Fürstenkrone 11 – Adelsroman. Viola Larsen

Fürstenkrone 11 – Adelsroman - Viola Larsen


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flüsterte er heiß. Seine Lippen fuhren liebkosend über ihr Gesicht. »Ich habe schreckliche Angst, dass du mir wieder weglaufen könntest«, murmelte er, »dass ich vielleicht nur geträumt habe und es eines Tages ein bitteres Erwachen für mich gibt.«

      Sie sah ihn an. Aus ihren Augen leuchtete ihm so viel Liebe entgegen, dass er stumm wurde vor Seligkeit.

      »Ich laufe dir niemals weg, niemals!«, versicherte sie ernst.

      »Du machst mich unendlich glücklich«, flüsterte er.

      Sie nahm auf der Bank Platz, und er hielt ihre Hand fest in der seinen.

      »Du sollst alles von mir wissen«, erklärte er. Und er erzählte von seiner glücklichen Jugend unter der Obhut einer verständnisvollen, liebevollen Mutter. Er berichtete von den Festen, die auf Tihany und in Erlau stattgefunden und die er als Kind mit staunenden Augen miterlebt hatte. Sorgen waren ihm fremd gewesen. Die Mutter hatte ihn so abgöttisch geliebt, dass sie alles von ihm fernhielt.

      »Vielleicht war das falsch«, meinte er, »aber sie hat mir eine unbeschwerte Kindheit geschenkt.«

      Dann berichtete er von dem schrecklichen Tag, an dem die Mutter nach kurzer schwerer Krankheit starb. Sechzehn war er damals gewesen, und er hatte es nicht fassen können, dass sein Vater sich so schnell darüber hinwegtröstete und bald danach eine neue Frau Einzug im Schloss hielt, die viel jünger war als sein Vater und die nichts anderes im Sinn hatte, als Vater und Sohn zu entzweien.

      »Ich studierte damals, und die Briefe meines Vaters wurden immer seltener und immer kühler. Und meine Stiefmutter tat alles, um zu verhindern, dass ich nach Hause kam. Darum ging ich nach meinem Studium nach Kanada, erfüllt von Heimweh und der Sehnsucht nach früherem Glück.«

      Elga hatte tief erschüttert zugehört. Ihr Kopf lehnte an Sandors Schulter. Ohne dass es ihr bewusst wurde, rannen Tränen über ihr Gesicht. Er sah es und hob ihren Kopf.

      »Elga«, murmelte er tief bewegt, »fühlst du so sehr mit mir?«

      Sie nickte stumm. »Wie musst du in dem fremden Land gelitten haben.«

      Er küsste sie innig. »Ja, ich war einsam. Ich fand dort keinen rechten Kontakt. Die Menschen sind wortkarg, aber ich wäre trotzdem nicht zurückgekommen, denn mich rief keiner. Niemand hatte Sehnsucht nach mir. Mein Vater lebte nur für seine aparte zweite Frau. Du müsstest sie sehen, Elga, sie sieht gut aus, aber sie ist kalt und berechnend. Immer wieder bin ich beinahe bereit, ihr zu verzeihen, aber dann spüre ich wieder, dass sie nur auf ihre eigenen Vorteile bedacht ist.«

      Er schwieg eine Weile, und Elga war bemüht, ihre innere Erregung zu meis­tern. Auch ihr war die Gräfin nicht besonders sympathisch. Aber warum versuchte sie, ihren Stiefsohn mit einer reichen Frau zu verheiraten? Fühlte sie sich mitschuldig daran, dass Tihany so vernachlässigt worden war, dass Sandor zu kämpfen hatte, um zu bestehen?

      Graf Sandor erwachte plötzlich aus seinem Grübeln. Er packte Elga an der Hand.

      »Komm«, murmelte er rau, »ich zeige dir das Schlossinnere. Ich führe dich durch alle Räume, damit du siehst, was mir von unserem früheren Reichtum geblieben ist. Und morgen werde ich mit dir über die Felder fahren, die nicht bestellt werden können, weil es mir an Landarbeitern fehlt und weil ich das Geld für die Saat und für Düngemittel nicht aufbringe. Die Hälfte des wertvollen Viehbestandes wurde verkauft, das Personal im Schloss entlassen, weil die junge Frau Gräfin nicht in der Einsamkeit leben wollte. Darum wurde Erlau verkauft, damit sie sich ein Stadtpalais leisten konnte, um dort ihre Feste zu feiern.«

      Er zog die bebende Elga mit sich. Sie brachte kein Wort heraus, sie fürchtete sich sogar vor ihm wegen des heiligen Zorns, der ihn erfasst hatte.

      Ihr Gewissen meldete sich. Sie schämte sich, dass sie ihm eine solch billige Komödie vorspielte, dass sie in Erlau wohnte, während er es hergeben musste seiner eitlen Stiefmutter wegen. Aber sie wusste gleichzeitig, dass sie ihm nur helfen konnte, wenn sie ihm noch eine Zeit lang über ihre Person im Unklaren ließ.

      Sie hatten das Schloss wieder erreicht. Er hielt immer noch ihre Hand und führte sie durch die Räume, die nicht benutzt wurden, weil er kein Personal für ihre Pflege hatte.

      Staunend schritt Elga neben ihm her. Gewiss, die imposante Pracht der Räume war geblieben, aber Sandor machte sie überall darauf aufmerksam, dass Gemälde, Teppiche, Möbel und sonstige wertvolle Gegenstände fehlten.

      Sie war empört über die Geschmacklosigkeit und Dreistigkeit der Gräfin, sich Dinge anzueignen, die ihr nicht gehörten.

      »Du musst alles zurückfordern, Sandor«, beschwor sie ihn, »jedenfalls all die Dinge, die aus der Familie deiner Mutter stammen.«

      »Das habe ich schon getan, und sie hat es mir sogar zugesagt. Aber ich warte seit Wochen darauf.«

      »Du musst dir einen Anwalt nehmen, Sandor!«, drängte Elga ihn. Er lachte bitter auf.

      »Wovon sollte ich den bezahlen? Außerdem ist es mir unangenehm, einen Prozess gegen meine Stiefmutter anzustrengen. Ich hoffe immer noch, dass sie mir mein Eigentum zurückgibt.«

      Elga war nicht so ganz davon überzeugt, aber sie schwieg vorerst. Sie glaubte, langsam dahinterzukommen, wieso die Gräfin ihren Stiefsohn mit einer reichen Frau verheiraten wollte. Dann brauchte sie selbst nichts zurückzugeben und hatte vielleicht sogar noch Anteil an dem neuen Reichtum.

      Sie standen jetzt auf dem Parkett des großen Tanzsaales, dessen stuckverzierte Decke mit herrlichen Fresken bemalt war und von der fünf Kristallleuchter herabhingen.

      An den Wänden, die in Abständen von hohen Spiegeln bedeckt waren, reihten sich damastbezogene Sitzbänke mit zierlichen Wandtischen.

      »Ich habe immer heimlich meine Mutter bewundert, wenn sie hier tanzte«, erinnerte sich Sandor wehmütig, »Ich weiß noch, sie trug auf dem letzten Ball ein himmelblaues Seidenkleid, das sich weit bauschte, wenn sie im Walzerschritt vorbeischwebte.«

      Selbstvergessen stand Graf Sandor da. Elga starrte ihn voller Mitgefühl an, und plötzlich hing sie an seinem Hals und küsste ihn immer wieder.

      »Ich liebe dich, Sandor, ich liebe dich«, stammelte sie.

      »Elga«, murmelte er rau und presste sie an sein Herz. »Ich werde erst wieder glücklich sein, wenn ich mit dir hier tanzen darf.«

      Langsam gingen sie zurück, Arm in Arm.

      Als sie die Halle betraten, kam gerade Frau Braun aus den Wirtschaftsräumen herauf. Sie trug ein Tablett mit Kaffeegeschirr.

      »Wo soll ich es hintragen, Herr Graf?«, fragte sie und starrte Elga wie eine Erscheinung an.

      »Das ist Frau Braun«, stellte Sandor sie vor. Dann nahm er Elgas Hand und sagte: »Das ist Fräulein Elga. Wehnert?«, fügte er fragend hinzu und sah Elga an.

      Sie nickte stumm. Die Kehle war ihr wie zugeschnürt.

      Frau Braun lächelte ihr freundlich zu. Elga nahm ihr spontan das Tablett ab.

      »Das mache ich schon«, bemerkte sie.

      Sandor fand ihre Aufmerksamkeit reizend.

      Er ging mit auf die Terrasse. Elga deckte den Tisch so geschickt, dass er keinen Blick von ihr ließ. Sie schnitt den Kuchen an und goss ihm Kaffee ein. Er küsste dankbar ihre Hand.

      »Es ist wunderbar, mit dir zusammen zu sein«, murmelte er zärtlich.

      Es war ein herrlicher Tag. Elga blieb bis zum späten Abend. Sie räumte den Tisch wieder ab und deckte später den Abendbrottisch im kleinen Esszimmer. Dann saßen sie auf der Terrasse und hielten sich umschlungen.

      »Was werden deine Verwandten nur denken. Du bist kaum bei ihnen«, stellte Sandor lächelnd fest.

      »Ich habe gesagt, dass ich später komme. Das ist nicht schlimm. Sie haben beide viel zu tun, denn sie treffen die Vorbereitungen für die Ankunft der Familie von Waldstein. Schade, ich hätte dir das Schloss gern einmal von innen gezeigt.«

      »Nein«,


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