Sophienlust Bestseller Staffel 1 – Familienroman. Marietta Brem
ihre Großmutter, deren Alleinerbin sie sein wird, und einmal durch mich. Das dürfte doch reichen.« Er sah ihr in die Augen. »Trinken wir lieber darauf, daß es für uns beide noch viele solcher Abende gibt.«
Da die junge Frau nicht recht wußte, was sie darauf sagen sollte, hob sie nur stumm ihr Glas. Sanft ließ er seines an ihres stoßen. Irgendwo im Garten sang eine Nachtigall.
Schweigend nippten sie an ihren Gläsern, sahen einander nur an. In Wolfgangs Augen konnte Birgit plötzlich all das lesen, was sie seit langem tief in ihrem Inneren erhofft hatte. Mit einem Mal wußte sie, daß er sie nicht nur wegen Adina in sein Haus geholt hatte, sondern weil er sie liebte. Das machte sie glücklich und ängstlich zugleich.
»Warum gehen wir nicht ein Stückchen spazieren?« fragte sie und erschrak, weil ihre Stimme so unsicher klang.
»Warum nicht?« Wolfgang stand auf und bot ihr seinen Arm. Nebeneinander stiegen sie die Stufen in den Garten hinunter. Sie folgten einem schmalen Weg, der zu einem künstlich angelegten Goldfischteich führte. »Dieser Garten ist ganz nach den Plänen meiner Frau gestaltet worden«, erzählte der junge Mann. »Nichts hat sie dem Zufall überlassen, sondern jedes Fleckchen verplant.«
»Er ist sehr schön.«
»Ellen war künstlerisch sehr begabt. Auch die Liebe zur Musik hat Adina von ihr geerbt. Sie konnte ausgezeichnet Klavier spielen. Ursprünglich hatte sie vorgehabt, Pianistin zu werden, aber dann lernten wir uns kennen, und sie widmete sich daraufhin nur noch ihrer Familie.«
»Sie muß eine wunderbare Frau gewesen sein«, sagte Birgit.
»Ja, das war sie«, erwiderte Wolfgang. »Damals als sie starb, dachte ich, ich könnte nicht mehr weiterleben. Eine neue Ehe kam für mich überhaupt nicht in Frage. Ich nahm mir vor, nur noch für Adina da zu sein.« Sanft strich seine Hand über Birgits Arm. »Weißt du, daß du für mich alles verändert hast?« fragte er und sah ihr liebevoll in die Augen.
Birgit wollte protestieren, weil er einfach du zu ihr sagte, doch sie konnte es nicht. Sie liebte Wolfgang mit jeder Faser ihres Herzens, und plötzlich wünschte sie sich, er würde sie küssen.
Zärtlich glitt sein Blick über ihr Gesicht. Er zögerte noch wenige Sekunden, dann zog er sie in die Arme und küßte sie, als hätte er ihre Gedanken erraten. Sie schloß die Augen und fand es mit einem Mal ganz natürlich, daß er sie küßte. Leidenschaftlich schmiegte sie sich an ihn.
Minutenlang standen sie eng umschlungen neben dem Goldfischteich. Über ihnen glitzerten am nachtblauen Himmel die Sterne. Silbern schien der Mond auf sie hinunter. Weder Wolfgang noch Birgit dachten in diesem Moment an Adina, daran, daß das Fenster des Kinderzimmers direkt auf den Garten hinausging.
Wolfgang ließ die junge Frau los. »Ich liebe dich, Birgit«, sagte er so leise, daß sie es kaum verstehen konnte. Er hob die Hand und berührte sanft ihre Augen, ihre Nase und ihren Mund. »Ich könnte es nicht ertragen, würdest du jemals wieder fortgehen.« Er legte den Arm um ihre Schultern. »Schon damals, als ich dich bat, meine Haushälterin zu werden, ahnte ich, daß es so kommen würde.«
»Und ich wußte schon damals, daß ich dich liebte«, erwiderte Birgit. Sie sah zum Haus hinüber. Das Mondlicht stand genau über dem Gebäude. In seinem Schein wirkte es wie ein Märchenschloß. Oder kommt es mir nur so vor, weil ich so glücklich bin? fragte sie sich.
»Birgit, möchtest du meine Frau werden?« fragte Wolfgang sanft. »Ich gebe zu, es wird nicht einfach für dich werden. Adina hat ihre Mutter sehr geliebt, aber ich bin überzeugt, du wirst sie genauso erobern, wie du mich erobert hast. Und meine Schwiegermutter, na ja, sie wird natürlich nichts unversucht lassen, uns auseinanderzubringen. Doch wir sind im Gegensatz zu ihr immerhin zu zweit.« Er lachte etwas gezwungen. »Einigkeit macht stark.«
»Ich fürchte deine Schwiegermutter nicht«, sagte Birgit und lehnte sich an seine Schulter. Vielmehr fürchte ich Adina, fügte sie in Gedanken hinzu. Wolfgang hatte ja keine Ahnung, wie das Mädchen sich jetzt schon gegen sie auflehnte. Doch dann versuchte sie sich selbst Mut zu machen, indem sie sich sagte, was sie vor vielen Wochen von ihrer Kollegin zu hören gekriegt hatte: Man wird doch vor einer Elfjährigen nicht davonlaufen!
»Heißt das, du nimmst meinen Antrag an?« fragte Wolfgang. Er umfaßte sanft ihre Schultern.
»Ja«, antwortete sie schlicht.
»Du machst mich zum glücklichsten Menschen der Welt«, stieß er enthusiastisch aus.
Birgit schüttelte den Kopf. »Kann nicht sein, der bin ich schon«, erklärte sie mit einem bezaubernden Lächeln.
»Streiten wir uns nicht, wer von uns glücklicher ist«, sagte Wolfgang und zog sie erneut in seine Arme. »Die Hauptsache ist doch, wir lieben uns.« Er verschloß ihr den Mund mit einem Kuß, der ihr fast den Atem nahm.
*
Der schrille Ton des Weckers riß Birgit Keller aus dem Schlaf. Automatisch fuhr ihre Hand zum Nachttisch und stellte das Klingeln ab. Minutenlang blieb sie noch mit geschlossenen Augen liegen und dachte über das nach, was am Vorabend passiert war. Hatte sie nur geträumt, daß ihr Wolfgang einen Heiratsantrag gemacht hatte, oder war es Wirklichkeit gewesen? Einen Augenblick dachte sie tatsächlich, sie hätte nur einen wunderschönen Traum gehabt, doch dann richtete sie sich auf, öffnete die Augen und blickte durch das offene Fenster zum strahlendblauen Himmel. Es war Wirklichkeit gewesen, sie wußte es jetzt wieder ganz genau! Sie und Wolfgang würden heiraten, vielleicht bald eigene Kinder haben… Sie hätte vor Freude laut jubeln können.
Aber die Pflicht rief, selbst an so einem wunderschönen Morgen wie heute. Sie schwang ihre Beine über den Bettrand und stand auf. Rasch ging sie in ihr kleines Badezimmer und duschte, danach fühlte sie sich schon munterer. Blitzschnell zog sie sich an. Es war sechs Uhr, in einer halben Stunde mußte sie Adina wecken. Wolfgang fand gewöhnlich allein aus dem Bett.
Sie ging in die Küche hinunter und machte sich daran, das Frühstück zuzubereiten. Sie wunderte sich selbst darüber, wie leicht ihr an diesem Morgen alles von der Hand ging. Während das Kaffeewasser durch die Maschine lief, stieg sie wieder die Treppe hinauf. Vor Adinas Zimmertür blieb sie stehen und klopfte. Aus dem Badezimmer gegenüber hörte sie Wolfgang pfeifen.
»Adina, aufstehen!« rief Birgit, als auf ihr Klopfen keine Antwort folgte. Sie wartete einen Augenblick, dann drückte sie die Klinke hinunter und trat ein. »Adina!« rief sie. Ihr Blick fiel auf das Bett. Es war leer!
Hatte sie sich getäuscht, hatte sie Adina und nicht Wolfgang im Badezimmer gehört? Sie drehte sich um und trat wieder in den Korridor. In diesem Moment kam Wolfgang aus dem Bad.
»Guten Morgen, Liebling!« rief er gutgelaunt und wollte sie in die Arme ziehen.
»Adina ist nicht in ihrem Zimmer«, stieß Birgit hervor.
»Dann wird sie schon unten sein.« Wolfgang küßte sie zärtlich.
»Aber ich habe sie gar nicht gehört.« Birgit blickte zweifelnd zur Treppe. »Ich habe ein ziemlich ungutes Gefühl.«
»Meinst du, sie ist ausgerissen?« Wolfgang lachte schallend. »Adina ist kein Mädchen, das weglaufen würde. Warum auch?«
»Ich laufe schnell hinunter.« Birgit befreite sich aus seinem Arm. »Adina!« rief sie und eilte ins Erdgeschoß. Sie öffnete nacheinander die einzelnen Zimmertüren.
»Vielleicht hat sie sich versteckt«, meinte Wolfgang. Er war der jungen Frau gefolgt.
»Sieht ihr eigentlich nicht ähnlich.« Birgit öffnete die Terrassentür und rannte in den Garten.
Es dauerte keine zehn Minuten, da hatten sie das Haus gründlich durchsucht. Adina war nicht da. Dafür entdeckten sie, daß die Schultasche des Mädchens und ein Teil seiner Kleidung fehlten.
»Abgehauen, einfach abgehauen.« Wolfgang ließ sich erschüttert auf Adinas Bett fallen. Er stützte den Kopf in die Hände.
»Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte Birgit. »Entweder ist sie bereits zur Schule gegangen und will uns