Mami Staffel 13 – Familienroman. Lisa Simon
Mutter nie fragen«, behauptete sie amüsiert. »Die Frage darfst du auch Herrn Poppel nicht stellen. Er fühlt sich als Großvater, der er ja auch ist. Und Stephanie ist für ihn das schönste Kind, das je geboren wurde. – Zur Zeit male ich sie.«
»Du malst noch immer?«
Sie nickte, ihre Augen lachten wieder, die Schatten waren daraus verschwunden. Ihre Schönheit rührte sein Herz, ja, sie schmerzte sogar.
»Ja. In den letzten Monaten im Seminar war es allerdings aus mit meiner Freude. Was ich auch begann, nichts klappte mehr. Die Lehrer trösteten, daß das normal wäre, aber ich verzweifelte fast.
Jetzt male ich in Öl. Joachim ist mit mir zufrieden. Er ist mein kritischster Lehrer.«
»Wer ist nun Joachim schon wieder?«
»Herr Poppel natürlich. Ich habe schon einige Aquarelle gemalt, stell dir vor, sie wurden sogar verkauft, sehr rasch sogar.
Ich kann es mir leisten, nur zu malen, wenn ich in Stimmung bin. Wer kann das schon sagen? Die meisten müssen ja davon leben. Ich habe wirklich Glück.«
»Laura, denkst du wirklich so? Oder versteckst du dich hinter den Worten? Ist Glück nicht etwas anderes? Sieht Glück nicht anders aus?«
»Du meinst ein Ring am Finger, ein Mann. Ein Mann, der die Steine aus dem Weg räumt und für alles sorgt?
Über diese Träume sind die Frauen von heute hinausgewachsen, Harro. Ich glaube, sie sind selbständiger geworden, als viele Männer wünschen.«
»Ich nicht. Mich quetscht du nicht in die Schablone, in die dein Vater paßt. Ich wünsche mir eine Kameradin, eine Frau, die mit mir durch dick und dünn marschiert. Ich will kein Heimchen am Herd. Ich will eine Frau, die mir ebenbürtig ist. Jetzt lachst du, was habe ich denn Falsches gesagt?«
»Wir wollen nicht streiten, Harro.«
»Du denkst an Luise, daß ich sie nicht heiraten wollte«, ereiferte er sich. »Es wäre mehr oder weniger eine Vernunftehe geworden, von den Eltern arrangiert.«
»Geld zu Geld«, warf sie ein wenig spöttisch ein. Er ging darauf nicht ein.
»Ich habe sie nicht geliebt. Ich weiß das längst. Ja, ich war bereit sie zu heiraten. Du lachst nicht darüber?«
»Ist das etwas, worüber man lachen kann?«
»Ich wäre ihr vermutlich ein guter Ehemann geworden«, behauptete er gekränkt. »Es wäre schließlich nicht die erste Ehe, die aus solchen Gründen geschlossen wird.«
»Aber du wolltest nicht der Zweitbeste sein.«
»Jetzt spottest du doch. Sie muß den Mann schließlich geliebt haben, ich stellte mir vor… ich halte sie im Arm, und sie denkt an den anderen.«
»Auf keinen Fall könnte das dein Stolz zulassen.«
»Ich mag es nicht, wenn du über mich spottest.«
»Du hast recht. Entschuldige. Harro, wir sind die einzigen Gäste im Lokal. Die armen Kellner möchten Schluß machen.«
»Du hast mit den Kellnern mehr Mitleid als mit mir.«
Sie erschrak sichtlich. »Daran habe ich gar nicht gedacht. Du bist auf der Durchreise, das sagtest du doch.«
Er nickte mit unglücklichem Gesicht. Aber ihr entging nicht, wie es in seinen Augen blitzte.
»Du kannst doch nicht die Absicht haben, jetzt noch nach Hause zu fahren. Es wird nicht leicht sein, um dies Uhrzeit ein Hotelzimmer zu bekommen.«
»Darüber habe ich überhaupt nicht nachgedacht. Da siehst du, was du angerichtet hast. Du hast mich total durcheinander gebracht. Schau nicht so unglücklich drein, Liebling. Du mußt dir um mich keine Sorgen machen. Ich schlafe ein paar Stunden im Auto, irgendwo auf dem Parkplatz. Fahren kann ich sowieso nicht mehr. Grundsätzlich setze ich mich nicht hinter das Lenkrad, wenn ich getrunken habe.«
»Hör auf mit dem Theater«, wies sie ihn unwillig zurecht, aber bei dem listigen Blinzeln in seinen Augen legte sich ihr Ärger sofort. »Du weißt genau, daß ich das nicht zulassen werde. Selbstverständlich kannst du bei uns schlafen.«
»Du bist wirklich ein Freund, Laura. Ich bin sogar mit einem unbequemen Sofa zufrieden, ein Sessel genügt auch.«
Über den Tisch hinweg faßte er ihre Hand. »Was für ein Tag! Ich werde ihn in meinem Kalender mit goldenen Punkten versehen. Dann kann ich morgen früh mit dir frühstücken und dein Töchterchen kennenlernen. Ich hoffe, daß ich dir keine Umstände mache.«
»Wir haben in der Mansardenwohnung, in der Herr Poppel wohnt, ein Fremdenzimmer eingerichtet. Es ist immer bereit.«
Daß sich auch in ihrer Wohnung ein Fremdenzimmer befand, das sagte sie nicht. Dort schlief Lauras Mutter, wenn sie zu Besuch kam. Natürlich wurde dann auch Stephanies Kinderbett hineingeschoben. Zum Glück war Her Poppel auf Frau Wagenfeld nicht eifersüchtig.
»Werden wir den alten Herrn nicht aufwecken? Wirklich, Laura, ich begnüge mich gern mit einem Sofa, das hast du doch bestimmt in deinem Wohnzimmer stehen.«
»Mußt du zu Hause anrufen, daß du erst morgen kommst?«
Er winkte dem Kellner, der erleichtert kam. Die Rechnung hatte er auf dem Tablett unter der Serviette liegen.
»Sie machen sich keine Sorgen, sie sind es gewohnt, daß ich komme, wann ich will.«
Nein, dachte Laura bitter, sie würden sich aber Sorgen machen, wenn sie wüßten, mit wem du zusammen bist. Eines war Laura klar, wenn es Luise nicht war, die er heiraten wollte, so hatte seine Mutter längst eine andere Ehefrau für ihn ins Auge gefaßt.
*
Er dehnte die Arme, als die Tür des Lokals ins Schloß fiel. »Welch eine Nacht, Laura. Sieh dir nur die Sterne an. Am Himmel funkelt es, als spielten die Engel mit Diamanten. Sag’, Laura, bist du auch so glücklich wie ich?«
Arm in Arm gingen sie zu Lauras Wohnung. Irgendwo schlug eine Kirchenuhr, die Töne kamen und verklangen in der Stille.
»Horch.« Harro war stehengeblieben. »Ist das eine Nachtigall? Das muß eine Nachtigall sein.«
Er blieb stehen, direkt unter einer altmodischen Laterne, die ihr milchiges Licht über sie warf.
»Laura.« Das Lachen war aus seiner Stimme verschwunden. Den Ausdruck in seinen Augen konnte sie nicht erkennen.
»Ich bin so froh, daß ich dich gefunden habe. Laura, ich habe dich immer geliebt.«
Er legte seine Lippen auf ihren Mund. Ihren Widerstand beachtete er nicht. Sie gab den Kuß nicht zurück. Sie preßte die Lippen zusammen. Enttäuscht gab er sie frei. Er schob seine Hand unter ihren Ellbogen. Er tröstete sich rasch, hatte sofort eine Erklärung für ihren Widerstand.
»Dir hat man sehr weh getan, Liebes.« Mit den Lippen fuhr er über ihre Wange, er mußte den Kopf ein wenig neigen. »Du mußt erst wieder lernen, an die Liebe zu glauben. Dein Herz ist zu Eis erstarrt, da muß jemand kommen, der es zum Schmelzen bringt. Ich muß unter einem guten Stern geboren sein, daß mein Wagen vor dem Geschäft zum Stehen kam.«
Sie sagte nichts, ihre Schritte paßten sich den seinen an, sie waren sich sehr nahe. So vieles verband sie miteinander. Er war ihr vertraut wie ein Bruder. Sie freute sich sehr, daß er gekommen war. Und doch hatte sie Angst.
»Herr Poppel ist noch wach.« Sie zeigte zu den Fenstern hinauf. »Ich hoffe nur, Stephanie hat nicht wieder eine Schau abgezogen. Leider verwöhnt Joachim sie schrecklich, und zum Dank tanzt sie ihm auf der Nase herum.«
»Wartet er immer auf dich, wenn du fortgehst?«
Sie hörte genau die Enttäuschung in seiner Stimme, aber sie hütete sich, darauf einzugehen.
»Nur, wenn er sich in einem Buch festliest oder Stephanie ihn braucht.«
Er sagte nichts. Er nahm ihr den Schlüssel aus