Die tödlichen Gedanken. Stefan Bouxsein

Die tödlichen Gedanken - Stefan Bouxsein


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wirkte sanftmütig, aber selbstbewusst.

      »Verena ist jetzt in einer blöden Situation. Sie ist tot«, antwortete Lukas etwas trotzig.

      Till drehte seinen Kopf nach hinten und sah Lukas direkt an. »Sie war in dich verknallt, stimmt’s?«

      »Kann sein. Sie war nett.« Lukas lehnte sich lässig gegen die Rücklehne und versuchte cool zu sein.

      »Wie hat sie denn reagiert, als du zu Dagmar Kremer umgezogen bist? War sie eifersüchtig auf die Kunstlehrerin?«

      »Was spielt das für eine Rolle? Sie wollte mich aus ihrer Wohnung raushaben, weil Herr Gerster was mitbekommen hat. Das ist unser Englischlehrer. Er hat sie immer angebaggert, sie hat ihn immer abblitzen lassen. Dann hat er ihr Stress gemacht wegen mir.«

      Siebels betrachtete Lukas weiter im Rückspiegel. »Wie hat der Englischlehrer denn erfahren, dass du bei ihr wohnst?«

      »Keine Ahnung. Wahrscheinlich ist er abends um ihr Haus geschlichen und hat es irgendwann rausgekriegt. Ist ein echt schleimiger Typ.«

      »Wie hätte es jetzt mit dir weitergehen sollen, wenn das mit Frau Jürgens nicht passiert wäre?«

      »Weiß ich auch nicht. Ich versuche, über die Sommerferien einen Job zu finden. Wenn ich genug verdiene, kann ich nach den Ferien vielleicht in eine WG ziehen.«

      »Und so lange wolltest du bei Dagmar Kremer wohnen bleiben?«, fragte Till. »Oder wollte dich Verena Jürgens in den Ferien wieder zurückholen?«

      »Mann, Sie nerven«, stöhnte Lukas. »Fahren Sie mich jetzt nach Hause oder soll ich laufen?«

      »Schon gut«, wiegelte Siebels ab und startete den Motor. Bis in die Feuerbachstraße blieb es still im Wagen. Till brachte Lukas nach oben. Lukas‹ Mutter fiel ihrem Sohn um den Hals. Lukas löste sich wortlos von ihr und verschwand in seinem Zimmer.

      »Sein Vater ist tatsächlich ins Hotel gezogen«, teilte Frau Batton Till mit. »Muss ich mir jetzt Sorgen um ihn machen? Er hat doch nichts mit dem Tod dieser Lehrerin zu tun?«

      »Nein, er hat ein Alibi. Falls weitere Fragen auftauchen, melde ich mich wieder.«

      Zurück im Präsidium wurden Siebels und Till gleich wieder mit Lukas konfrontiert. Charly hatte den Rechner von Frau Jürgens durchforstet und war auf weitere Fotos von Lukas gestoßen. Charly hatte die Bilder per E-Mail an Siebels weitergeleitet.

      »Habe ich doch recht gehabt«, frohlockte Till, als er die Fotos auf dem Monitor von Siebels begutachtete. Auf allen Bildern war Lukas im Bett von Verena Jürgens zu sehen. Allerdings schlief er nicht mehr. Und die Bettdecke war auch nicht mehr zu sehen. Er lag oder saß nackt auf dem Bett und lächelte oder zog alberne Grimassen. Er genoss es sichtlich, von seiner Lehrerin im Adamskostüm fotografiert zu werden.

      »Bringt uns das weiter?«, fragte Siebels skeptisch.

      »Damit können wir Lukas und die Kunstlehrerin konfrontieren. Dann kommen bestimmt wieder ein paar neue interessante Details ans Licht. Dass Frau Kremer und Frau Jürgens so gut befreundet waren und sich gemeinsam um Lukas gekümmert haben, glaube ich nämlich nicht.«

      »Lukas und die Kunstlehrerin als Mörderpärchen? Da sehe ich noch kein hinreichendes Motiv«, befand Siebels. »Kümmern wir uns als Nächstes erst mal um die ehemaligen Sitzenbleiber.« Siebels zog die Liste der Oberstufenleiterin zu Rate. »Norbert Stoll, den hat auch der Englischlehrer in schlechter Erinnerung. Wenn wir uns zunächst auf die Männer beschränken, bleiben außer ihm noch Abdul Ökuz und Jens Gärtner. Schauen wir mal, ob wir zu den Herren etwas finden.« Siebels gab die Namen in die Datenbank ein und wurde auch gleich fündig. Abdul Ökuz saß seit einem halben Jahr hinter Schloss und Riegel. Und dort musste er wegen schwerer Körperverletzung auch noch die nächsten drei Jahre verbringen. Siebels ließ auch noch die Damen auf der Sitzenbleiber-Liste prüfen. Aber weder bei Jessica Gruber noch bei Tina Maurer oder Jana Kunz gab es Eintragungen.

      »Kümmere dich mal um die Adressen der Herrschaften und finde raus, was die beruflich so treiben. Ich schaue mal bei Charly vorbei.«

      Charly saß an seinem Schreibtisch und war noch mit der Durchsicht der Daten auf dem Rechner von Verena Jürgens beschäftigt. Er war so in seine Arbeit vertieft, dass er die Ankunft von Siebels gar nicht bemerkte.

      »Na, Charly, was macht die Kunst?«

      »Ach, der Herr Siebels persönlich. Grüß dich. Tja, die Kunst hat mich wieder eingeholt, seitdem Till mir den Rechner hier gebracht hat. Besser gesagt, meine alte Kunstlehrerin. Na ja, damals war sie ja jung. Sehr jung sogar.«

      »Hast du dich damals deiner Lehrerin etwa auch als Aktmodell zur Verfügung gestellt?«

      »Dann hätte ich jetzt jedenfalls mal was zu erzählen«, seufzte Charly. Siebels setzte sich auf die Schreibtischkante. »Würde dir doch keiner glauben. Und unser Lukas wird sich vielleicht auch bald wünschen, dass es diese Bilder nie gegeben hätte.«

      »Hat er was mit dem Tod der Lehrerin zu tun?«

      Siebels zuckte mit den Schultern. »Bis jetzt sieht es so aus, als ob er sauber wäre. Aber ich würde mich nicht wundern, wenn da noch einige Überraschungen ans Tageslicht kämen. Die Bilder, die du mir geschickt hast, lassen den Fall jedenfalls schon wieder in einem anderen Licht erscheinen. Hast du noch mehr auf dem Rechner gefunden?«

      »Jedenfalls keine Fotos mehr mit nackten Schülern. Da hatte er anscheinend einen Ausnahmestatus bei seiner Lehrerin.«

      »Oder bei zwei Lehrerinnen«, ergänzte Siebels und Charly zog die Augenbrauen hoch. Siebels erklärte ihm, dass Lukas von der einen zur anderen Lehrerin gezogen war. »Zu seiner Kunstlehrerin«, schloss Siebels genüsslich seine Ausführungen.

      »Was für ein Bengel. Da beglückt er also seine Lehrerinnen und bleibt trotzdem sitzen. In was für einer Welt leben wir eigentlich?«

      »Das frage ich mich bei jedem Fall aufs Neue. Hast du noch was Interessantes auf dem Rechner gefunden?«

      »Ich kämpfe mich gerade durch ihren E-Mail-Verkehr. Sie war aktiv beim Tierschutz, bei Greenpeace und bei Occupy. Aber das interessiert dich eher nicht. Eine interessante Mail vom August 2010 habe ich aber gefunden.« Charly suchte im Verzeichnis die E-Mail und öffnete sie. »Hier, lies selbst.«

      

       Jetzt bist du mich los. Aber du wirst dich noch wundern, du Fotze. Eines Tages werden wir uns wieder begegnen. Da bin ich mir ganz sicher. Und dann wird es dir leidtun. Kannst mir ja antworten, wenn du dich traust, Fotze.

       Bis bald,

       Norbert

      »Norbert Stoll, der steht schon auf meiner Liste. Hat sie ihm geantwortet?«

      »Nein, der war wohl nicht ihr Typ.«

      »Sende das doch bitte gleich an mich weiter. Dem statten wir heute noch einen Besuch ab.«

      »Schon unterwegs. Morgen Früh könnt ihr den Rechner wiederhaben. Dann habe ich alles durch. Das Handy auch.«

      »Okay. Sag mal, Charly, wie lange kennen wir uns jetzt eigentlich schon?«

      Charly sah Siebels verblüfft an. »Schon eine Ewigkeit. Zwanzig Jahre. Oder?«

      »So ungefähr, ja. Zwanzig Jahre Kriminaldienst. Das hinterlässt Spuren.«

      »Du stehst doch noch voll im Saft. Oder hat dich die Midlife-Crisis jetzt erwischt?«

      »Im Gegenteil. Ich frage mich in letzter Zeit nur immer öfter, ob es nicht noch was anderes im Leben gibt.«

      Charly verstand nicht, wovon Siebels jetzt sprach. »Du bist frisch verheiratet mit einer tollen Frau. Euer Sohn geht gerade mal in den Kindergarten und mit deiner Tochter hast du auch wieder Kontakt. Langt dir das nicht?«

      »Sabine hat jetzt fünf Jahre pausiert. Dennis geht in den Kindergarten. Sie möchte gerne wieder zurück in unseren Verein.«

      »Na,


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