Mami Staffel 13 – Familienroman. Lisa Simon

Mami Staffel 13 – Familienroman - Lisa Simon


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      »So leicht ist er nicht aus der Fassung zu bringen.«

      Laura sah den dunklen Schatten zuerst. Er hockte auf der letzten Treppenstufe, die zum Geschäft führt.

      Zuerst glaubte sie, es wäre ein Mensch, der dort vor der Kühle der Nacht Schutz suchte.

      Nur zögernd ging sie näher, während Harro den Kofferraum seines Autos öffnete.

      Es war ein Hund. Ein großes, zotteliges Tier. Er hielt den Kopf gereckt und sah ihr ängstlich entgegen. Das Licht der Laterne leuchtete in seinen Augen.

      »Was machst du denn hier?« Lauras Stimme klang sanft und mitleidig.

      »Wer ist dort? Laura, sei vorsichtig.«

      »Aber, Harro. Es ist ein Hund. Er muß sich verletzt haben.«

      »Sei vorsichtig«, befahl er noch einmal, wie er auch dem Mädchen Laura Befehle zugerufen hatte. »Wenn er Angst vor dir hat, könnte er zubeißen.«

      »Mich hat noch nie ein Hund gebissen.«

      Ungeachtet ihres eleganten Kleides hockte sie sich hin, daß ihre Augen mit seinen Augen auf gleicher Höhe waren. Sie streckte ihm die geöffnete Hand entgegen, wartete, bis er sie beschnuppert hatte, und legte dann beruhigend die Hand auf seinen Kopf.

      »Du bist eine Hexe«, behauptete er. Harro war es ganz schwach geworden. Er war gewiß nicht ängstlich, aber den Hund hätte er nicht so rasch berührt. »Du hast nicht nur mich verhext, jetzt probierst du deine Kunst an dem armen Kerl.«

      »Hör doch jetzt auf, Unsinn zu reden. Sieh doch nur, wie er zittert. Komm, wir nehmen dich mit«, lockte sie den Hund, der zögernd mit der Zunge über ihre Hand fuhr.

      »Mitnehmen? Wohin denn?«

      »Seit wann bist du schwer von Begriff? In die Wohnung natürlich. Wir können ihn doch nicht hier liegen lassen.«

      Er machte keine Anstalten, sich dem Hund zu nähern.

      »Warum nicht?«

      Sie hockte noch immer auf dem Boden. Der leichte Wind, der durch die dicht belaubten Bäume fuhr, fächelte ihr Haar. Er sah die sanfte Rundung ihrer Wange, und Steine fielen auf sein Herz. Daß Liebe schmerzen konnte, hatte er bisher noch nicht erfahren. Das Schicksal war immer sehr gut zu ihm gewesen.

      »Weil er Hilfe braucht. Er zittert, hat vermutlich Hunger, vielleicht ist er sogar verletzt. Außerdem haben wir einen sehr aufmerksamen Hundefänger in der Stadt, der mit streunenden Hunden kurzen Prozeß macht.«

      Sie bückte sich und hob den Hund auf die Arme. Behutsam stellte sie ihn auf die Beine.

      »Harro sah ihr zu. Er kannte kein Mädchen, das so gehandelt hätte, wie sie es tat. Luise wäre schreiend ausgerissen, wenn dieses zottelige Wesen auf sie zugegangen wäre. Schutz hätte sie in seinen Armen gesucht.

      Laura war schon immer anders gewesen als die übrigen Mädchen.

      »Was für eine Jammerfigur«, stellte Harro jetzt voll Mitleid fest. »Der arme Kerl besteht ja nur aus Knochen.«

      »Er ist verletzt. Sieh doch, wie er hinkt.«

      »Du brauchst ihn nicht zu tragen. Er wird die paar Schritte schon allein schaffen. Wetten, daß dein Herr Poppel an deinem Verstand zweifelt, wenn du neben einem Mann noch einen Hund anschleppst?«

      »Was ist mit dir los, daß du dich mit diesem armen Kerl in einen Topf wirfst?«

      Sie hielt die Hand auf dem Kopf des Hundes, sie hatte Angst, er könnte davonhumpeln. Aber der dachte gar nicht daran. Er hielt sich zitternd an ihrer Seite, das Gehen fiel ihm sichtlich schwer.

      Ganz plötzlich dachte Laura an eine ähnliche Situation. Wie wunderbar hatte Julian sich verhalten. Für ihn war es selbstverständlich gewesen, daß er das verletzte Reh ins Tal brachte, obwohl der Transport sehr schwierig für ihn war. Mit den Skiern an den Füßen, dem Tier auf dem Arm, war er über den unebenen Waldweg gefahren, bis zum Tal hinunter.

      Sie schob den Gedanken daran energisch zurück. Würde sie denn nie vergessen können? Julian hatte ihr die Tatsache natürlich längst voraus. Wenn er überhaupt hin und wieder an sie dachte, dann war sie nichts weiter als eine flüchtige Urlaubsbekanntschaft, ein Flirt, mehr nicht.

      Harro schloß die Haustür auf, er hielt den Koffer, machte aber keine Anstalten, dem Hund zu helfen, der sich sichtbar quälte, die Stufen zu meistern.

      Da bückte Laura sich und hob das Tier auf den Arm.

      »Du wirst dir dein Kleid beschmutzen«, warnte er sie kopfschüttelnd. »Außerdem wird er dir freigiebig seine Flöhe abtreten.«

      Sie antwortete nicht einmal. Die Korridortür wurde geöffnet. »Ich hörte Stimmen.« Herr Poppel war vom langen Sitzen noch ein wenig krummer als sonst. Wie ein grauer Zwerg sieht er aus, dachte Harro. Aber ein wenig unbehaglich war es ihm, als er die Augen des alten Mannes auf sich fühlte.

      Aber nur einen Moment, dann war der Hund auf Lauras Armen wichtiger.

      »Gib ihn mir, er ist doch viel zu schwer für dich.«

      Er nahm ihr das Tier behutsam aus den Armen, vor der Wohnungstür setzte er ihn ab. Mit einer demütigen Geste, die den alten Mann zu Tränen rührte, hob er die Pfote und streckte sie dem Mann entgegen. Der nahm sie behutsam, lächelte auf ihn hinunter, dieses Lächeln hatte er auch für Laura.

      »Er ist ein braver, guter Hund. Wo hast du ihn denn aufgetrieben, Laura?«

      »Möchtest du mich nicht vorstellen, Laura?« Harro war gekränkt, wie er fand, zu Recht. War denn der Hund wichtiger als er? So viel Getue brauchte man um ein Tier nun wirklich nicht zu machen. Auf dem Lindenhof gab es natürlich Hunde. Natürlich war auch, daß sie reinrassig waren und gut gepflegt wurden. Würde er diese Kreatur ins Herrenhaus bringen, seine Mutter und natürlich auch das Personal würden ihn für schwachsinnig halten. Allerdings konnte man so ein Tier zum Förster bringen.

      »Er lag im Eingang des Geschäftes, Joachim. Ich bringe uns einen Gast, wir haben uns verplaudert, jetzt kann er natürlich nicht nach Hause fahren. Er war nur auf der Durchreise, aber dann bin ich ihm über den Weg gelaufen.«

      »Du bringst zwei Gäste, meine Liebe. Sie sind uns beide willkommen.«

      »Das wird Harro aber nicht passen, mit diesem armen Kerl in einem Atemzug genannt zu werden. Komm rein, Harro, setz dich ins Wohnzimmer, du brauchst nur durch die geöffnete Tür zu spazieren, du findest da einiges, was trinkbar ist. Du mußt dich einen Augenblick allein beschäftigen.

      Joachim, wir bringen den Hund am besten in die Küche, dann sehen wir nach, was mit seinem Bein ist.«

      »Das machen wir. Er wird Durst haben. Mit dem Fressen müssen wir vorsichtig sein, wer weiß, wann er das Letzte zwischen die Zähne gekriegt hat. Sie entschuldigen uns bitte, mein Herr.«

      »Er heißt Harro Erdmann.« Sie warf Harro einen belustigten Blick zu und sah genau, daß ihm das alles nicht paßte.

      »Du Armer, du bist natürlich nicht gewohnt, daß du die zweite Geige spielst. Schon gar nicht wegen eines Hundes.«

      »Laura, einen Gast sollte man höflicher behandeln.«

      »Schimpf nicht mit mir, Joachim. Harro kennt mich. Später werden wir beide natürlich sehr nett zu ihm sein. Er ist nämlich ein sehr verwöhnter Mann, der aus einer erstklassigen Familie kommt. Die Erdmanns sind so vornehm, daß der Kaiser nicht einmal wagte, sie in den Adelsstand zu erheben.«

      »Spötterin«, knurrte Harro. Er setzte den Koffer auf den Teppich und zögerte einen Moment, ob er den beiden nachgehen sollte oder nicht.

      Dann siegte die Neugier. Er ging ins Wohnzimmer, blieb auf der Schwelle stehen, sah sich um.

      Die gelbbeschirmte Stehlampe warf ihr gedämpftes Licht über eine behagliche Sitzecke. Die Wände waren holzgetäfelt, eine Wand war mit Bücherregalen bedeckt. Zwischen den Fenstern stand ein Schrank,


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