Mami Staffel 13 – Familienroman. Lisa Simon
paßte wundervoll zu den Butzenscheiben, hinter denen kostbare Gläser blinkten.
»Wir müssen uns noch einmal entschuldigen.« Herr Poppel kam lautlos ins Zimmer, die dicken Teppiche schluckten jedes Geräusch. »Sie haben sich ja noch nichts zum Trinken eingeschenkt.«
»Ich habe mich umgesehen. Es ist ein wunderschönes Zimmer. Ich habe gar nicht gewußt, wie gut moderne und alte Möbel miteinander leben können.«
»Wie Menschen auch. Man muß nur das Richtige finden. Den Schrank dort hat Laura in einem Schloß gefunden, aus dem ein Altersheim gemacht worden ist. Er war in einem schrecklichen Zustand. Bitte, setzten Sie sich doch. Laura wird auch sofort kommen. Es ist nur die Pfote, darum humpelte der arme Kerl. Sie ist völlig vereitert. Laura hat ihm ein Bett in einem Karton zurechtgemacht. Sie wäscht sich nur die Hände. Da kommt sie schon.«
Sie hatte sich nicht nur die Hände gewaschen, sie hatte sich auch umgezogen. Harros Ärger verflog wie Schnee vor der Sonne.
Wie konnte man einem Wesen, das so schön war wie sie, auch böse sein? »Da bin ich.« Herr Poppel lächelte ihr entgegen, während er drei Gläser aus einer modernen Vitrine nahm. Laura spürte Harros Blicke und ihr Herz schlug wahre Kapriolen. Sie müßte ja ein Stockfisch sein, wenn Harros offensichtliche Bewunderung ihr nicht unter die Haut ging.
»Ich habe eine Flasche aus dem Keller geholt«, erzählte Herr Poppel, der natürlich mehr bemerkte, als Harro lieb war. »Ich dachte mir schon, daß wir Herrn Erdmann als Gast bekommen.«
Laura trug einen schwarzen Hausanzug aus schillernder Seide. Schwarze Spitzen umschmeichelten ihren Hals.
»Herr Erdmann wunderte sich darüber, daß alte und junge Möbel so gut miteinander harmonieren. Ich habe ihm gesagt, es ist wie bei Menschen. Bitte, Laura.«
Er reichte ihr den kostbaren Römer, der Wein funkelte wie eingefangene Sonne darin.
»Der Vergleich ist sehr gut, Joachim. Aber nicht immer klappt das, weder bei Möbeln noch bei Menschen. Man muß schon das richtige Gespür dafür haben. Setz dich bitte, Harro. Der Hund ist gut versorgt, wir haben ihm Wasser zu trinken gegeben und ein wenig Futter. Morgen werden wir weitersehen.«
Er ließ sich in den Sessel fallen, der auf dünnen, gedrechselten Beinen stand. Das weiche Polster schmiegte sich um seinen Körper. Harro spürte in diesem Moment, wie müde er war.
»Ich fürchte, ich werde aus dem Sessel nicht wieder aufstehen, so bequem ist er. Was wird mit dem Hund geschehen? Du kannst doch nicht daran denken, ihn hier zu halten? Schließlich hast du ein Kind.«
Sie tranken sich zu. Laura kauerte in der Sofaecke, zog die Beine unter sich.
»Ich habe meine Tochter nicht vergessen, mein Lieber. Aber bist du nicht auch mit Hunden aufgewachsen? Und denk mal an meinen Floh. Er war auch eine Promenadenmischung. Wir haben uns früher oft gezankt, wenn ich behauptete, daß Floh tapferer war als deine Hunde.«
»Was natürlich blanker Unsinn war.« Ärgerlich verzog er den Mund. Den Römer hielt er in der Hand und schwenkte den Wein ein wenig, damit die Blume besser zur Geltung kam. »Ich erinnere mich im übrigen, daß du deinen Hund irgendwo aufgegabelt hast. Du hast ihn mit nach Hause geschleppt, dabei warst du auf dem Weg zu einem Kindergeburtstag.«
Er wandte sich an den alten Mann und verzog spöttisch den Mund. »Der Hund war so groß wie ein Kalb, und sie nannte ihn Floh.«
»Paßt das nicht alles wunderbar zu Laura? Sie war also schon als Kind warmherzig, impulsiv und verstand zu handeln, wenn sie gebraucht wurde. Du hast also damals schon dein Festkleidchen beschmutzt, um ein Tier zu retten. Genau wie heute abend.«
Harro seufzte im komischen Entsetzen. »Ich sehe schon, Sie finden alles gut, was Laura macht. Ich werde einen schweren Stand in dieser Gemeinschaft haben.«
»Ach ja?« Laura hob amüsiert die feingezeichneten Brauen.
»Ich hoffe, Herr Poppel, ich bin in Zukunft ein willkommener Gast.«
»Dann hast du die Absicht, diese Stadt häufig zu beehren?«
»Nicht diese Stadt, du Spottvogel, obwohl ich glaube, daß es sich hier gut leben läßt. Herr Poppel, der Wein mundet ausgezeichnet. Er ist nicht zu schwer, hat aber ein volles Aroma.«
Herr Poppel nickte dankend. Er versteckte seine Gedanken hinter freundlicher Miene.
Was hast du denn gedacht, du Narr, verspottete er sich. Hast du geglaubt, daß dieses Leben ewig währt? Du wußtest doch, daß einmal ein Mann auftaucht, der Laura heiraten will.
Und dieser Mann verschlang sie ja geradezu mit den Augen. Vermutlich würde er Laura lieber heute als morgen heiraten.
Laura, die ein feines Gespür für Poppels Stimmungen hatte, gähnte und lachte.
»Ich denke, wir sollten jetzt schlafen gehen. Ich sollte mit dir schimpfen, Joachim, du bleibst immer viel zu lange auf. Hattest du Probleme mit Stephanie?«
»Sie und ich haben nie Probleme«, behauptete er würdevoll. »Außerdem braucht man in meinem Alter nicht mehr viel Schlaf. Aber du hast recht, es ist gleich Mitternacht. Morgen ist für dich ein anstrengender Tag.« Zu Harro gewandt erzählte er: »Laura wird morgen zu einer Auktion fahren. Porzellan und Schmuck wird dort versteigert. Laura hat sich die Sachen schon angesehen.«
Lauras Gesicht glühte vor Begeisterung. Harro achtete kaum auf ihre Worte. Er betrachtete sie beglückt. Was für ein Glückspilz war er doch, daß er sie gefunden hatte. Und ledig war sie.
*
Laura blieb noch eine Weile am Bettchen ihrer kleinen Tochter stehen. Sie sah auf das kleine Gesichtchen hinunter. Stephanie hielt ihren Bären im Arm. Bär Moppel hatten sie ihn getauft. Joachim hatte behauptet, daß Stephanie ihn so nannte.
Wie ein heißer Strom floß das Glück, dieses Wesen zu besitzen, über ihr Herz. Noch gehörte das Kind ihr, mit Leib und Seele. Ihr Leben war durch Stephanie schwerer geworden, aber auch viel reicher und viel schöner. Dank Joachim hatte sie Freude und Sicherheit.
Behutsam strich sie mit dem Finger über die warme Wange. Die Kleine murmelte im Schlaf und drehte das Köpfchen. Auf Zehenspitzen schlich Laura hinaus.
Trotz allem schlief sie tief und traumlos. Und hatte doch Angst gehabt, daß sie die ganze Nacht von dummen Träumen geplagt würde.
Als Laura in die Küche kam, fand sie Joachim und ihre Tochter natürlich schon vor. Die Kleine kniete neben dem Hund. Als sie die Mutter sah, platschte sie begeistert die Hände zusammen und krähte aufgeregt: Hund… Nana und Hund…«
Nana nannte sie sich selbst. Der Hund sah um einen Deut schöner aus als in der Nacht. Sein schwarzes Fell war struppig und verfilzt. Aber das Kind störte sich nicht daran.
»Guten Morgen, Laura. Meine erste Amtshandlung heute morgen wird sein, den Hund in die Badewanne zu stecken«, sagte Poppel.
»Das wird für ihn ein Schock fürs Leben sein«, lachte Laura. »Guten Morgen, meine Süße.«
Aber Stephanie hatte für ihre Mutter keine Zeit. Ihre ganze Aufmerksamkeit gehörte dem Hund. Natürlich war sie sich sicher, daß das Tier nur ihretwegen ins Haus geholt worden war. Die Kinderaugen strahlten vor Glück.
»Wie ein Bild der Heiligen Familie«, behauptete Harro trocken, der den Weg in die Küche gefunden hatte. Heimlich hatte er gehofft, Laura würde zu ihm hinaufkommen und ihm einen guten Morgen wünschen.
»Du hast recht«, lachte Laura und richtete sich auf. »Joachim ist Josef, ich bin Maria, Stephanie ist das Jesuskind, der Hund der Ochse, dann bist du der Esel, Harro.«
»Du übertriffst dich wieder einmal selbst an Liebenswürdigkeit. Guten Morgen. Und das ist also Stephanie. Willst du mir nicht die Hand geben, Kleines?«
Er hockte sich neben Hund und Kind. Aber die Kleine hatte nicht einen Blick für ihn. Sie fand den Störenfried höchstens lästig. Stephanie liebte ihre kleine, geordnete Welt. Der Hund war ihr natürlich willkommen,