Traumberuf Tänzer. Wibke Hartewig
Europäische Tanzausbildungsstätten
Musicalausbildungsstätten im deutschsprachigen Raum
Workshops, Fort- und Weiterbildungen
Tanzzentren, Spielstätten, Kompanien
Fördermöglichkeiten: Projekt-/Basisförderung, Stipendien, Residenzen
Berufsverbände und Tanzorganisationen
Tanzarchive im deutschsprachigen Raum
Vorwort
Wie werde ich Tänzerin oder Tänzer? Wann sollte ich mit der Ausbildung beginnen? Welche Bewegungserfahrung muss ich für ein Tanzstudium mitbringen? Welche Schule ist die richtige für mich? Wie bestehe ich die Aufnahmeprüfung? Wie sieht der Berufsmarkt aus? In welchen Bereichen kann ich als Tänzer* arbeiten? Was kann ich verdienen? Wie schaffe ich den Berufseinstieg? Wie läuft eine Audition ab? Tanzhochschulen und -institutionen werden mit derartigen Fragen überhäuft, in Internetforen werden sie leidenschaftlich diskutiert. Nicht selten jedoch bleiben sie auch unausgesprochen oder kursieren nur im Kreise derer, die im Geheimen oder offen von einer Tanzkarriere auf den Bühnen der Welt träumen.
Diesen Fragen nachzugehen und die Suche nach individuell gültigen Antworten zu unterstützen, ist Ziel des vorliegenden Handbuchs. Es wendet sich an alle, die Informationen zum Beruf des Tänzers suchen: an Tanzbegeisterte, die mit dem Gedanken spielen, ihr Hobby zum Beruf zu machen, an Tanzschüler und fertig ausgebildete Tänzer, die sich in Bezug auf ihre weitere Ausbildung, den Berufseinstieg und Berufsalltag informieren und (neu) orientieren wollen, aber auch an Eltern und Förderer, die ihren Kindern oder jungen Talenten zur Seite stehen möchten.
Um das vielfältige Berufsfeld ›Bühnentanz‹ aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und hinter die Kulissen von Ausbildungsstätten, Veranstaltern und Entscheidungsträgern zu blicken, habe ich Tänzer und Tanzstudierende, Schulleiter und Tanzpädagogen, Choreographen und Theaterleiter interviewt und ihr persönliches Wissen mit Informationen aus eigenen Recherchen zusammengeführt. So ergibt sich ein vielschichtiges Bild, das wichtige Aspekte der Tanzausbildung und des Berufsalltags aufgreift und dazu anregen möchte, sich weiter mit diesen Themen auseinanderzusetzen und Angebote der Ausbilder und Arbeitgeber kritisch zu hinterfragen.
Das Buch konzentriert sich auf den Beruf des ›Bühnentänzers‹ bzw. der ›Bühnentänzerin‹ und klammert damit sowohl den Gesellschaftstanz als auch den Tanzsport aus, die jeweils eigenen Regeln und Zielen folgen. Im vorliegenden Band wird Tanz sowohl als Kunstform in den Blick genommen als auch als Profession, mit der ein Tänzer einen relevanten Teil seines Lebensunterhalts verdient – und zwar mit Tanzauftritten vor Publikum, nicht durch Tanzunterricht oder andere tanznahe Tätigkeiten. Der Begriff ›Bühne‹ ist dagegen in weiterem Sinne zu verstehen: als Auftrittsort in einem Theater ebenso wie in anderen öffentlichen und privaten Räumen oder an einem Film- und Fernseh-Set. Bühnentänzer können unterschiedlichste Tanzarten praktizieren: sei es Ballett oder zeitgenössischen Tanz, Jazz oder Hip-Hop, um nur einige wenige zu nennen.
Im Mittelpunkt der Ausführungen stehen die Tanzszene und -ausbildung in Deutschland (bzw. im deutschsprachigen Raum). Zwar sind Tänzer beruflich stark international ausgerichtet und überschreiten immer wieder Landesgrenzen, doch Ausbildungslandschaft und Berufsmarkt sind abhängig von der nationalen Kulturförderung, den nationalen Bildungs- und Sozialsystemen und daher von Land zu Land verschieden. Der Fokus auf Deutschland ermöglicht einen Blick auf die Details und die inneren Zusammenhänge dieser spezifischen Tanzszene. Viele Aspekte sind jedoch übertragbar, insbesondere auf andere europäische Länder; zudem besitzen viele Informationen und Hinweise etwa zur Wahl der Schule, zu tanzmedizinischen Themen, Auditions und Networking länderübergreifende Gültigkeit.
I. Tänzer werden – Tänzer sein
Tanzen – ein weites Feld
»Es gibt tausend Arten von Tanz, tausend Arten von Tänzern und tausend Arten von Produktionen«, stellt die Tänzerin Etoile Chaville mit Blick auf die professionelle Tanzlandschaft fest. Und formuliert damit, warum es ein geradezu aussichtsloses Unterfangen darstellt, den Beruf ›Tänzer/Tänzerin‹ mit seinen Aufgaben, Voraussetzungen und der dazugehörigen Ausbildung eindeutig zu definieren. Tanz hat heutzutage derart viele Facetten, dass detaillierte Beschreibungen höchstens für konkrete Tanztechniken oder Stile einzelner Choreographen gelingen.
Bis in die späten 1980er-Jahre hinein (und in manchen Broschüren der Agentur für Arbeit leider noch heute) wurde Bühnentanz an deutschen Theatern mit Ballett gleichgesetzt. Alle anderen Tanzformen waren ein »aus der Reihe Tanzen«, wie es ein Berufskundebuch aus dieser Zeit in seiner Kapitelüberschrift zu modernem Tanz, Tanztheater, Musical und dem experimentellen Tanz der entstehenden freien Szene formuliert. Das hat sich mittlerweile geändert: Unterschiedliche Tanztechniken und Arbeitsweisen haben Einzug in die Theater und die Tanzausbildung gehalten, die Gattungen sind vielfältiger und durchlässiger geworden.
Mit professionellem Tanzen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten ist im deutschsprachigen Raum zunächst einmal an den öffentlich subventionierten Stadt- und Staatstheatern möglich, die neben (neo)klassischem und zeitgenössischem Ballett – das dort nach wie vor fast überall als Trainingsbasis dient – zunehmend auch modernen und zeitgenössischen Tanz sowie Tanztheater zeigen. Daneben existiert die freie Szene mit ihren freien Kompanien, Einzelkünstlern und Projekten, die sich mit Hilfe von öffentlichen Fördertöpfen, privaten Sponsoren und Unternehmern, Koproduktionsnetzwerken, Auftritten und Gastspielen finanziert. Hier lassen sich alle denkbaren Tanzformen finden: vom hochvirtuosen modernen und zeitgenössischen Tanz über experimentelle Performance-Formate hin zu den vielfältigen Ethno-Tanz- und Street-Dance-Arten. Bezahlte Jobs für Tänzer mit Hintergrund im Jazz, Hip-Hop, Show-, Musical-, Stepp- oder Gesellschaftstanz bietet besonders der privatwirtschaftliche Sektor: sei es auf privaten Bühnen, bei Galaveranstaltungen und Shows, in der Musik- und Eventbranche, auf Kreuzfahrtschiffen, in Diskotheken, in der Werbung oder im Fernsehen.
Die Tanzlandschaft