouxsein


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wäre kein Problem. Allerdings hätten wir dann wieder zu wenig Zeit für Dennis. Wir haben zwar noch nicht wirklich darüber gesprochen, aber irgendwie liegt es seit einiger Zeit in der Luft. Wir machen alle beide gern so Andeutungen, ohne konkret zu werden. Verstehst du?«

      »Nein, ich verstehe nur Bahnhof. Was für Andeutungen?«

      Siebels rang mit sich, ob er mit der Sprache rausrücken sollte. »Kannst du was für dich behalten? Mit Till habe ich nämlich noch gar nicht drüber gesprochen.«

      »Du machst es ja echt spannend. Ich kann schweigen wie ein Grab.«

      »Ich glaube, wir sollten tauschen«, sagte Siebels.

      »Was sollen wir tauschen?« Charly stand vollkommen auf dem Schlauch.

      »Wir doch nicht. Sabine und ich. Sabine macht meinen Job bei der Mordkommission und ich bleibe zuhause. Jedenfalls mal für eine Weile.«

      Charly schaute Siebels mit offenem Mund an. »Wow, das ist ja mal ›ne Ansage.«

      »Ich habe es eben zum ersten Mal laut ausgesprochen. Und es klingt gut, finde ich. Wenn Dennis dann zur Schule geht, fange ich vielleicht als Privatdetektiv an. Für den Anfang nur kleinere Aufträge, dann wäre ich nicht ganz aus der Welt.«

      »Deine Frau wäre dann den ganzen Tag mit Till zusammen. Hast du dir das gut überlegt?«

      Siebels grinste. »Da habe ich keine Bedenken. Till und Anna, das wird was. Und Sabine und Till wären beruflich ein tolles Team, da bin ich mir sicher.«

      »Siebels und Till in neuer Formation. Das ist ja ein Ding.«

      Siebels legte den Zeigefinger auf die Lippen. »Kein Wort zu niemandem.«

      Charly hob die Hand zum Schwur. »Von mir erfährt niemand was. Mein Ehrenwort. Aber sag mir Bescheid, wenn es ernst wird.«

      Siebels verließ Charlys Büro und grinste in sich hinein. Nun war es ausgesprochen. Er fühlte sich richtig gut. Bei nächster Gelegenheit wollte er es auch vor Sabine laut aussprechen. Er war schon auf ihre Reaktion gespannt.

      Norbert Stoll hatte nach dem Abgang vom Sigmund-Freud-Gymnasium eine Ausbildung zum Industriekaufmann begonnen. Nach einem Jahr hatte er die Lehre bei Opel in Rüsselsheim wieder abgebrochen. Er ist nach Ibiza gegangen und hat sich dort als Animateur und DJ verdingt. Auch das hatte er nach einem Jahr wieder sein lassen. Er kam zurück nach Deutschland und wurde Autohändler. In diesem Geschäft war er noch immer tätig. Auto-Stoll - Import-Export. Das Firmengelände war an der Mainzer Landstraße angesiedelt, zwischen etlichen anderen Autohändlern.

      Siebels fuhr auf das Firmengrundstück von Norbert Stoll. Etliche Wagen der Oberklasse standen in Reih und Glied und frisch gewaschen auf dem Platz. Die Büros befanden sich in zwei Containern auf der anderen Seite des Geländes. Siebels und Till betrachteten sich die zum Verkauf angebotenen Wagen, als sie langsam über den Platz fuhren.

      »Dahinten stehen die Nobelkarossen«, bemerkte Till und deutete in Richtung der Container. Dort standen mehrere Porsche, Jaguar, Maserati und auch ein Rolls-Royce.

      »Das Geschäft scheint zu laufen«, stellte Siebels fest und hielt vor den Containern an. Eine Frau in abgeschnittenen Jeans kam aus dem Büro und warf einen Blick auf den Dienstwagen von Siebels und Till.

      »Viel kriegen Sie für den aber nicht mehr«, sagte sie mit abschätzigem Blick.

      »Wir suchen Norbert Stoll. Ist er da drinnen?« Till zeigte auf die Container.

      »In dem rechten, ja. Falls er schläft, wecken Sie ihn ruhig auf.«

      Norbert Stoll schlief nicht. Er telefonierte. Anscheinend mit einem Geschäftspartner aus dem Ausland. Er sprach Englisch. Als Siebels und Till den Container betraten, gab er ihnen mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie sich auf die abgewetzte Couch setzen sollten. Siebels setzte sich. Till trat ans Fenster und beobachtete den Schäferhund, der an einer langen Leine neben dem Container festgebunden war.

      »Wie kann ich behilflich sein?«, fragte Norbert Stoll zuvorkommend, nachdem er sein Telefonat beendet hatte.

      »Kriminalpolizei«, stellte Siebels klar und zeigte den Ausweis.

      »Mein Geschäft ist sauber. Was verschafft mir also die Ehre?«

      »Ein alter Liebesbrief hat uns zu Ihnen geführt«, machte Siebels es spannend.

      »Davon habe ich nicht so sehr viele geschrieben«, lachte Norbert Stoll. »Vielleicht verwechseln Sie mich da mit jemand anderem?«

      Siebels reichte Stoll den Ausdruck der E-Mail. Stoll warf einen neugierigen Blick darauf. »Ach, meine E-Mail an die Fotze. Da kommen Sie aber spät. Hat sie mich jetzt etwa angezeigt?«

      »Sie ist jetzt tot«, schaltete Till sich ein und stellte sich vor den sitzenden Stoll.

      »Ermordet?«

      »Vermutlich von einem, der sitzen geblieben ist«, ließ Till ihn wissen.

      »Bei der Fotze sind bestimmt einige sitzen geblieben«, erwiderte Stoll ungerührt.

      »Nennen wir sie doch Frau Jürgens«, bat Siebels ihn höflich.

      »Von mir aus. Ich habe Frau Jürgens jedenfalls nichts angetan. Außer dieser kleinen E-Mail, die ich ihr vor drei Jahren geschickt habe. Die hatte sie sich aber auch redlich verdient.«

      »Was war denn der Auslöser für diese E-Mail?«, erkundigte sich Siebels. »Fanden Sie sich ungerecht behandelt von ihr?«

      »Das ist doch Schnee von gestern«, wehrte Stoll ab. »Eigentlich müsste ich ihr dankbar sein, dass ich mein Abitur nicht geschafft habe. Ich habe mir hier was aufgebaut. Mir geht’s gut. Ich habe wirklich keinen Grund, die Fotze, äh, Frau Jürgens, abzumurksen.«

      »Wo waren Sie denn in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag?«

      »Jedenfalls nicht bei ihr. Ich lag bei meiner Maus im Bett. Sie arbeitet auch hier, Sie können sie gerne fragen.« Stoll schaute nach draußen, ob er sie irgendwo sah. Sie war aber nicht zu sehen. »Sie sitzt bestimmt im Büro. Im Container nebenan.«

      »Das machen wir gleich«, sage Siebels. »Ich habe gehört, Sie haben den Stuhl von Ihrem Englischlehrer mit Klebstoff präpariert.«

      Stoll grinste. »Das war auch so ein Idiot. Seine Hose war hinüber, er musste sich aus der Hose rausschneiden, um wieder aufstehen zu können.«

      »Was war denn nun das Problem mit Frau Jürgens?«, hakte Till noch mal nach.

      »Das ist drei Jahre her. Da war ich noch ein anderer Mensch. Ich lebte bei meinen Eltern und das war Scheiße. Mein Vater war arbeitslos und meine Mutter hatte einen Liebhaber. Mir stand der Sinn nicht wirklich nach Schule. Mir stand der Sinn nach gar nichts. Aber ich war nicht dumm, bin ich immer noch nicht. Frau Jürgens hat eine Deutscharbeit von mir mit einem einzigen mickrigen Punkt bewertet. Das hat mir das Genick gebrochen, oder die Versetzung vermasselt. Ich bin immer noch überzeugt, dass meine Arbeit ganz gut war. Egal, vorbei und vergessen. Anscheinend hat ihre willkürliche Benotung ja einen anderen dazu veranlasst, sie aus dem Leben zu befördern.«

      »Kannten Sie Abdul Ökuz?«, erkundigte sich Siebels.

      »Abdul, den kannte ich, ja. Leider. Der hat mir ein paar Mal die Fresse poliert. War ein Schlägertyp. Der hat es auch nicht geschafft. Ich glaube, der hat die Schule zur gleichen Zeit geschmissen wie ich. Der hatte auch Deutsch als Leistungskurs, der Türke. Der hatte generell ein Problem mit Frauen und mit Frau Jürgens im Besonderen.«

      »Wie dürfen wir das verstehen?«

      »Sie wollte ihm wohl seine Machoallüren austreiben. Hat aber eher das Gegenteil damit erreicht. Abdul kam aus einer altmodischen türkischen Familie. Anatolien halt. Da hat die Frau die Klappe zu halten. Den sollten Sie sich mal vorknöpfen, den Abdul. So einer wie der, der rächt sich auch spät noch an seinen Widersachern. Das ist eine Frage der Ehre. Sie kennen das ja bestimmt.«

      »Ja, das kennen wir. Aber Abdul sitzt schon


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