Musikergesundheit in der Praxis. Claudia Spahn
geschaltet. Ein Sarkomer ist auf beiden Seiten durch die sog. Z-Scheiben begrenzt. Zwischen ihnen befinden sich Eiweißketten – die Myofilamente Aktin und Myosin. Bei Betrachtung der Myofibrillen unter dem Mikroskop erscheinen die Myofilamente unterschiedlich hell und dunkel, wodurch sich die typischen Querstreifen der Skelettmuskulatur ergeben, man nennt diese Muskulatur deswegen auch quergestreifte Muskulatur.
Abb. I.5: Aufbau eines Muskels
Abb. I.6a und b: a) Muskelfaser, Sarkomer, Aktin und Myosin, b) Ineinandergleiten von Aktin- und Myosinfilamenten
Bekommt der Muskel über die Nerven den Befehl zur Kontraktion, schieben sich die einzelnen Aktin- und Myosinfilamente in einem Sarkomer übereinander (Abb. I.6 b). Die Längenabnahme von Tausenden hintereinanderliegenden Sarkomeren ergibt eine Verkürzung des gesamten Muskels. Ein Muskel kann sich – bis die Aktin- und Myosinfilamente komplett ineinandergeschoben sind – etwa auf die Hälfte seiner Ruhelage verkürzen.
Die Steuerung der Bewegung durch Innervation des Muskels ist in Kap. I.1.6 beschrieben.
Muskelarbeit
Skelettmuskeln sind durch unterschiedliche Arten von Muskelfasern für verschiedene Bewegungsanforderungen ausgestattet. Typ-I-Fasern sind dünne Fasern, die sich langsam (»slow twitch« [ST], Kontraktionszeiten über 60 ms) verkürzen, eine niedrige Spannung aufweisen und nur langsam ermüden. Sie arbeiten hocheffizient, erlauben eine gute Kontrolle der Bewegung und verbessern die Feinmotorik. Zusätzlich ermöglichen sie durch ihre hohe Stoffwechselkapazität Ausdauerleistungen (»Marathontyp«). Typ-II-Fasern sind dicke Fasern, die schnell kontrahieren (»fast twitch« [FT], Kontraktionszeit 25–50 ms), mit hoher Kraft arbeiten und schnell ermüden. Sie sind weniger effizient und weniger gut in der feinen Koordination (»Sprintertyp«). Die Verteilung der Fasertypen pro Muskel spiegelt die Funktion des jeweiligen Muskels wider, je nachdem ob dieser eher Halte- und Ausdaueraufgaben zu leisten hat oder eher dazu dient, schnell zu reagieren. Die Verteilungsmuster prägen sich bereits in der frühkindlichen Entwicklung aus und sind weitgehend genetisch und geschlechtsunabhängig determiniert. Hauptsächlich im Sport sind gewisse Trainingseffekte als Transformation der schnellen Typ-II-Fasern in die langsamen Typ-I-Fasern durch Ausdauertraining zu beobachten. In Trainingspausen sind allerdings auch diese Effekte rasch rückläufig. Musiker, die Muskelkrafttraining in langsamem Tempo durchführen, trainieren damit vor allem die langsam kontrahierenden Muskelfasern. Wenn dagegen Schnelligkeit und Muskelkraft verbessert werden sollen, sollten die Bewegungen in ausreichender Schnelligkeit unter Anpassung und gegebenenfalls Reduzierung der Belastung durchgeführt werden.
Muskeln können sich grundsätzlich dynamisch oder statisch kontrahieren. Bei der dynamischen Kontraktion (sog. isotonische Kontraktion) verändert sich die Länge des Muskels, er wird länger (exzentrisch) oder kürzer (konzentrisch). Dies lässt sich wiederum am Beispiel des Bizepsmuskels veranschaulichen: Wie bereits oben beschrieben, nähert der Bizepsmuskel bei einer Beugung im Ellenbogengelenk seinen Ansatz dem Ursprung an (Abb. I.4), er verkürzt sich und führt damit eine konzentrische Kontraktion aus. Wird die Bewegung zurückgeführt und der Oberarm im Ellenbogengelenk gestreckt, verlängert sich der Bizepsmuskel wieder. Hierbei muss er gleichzeitig dafür sorgen, der Schwerkraft des Armgewichts entgegenzuwirken und die Bewegung abzubremsen. Dieser Vorgang wird als exzentrische Kontraktion bezeichnet.
Bei einer statischen Kontraktion (sog. isometrische Kontraktion) spannt sich der Muskel an, ohne seine Länge zu verändern. Ein Beispiel hierfür ist die Anspannung der Brustmuskulatur, wenn man beide Handflächen vor dem Körper gegeneinander drückt.
Muskelschlingen
Die geschilderten Vorgänge der Kontraktion finden bei einer Bewegung niemals in einem einzelnen Muskel allein statt. Vielmehr resultieren Bewegungen grundsätzlich aus einer funktionellen Verbindung mehrerer Muskeln. Diese Muskelgruppen werden auch als Muskelschlingen bezeichnet und umfassen den gesamten Körper (Abb. I.7). So übt ein Muskel nicht nur die Bewegungen aus, die sich aus Ursprung und Ansatz und den von ihm überzogenen Gelenken ableiten, sondern kann darüber hinaus in der jeweiligen Muskelgruppenverbindung weitere Funktionen übernehmen. Das Zusammenspiel verschiedener Muskelgruppen ist insbesondere für die Koordination von Bewegungen entscheidend. Eine gute Koordinationsfähigkeit ermöglicht eine zweckmäßige, ökonomische, präzise und schnelle Adaptation an wechselnde Situationen und Bedingungen, erhöht den Ausnutzungsgrad der Muskelenergie und garantiert die Ästhetik von Bewegungen. In diesem Sinne ist sie gerade für Musiker besonders wichtig.
Abb. I.7: Aktivierung von Muskelschlingen bei der Rumpfdrehung nach rechts
Die Zusammenarbeit verschiedener Muskeln erfolgt nach bestimmten Funktionsprinzipien. Eine Muskelgruppe übernimmt die Hauptaufgabe und führt die gewünschte Bewegung aus. Ihre Muskeln werden Agonisten (von griech. agón, »Wettkampf«) genannt. Die Muskeln, die sie darin unterstützen, sind die Synergisten. Als Gegenspieler der gewünschten Bewegung fungieren die Antagonisten. Sie wirken der eigentlichen Bewegung entgegen, bremsen sie ab und können sie hierdurch feinregulieren. Stabilisierende Muskelgruppen schließlich sorgen dafür, dass andere Körperteile – meist zentrale Körperteile wie der Rumpf – durch die Bewegung der Agonisten und Antagonisten nicht aus dem Gleichgewicht geraten. Sie arbeiten isometrisch, d. h., die Muskelarbeit vollzieht sich ohne Längenveränderung. Die Verteilung der genannten Muskelfunktionen bei der Haltung der Trompete zeigt Abb. I.8.
Faszien
Faszien (von lat. fascia, »Binde«, »Band«; »Streifen«) sind bindegewebige Strukturen, die den gesamten Körper als Netz durchziehen. Sie umhüllen komplette Muskeln und Organe, geben ihnen ihre Form und unterteilen sie in gesonderte Bereiche (sog. Kompartimente). Faszien dienen als Gleitschicht zwischen einzelnen Muskeln, zwischen Muskeln und Organen und zwischen Muskeln und Knochen. Sie bestehen aus kollagenen Fasern verschiedener Typen, die sowohl eine hohe Elastizität als auch eine hohe Spannkraft aufweisen, so dass die Faszien sich je nach Belastung nahezu unbegrenzt in ihrer Funktion anpassen können. Faszien stützen den Körper, geben ihm Stabilität und halten ihn gleichermaßen beweglich und elastisch. Weiterhin besitzen sie ähnlich wie Muskeln kontraktile Elemente; sie sind also keineswegs nur passives Gewebe. Freie Nervenendigungen für das Schmerzempfinden, Blutgefäße und Rezeptoren für den Stellungssinn sind zahlreich in den Faszien zu finden. Dies macht sie zu einem wichtigen Gewebe für den Bewegungsapparat. Da Faszien als Ketten im Körper auch über weite Strecken miteinander verbunden sind, spielen sie für die Bewegungslehre und ihre funktionellen Verbindungen eine entscheidende Rolle.
Abb. I.8: Zusammenwirken von Agonist, Antagonist und Stabilisator am Beispiel der Spielposition mit der Trompete
Sehnen und Sehnenscheiden
Muskeln sind mit Sehnen an den Knochen befestigt (Abb. I.4, S. 17). Die Sehnen übertragen die Kraft der kontrahierenden Muskelfasern auf die Knochen. Sie bestehen aus festem Bindegewebe und sind außerordentlich belastbar. Bei Überlastung oder nach längerer Ruhigstellung sind die Ansatzstellen der Sehnen sowie der Muskel-Sehnen-Übergänge jedoch empfindlich und verletzungsanfällig.
Sehnenscheiden umhüllen die Sehnen zum Schutz, insbesondere bei gespanntem Verlauf über Gelenke. Sie besitzen eine äußere Bindegewebsschicht und eine innere Gleitschicht (sog. Synovialschicht). Zwischen den Sehnenscheiden und den Sehnen befindet sich ein Flüssigkeitsfilm (Synovia), welcher das Gleiten der Sehnen nochmals verbessert. Sehnenscheiden sind sehr ausgedehnt im Bereich der Hand vorhanden, da hier die Sehnen der Streck- und Beugemuskeln des Unterarms in ihrem langen Verlauf geschützt werden müssen. Sehnenscheiden finden sich am Übergang vom Unterarm zum Handrücken