Kinderärztin Dr. Martens Staffel 3 – Arztroman. Britta Frey
du nicht kommst.«
»Guten Morgen, mein Schatz. Warum sollte ich nicht kommen? Ich hatte es dir doch versprochen, und mein Wort halte ich auch.«
»Kommt Vati auch gleich? Ich möchte doch so gern, daß er auch herkommt.«
»Ich weiß nicht, ob er heute kommt. Aber er wird bestimmt kommen, wenn du operiert wirst. Du mußt vernünftig sein. Er kann nicht jeden Tag aus der Bank fort, er hat ja seine Arbeit dort zu leisten.«
Bevor Nils seiner Mutter antworten konnte, wurde die Tür geöffnet, und Schwester Laurie kam herein, gefolgt von Schwester Regine.
»So, junger Mann, dann wollen wir dich jetzt mal etwas spazierenfahren. Ist es nicht prima, daß du dafür noch nicht einmal aus deinem Bett raus mußt?«
Hilfesuchend sah Nils seine Mutter an.
»Mutti, du gehst doch nicht fort?«
»Nein, ich werde hier im Zimmer warten, bis du zurückgebracht wirst. Also, mein Junge, halte die Ohren steif, es ist überhaupt nicht schlimm.«
»Nils hat jetzt auch keine Angst mir, nicht wahr, Nils?« sagte Schwester Laurie mit fröhlicher Stimme und blinzelte Nils vergnügt an.
Das Beruhigungsmittel begann zu wirken. Nils wirkte zunehmend schläfrig, und er sagte nichts mehr.
Während sie die Räder des Bettes löste, nickte er nur schwach.
*
»So, Dieter, Sie können sofort fahren«, sagte Kay zu dem jungen Pfleger, der vor der Operationsabteilung wartete, und überreichte ihm die gut gesicherte Gewebeprobe.
»Fragen Sie im Institut nach Professor Löblich und geben Sie ihm die Probe persönlich.«
»Alles klar, Chef, ich werde mich genau an Ihre Anweisungen halten. Ich komme erst zur Klinik zurück, wenn ich das Untersuchungsergebnis in Händen halte. Sie können sich auf mich verlassen.«
»Das weiß ich, Dieter, ich wünsche Ihnen eine gute Fahrt.«
Nils war wieder auf die Krankenstation gebracht worden, und Kay sagte erleichtert zu Michael Küsters, der noch auf ihn wartete:
»So, Dr. Küsters, den ersten Schritt hätten wir hinter uns gebracht. Jetzt müssen wir warten.«
»Es wird schon gutgehen, Chef, ich kann mich zwar täuschen, aber ich habe bei der Sache ein gutes Gefühl.«
»Schön, wenn es sich bewahrheiten würde. Nichts wäre mir lieber. Ich bin für die nächste Zeit unten im Labor, um meinerseits einige Untersuchungen durchzuführen. Übernehmen Sie bitte die Kleine von Zimmer sieben. Ein EKG und eine Lungenaufnahme sind erforderlich. Legen Sie mir die Auswertungen bitte nach der Mittagszeit vor. Meine Schwester wird nach Beendigung ihrer Sprechstunde die Visite durchführen. Achten Sie doch bitte darauf, daß ich nicht gestört werde, es sei denn, es liegt ein Notfall vor.«
»Ja, gut, ich werde Bescheid geben.«
»Ach, noch eines, bevor ich es vergesse. Wenn Frau van Enken nach mir fragen sollte, bin ich nach der Mittagszeit für sie zu sprechen.«
»Ich werde es ihr ausrichten.«
Mit einem kurzen Nicken trennten sich die beiden Ärzte. Kay ging ins Kellergeschoß hinunter, in dem sich außer der Küchenregion auch noch die Laborräume befanden, und Michael Küsters schickte Schwester Dorte hinauf auf die Krankenstation, um die achtjährige Samantha Bieber für die angeordneten Untersuchungen zu holen.
Im Krankenzimmer ihres Jungen saß Madlon an dessen Bett und sah mit einem traurigen Lächeln auf den schlafenden Jungen hinunter. Nils war vor wenigen Minuten aus der Narkose erwacht, war aber gleich in Folge der Nachwirkungen der Narkose und des Beruhigungsmittels wieder eingeschlafen.
Als Schwester Laurie das Zimmer betrat und Madlon van Enken so still am Bett ihres Sohnes sitzen sah, sagte sie:
»Nils wird jetzt bestimmt noch ein bis zwei Stunden schlafen. Nutzen Sie doch die Zeit und trinken Sie eine Tasse Kaffee in der Kantine. Gehen Sie anschließend im Klinikpark ein wenig spazieren. Der Tag hier im Krankenzimmer ist auch so lang genug für Sie.«
»Ich weiß nicht recht, Schwester Laurie«, meinte Madlon zweifelnd. »Ich hatte Nils doch versprochen, daß ich hierbleiben würde. Ich kann doch jetzt nicht einfach so gehen.«
»Doch, Sie können beruhigt gehen, Frau van Enken. Er wird davon gar nichts mitbekommen. Bis Ihr Sohn erwacht, sind Sie längst wieder hier. Sollte er doch eher wach werden, sage ich ihm, daß Sie sich nur ein wenig die Füße vertreten. Gehen Sie ruhig, ich werde schon auf Nils aufpassen.«
Einen Moment zögerte Madlon noch, dann erwiderte sie leise: »Wenn Sie wirklich meinen, Schwester. Einen Kaffee könnte ich schon vertragen.«
»Na also, gehen Sie ruhig.«
Nach einem langen Blick auf ihren schlafenden Jungen verließ Madlon das Zimmer. Auf dem Gang traf sie auf Hanna, die gerade mit Schwester Elli mit der Visite beginnen wollte. »Ist etwas nicht in Ordnung, Frau van Enken? Sie wirken so traurig. Im Augenblick brauchen Sie sich nicht übermäßig zu sorgen. Der Eingriff war eine Routinesache und völlig ungefährlich.«
»Ich weiß, Frau Dr. Martens, das hat Ihr Bruder auch schon gesagt. Aber ich habe Angst vor dem Untersuchungsergebnis. Das lange Warten ist es, das mich zermürbt. Was glauben Sie, wann das Ergebnis vorliegen wird?«
»Ich denke, heute gegen Abend. Wir müssen uns alle in Geduld fassen, die Untersuchung braucht eben ihre Zeit. Mein Bruder wird Sie sofort informieren, wenn er das Ergebnis hat. Was macht Ihr Sohn im Moment?«
»Er schläft noch. Schwester Laurie sagte mir, ich solle ruhig in die Kantine gehen, da Nils wohl noch einige Zeit schlafen würde.«
»Das ist eine gute Idee, dabei geht die Zeit viel schneller vorbei.«
Hanna lächelte noch einmal beruhigend, bevor sie mit Schwester Elli hinter der nächsten Zimmertür verschwand.
Madlon ging in die Kantine und besorgte sich einen Kaffee. Das heiße Getränk tat ihr wirklich gut, und sie merkte, daß der Kaffee sie ein bißchen aufmunterte. Trotzdem war sie so voll innerer Unruhe, daß sie sich mit zitternden Fingern eine Zigarette ansteckte. Sie rauchte nur in Ausnahmefällen, dann, wenn sie besonders nervös war, und heute war so ein Tag.
Als sie zehn Minuten später erneut die Eingangshalle betrat, um durch den Hintereingang in den Klinikpark zu gehen, kam Guido mit langen Schritten auf sie zu.
»Was macht Nils, Madlon?« fragte er sie, nachdem er sie begrüßt hatte. »Hat er es schon hinter sich? Ich hatte einfach keine Ruhe und habe mir ein paar Tage Urlaub genommen.«
»Nils hat es schon hinter sich. Er liegt jetzt in seinem Zimmer und schläft. Ich habe gesagt bekommen, daß die Gewebeentnahme eine Routineuntersuchung war und völlig ungefährlich. Ich wollte gerade ein wenig an die frische Luft gehen.«
»Bitte, laß mich mitgehen, schick mich nicht wieder weg, Madlon. Ich möchte mit dir über unseren Jungen reden.«
»Dann komm.«
Draußen im Klinikpark zog Guido Madlon zu einer Bank und sagte:
»Setzen wir uns, da können wir uns besser unterhalten.«
»Meinst du nicht, daß es nicht viel gibt, worüber wir uns noch unterhalten könnten?« entgegnete Madlon, doch sie nahm auf der Bank Platz.
»Wie hart du bist, Madlon. Hab doch wenigstens ein bißchen Verständnis für mich. Ich habe dich doch schon so oft um Verzeihung gebeten. Kannst du denn so herzlos sein?«
»Guido, laß das. Du hattest doch dein Glück selbst in der Hand. Ich glaube nicht, daß ich dir noch einmal vertrauen könnte. Wenn du also unbedingt mit mir reden willst, dann über Nils und nicht über uns beide.«
Madlon schloß sekundenlang die Augen. Wenn sie sich nach außen auch mit Abwehr wappnete, so sah es in ihr doch ganz anders aus. Gegen ihren Willen fühlte sie sich