Kinderärztin Dr. Martens Staffel 3 – Arztroman. Britta Frey
schmeckte.
»Was sagst du dazu, daß Mutti bald wieder zu uns kommt? Ich habe vor drei Tagen zum letzten Mal mit ihr telefoniert, und da eröffnete sie mir, daß sie in vierzehn Tagen wieder für längere Zeit käme.«
»Na, prima, Hanna. Ich freue mich natürlich darüber. Einmal wird sie sich sicher entscheiden, für immer zu uns zu kommen.«
»Das denke ich auch. Es wird wohl auch nicht mehr so lange dauern, glaube ich.«
»Bist du mir böse, wenn ich mich jetzt zurückziehe? Ich spüre die lange Fahrt allmählich doch in meinen Knochen.«
»Geh nur, und schlaf dich richtig aus. Morgen ist schließlich auch noch ein Tag, und es bleibt uns noch so viel Zeit zum Erzählen. Gute Nacht, und träum was Schönes.«
»Gute Nacht, Hanna.«
Obwohl Kay inzwischen wirklich sehr die Müdigkeit spürte, gingen seine Gedanken nach Celle zu der Frau, die er liebte und für sich zu erringen hoffte. Madlon… Ob sie wohl auch an ihn dachte?
So nahm er, wie so oft, ihr Gesicht wieder mit hinein in seine sehnsüchtigen Träume.
*
Die Tage reihten sich aneinander, wurden zu Wochen. Der Alltag hatte Kay mit all seinen Pflichten wieder eingenommen.
Doch in jeder freien Minute dachte er an Madlon und wünschte ein Wiedersehen mit ihr herbei. Wie hatte sie noch beim Abschied gesagt: Wir werden uns wiedersehen…
Trotzdem kam es Kay manchmal so vor, als wäre das alles nur ein schöner Traum, und obwohl Celle so nah war, schien es ihm eine Entfernung von Tausenden von Kilometern zu sein.
Manchmal, wenn er mit seinen Gedanken bei Madlon war, war er für niemanden mehr ansprechbar. Das war Hanna schon sehr bald aufgefallen. Zu gern hätte sie gewußt, was ihren Bruder so verändert hatte, ihn so still hatte werden lassen. Ihr war wohl klar, daß es mit seinem Urlaub in Kärnten zu tun haben mußte.
Eine ganze Weile beobachtete sie ihn heimlich, wartete eine Gelegenheit ab, um ihn zu fragen.
Die Gelegenheit kam, als die Mutter sie eines Abends anrief und ihr Kommen für die nächsten Tage ankündigte. Hanna wollte nicht bis zum nächsten Morgen warten, um es Kay zu sagen. So suchte sie ihn in seiner Wohnung auf, um ihm die erfreuliche Mitteilung zu machen.
»Hast du ein bißchen Zeit für mich?« erkundigte sie sich, nachdem sie ihm die Neuigkeit gesagt hatte.
»Für dich doch immer, Hanna. Setz dich doch. Möchtest du etwas trinken?«
»Ja, gern, wenn du eine Limo da hast. Es war heute reichlich warm. Ich habe schon den ganzen Tag über einen Riesendurst gehabt.«
Kay holte für seine Schwester ein Glas Limo, für sich Mineralwasser und setzte sich zu ihr.
»Nun schieß los, Schwesterchen. Was hast du für Probleme?«
Hanna überlegte einen Moment. Sie wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen. Sie liebte es nicht, ihren Bruder auszufragen, wenn er nicht selbst anfing. Aber sie spürte, daß es sich um eine ernste Sache handelte, und hoffte, ihm helfen zu können.
»Ich habe keine Probleme, Kay«, tastete sie sich vor, »aber mir scheint, du hast welche. Ich beobachte dich schon eine ganze Weile. Seit dem Urlaub kommst du mir verändert vor, ja, fast melancholisch. Muß ich mir Sorgen um dich machen? Du bist gar nicht mehr so fröhlich wie früher. Und du bist mit deinen Gedanken immer weit weg.«
»Glaubst du nicht, daß es eine ganz private Angelegenheit ist, die mich beschäftigt, über die ich eigentlich gar nicht reden möchte?«
Hanna schluckte. Sie fühlte sich abgewiesen.
»Wenn das so ist, erübrigt sich ja jede weitere Frage«, antwortete sie.
»Nun sei doch nicht gleich eingeschnappt, Hanna. So war es doch nicht gemeint. Aber du brauchst
dir keine Sorgen um mich zu machen.«
»Dann ist es ja gut, ich laß dich besser wieder allein.«
Hanna erhob sich und wollte wieder gehen, doch Kay hielt sie zurück.
»Setz dich bitte wieder, Hanna. Ich habe noch nie Geheimnisse vor dir gehabt, und es soll sich auch jetzt nichts daran ändern. Ich will dir erzählen, was mich beschäftigt.«
Mit ruhiger Stimme erzählte Kay, wie er Madlon van Enken und deren dreizehnjährigen Jungen kennengelernt und was sich alles daraus entwickelt hatte.
»Du scheinst diese Madlon van Enken wirklich sehr zu lieben«, stellte Hanna nachdenklich fest. »Dabei dachte ich immer, dein Interesse gilt der Architektin, Susanne Schumann.«
»Das hatte ich auch geglaubt, bis ich Madlon traf. Das Gefühl für sie ist so stark, daß ich an nichts anderes mehr denken kann.«
»Und ich darf gar nicht daran denken, in welcher Gefahr du dich befandest, als du den Jungen aus dem Wasser holtest. Allein der Gedanke daran jagt mir einen kalten Schauer über den Rücken.«
»Es ist vorbei, und ich sitze dir wohlbehalten gegenüber.«
»Und wann wirst du sie wiedersehen?«
»Ich weiß es nicht, Hanna. Es geht schließlich darum, daß Nils sich damit abfinden muß, daß seine Eltern sich getrennt haben. Außerdem muß er seine Ablehnung mir gegenüber aufgeben. Der Abschied in Spittal hat mir gezeigt, daß der Junge das schaffen könnte, wenn er wirklich will.«
»Ich wünsche dir von Herzen, daß du das Glück endlich findest, das du verdienst. Kannst du dich nicht bei ihr melden? Du weißt doch, wo sie wohnt, oder nicht?«
»Doch, ich weiß schon, wo sie wohnt. Aber ich will mich auf keinen Fall ungefragt in ihr Leben drängen. Wenn sie eine Antwort für mich hat, wird sie sich bestimmt bei mir melden. Sie weiß doch, wie sehr ich auf Antwort warte. Ich bitte dich, uns dieses Thema für heute beenden zu lassen. Einverstanden?«
»Einverstanden, Kay. Es wird sowieso Zeit für mich, in die Federn zu kommen. Ich drücke dir auf jeden Fall beide Daumen, daß die Angelegenheit sich zu deinen Gunsten entwickelt.«
Lächelnd sah Kay auf die geschlossene Tür. Seine kleine Schwester verstand es doch immer wieder, ihm Dinge zu entlocken, über die er nichts sagen wollte. Doch irgendwie fühlte er sich dabei auch erleichtert. Blieb eigentlich nur noch die brennende Frage, wann er endlich etwas von Madlon hören würde.
Ob sie auch an ihn dachte? Zu gern hätte er gewußt, ob zwischen ihr und ihrem Sohn alles in Ordnung war, und wie sie die Zeit verbrachten, seit sie aus dem Urlaub zurückgekehrt waren.
*
»Darf ich heute wieder zu Vati fahren? Es ist doch Sonnabend. Du hattest gesagt, ich dürfe jede Woche einen Tag.«
Bittend sah Nils seine Mutter an.
»Ja, du darfst, aber sei heute abend pünktlich wieder zurück. Warte, ich gebe dir das Busgeld.«
»Ich brauche heute kein Busgeld. Ich fahre mit dem Rad. Ich mache nämlich heute mit Vati eine Radtour, und ich freue mich schon riesig darauf«, gab Nils zurück.
»Fahr aber vorsichtig, und überanstrenge dich nicht«, bat Madlon. »Mir gefällst du sowieso in den letzten Tagen nicht. Wenn sich das nicht bessert, werden wir in der nächsten Woche mal zum Arzt gehen, verstanden?«
»Ja, Mutti. Und ich paß schon auf mich auf. Darf ich jetzt fahren?«
»Ja, fahr schon, und vergiß nicht, was ich dir gesagt habe.«
Kaum fünf Minuten später war Madlon allein. Es paßte ihr auch weiterhin nicht, daß Nils keinen der Besuchertage, die sie ihm eingeräumt hatte, ausließ, aber es war nicht zu ändern. Sie seufzte. Zuerst hatte sie noch einiges zu tun, mußte auch noch für das Wochenende einkaufen, doch ab Mittag lag erneut ein einsamer Nachmittag vor ihr.
Da der Tag sehr schön war, machte sie es sich hinter dem Haus auf der Terrasse bequem.