Sophienlust - Die nächste Generation Staffel 1 – Familienroman. Karina Kaiser

Sophienlust - Die nächste Generation Staffel 1 – Familienroman - Karina Kaiser


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du mich am Wochenende zu diesem Grillfest begleiten?«

      »Ja, warum nicht? Ich komme gern mit. Allerdings hoffe ich, dass es nicht nur Würstchen gibt. Die sind nämlich nicht so sehr meine Leibspeise.«

      »Würstchen gibt es sicher auch«, erwiderte Daniel lächelnd. »Aber die Leute, die dieses Fest veranstalten, geben sich alle erdenkliche Mühe, für alle Gäste das Richtige auf dem Grill zu haben. Im letzten Jahr gab es auch die unterschiedlichsten Steaks, Leberkäse, Rippchen und sogar mehrere Gemüsesorten. Sogar Bananen wurden gegrillt, die nachher auf den Tellern mit Honig verfeinert wurden. Salate und Weißbrote gibt es übrigens auch.«

      Die junge Frau lachte vergnügt. »Du machst mir so richtig den Mund wässrig. Ich freue mich jetzt schon auf das Grillfest. Ist das eigentlich weit von hier entfernt?

      »Nein, mit dem Auto sind wir in zwanzig Minuten da. Ich freue mich übrigens auch schon darauf und bin froh, dass ich nicht ausgerechnet jetzt Wochenenddienst im Krankenhaus habe. Das würde mich wirklich ärgern.«

      »Vielleicht weiß ich am Wochenende ja auch schon ein bisschen mehr über mich«, meinte sie hoffnungsvoll. »Tagtäglich zerbreche ich mir den Kopf und versuche krampfhaft, mich an irgendetwas zu erinnern. Viel Erfolg habe ich damit aber leider nicht. Ich weiß nur, dass es da ein kleines Mädchen gibt, das in meinem Leben eine Rolle gespielt haben muss. Ich sehe oft dieses Gesicht des Kindes vor mir, weiß aber überhaupt nicht, wer es sein könnte.«

      »Claudia.«

      Daniel nahm neben der jungen Frau Platz.

      »Wir wissen doch beide, dass du mit Gewalt nichts erreichen kannst, sondern nur mit Geduld. Du musst deinem Gehirn die Chance geben, sich von ganz allein erinnern zu wollen. Ein kleines bisschen hat es das jetzt doch auch schon getan. Da ist dieses Kindergesicht, das du nicht einordnen kannst, von dem du aber sicher bist, dass es irgendwie zu deinem Leben gehört. Das ist doch schon ein Erfolg, und diesem kleinen Erfolg werden weitere folgen. Wir wissen nur noch nicht, wann das passieren wird. Vielleicht ist das morgen schon der Fall oder erst in vielen Monaten. Darüber haben wir doch schon mehrfach gesprochen. Du bist hier bei mir gut aufgehoben. Es geht uns beiden gut. Wir müssen nur weiterhin Geduld aufbringen.«

      »Ich weiß«, gab sie zu. »Aber manchmal ist es ungeheuer schwer, Geduld zu haben. Du weißt genau, wer du bist und wie dein Leben bisher ausgesehen hat. Ich habe von alledem keine Ahnung, würde es aber auch gerne wissen. Meine Situation ist wirklich nicht leicht zu ertragen. Das kannst du mir glauben.«

      »Das glaube ich nicht nur, das weiß ich. Trotzdem ändert das alles nichts an der Tatsache, dass sich nichts mit Gewalt erzwingen lässt. Jetzt sollten wir uns einfach erst einmal auf das Grillfest am Wochenende freuen und nicht an irgendwelche Probleme denken.«

      Die junge Frau nickte zustimmend und lächelte Daniel zu. Er hatte ja recht. Sie wollte sich nicht ständig über ihre Misserfolge bei der Suche nach ihrer Vergangenheit grämen, sondern das Leben auch ein bisschen genießen und sich über kleine gemeinsame Unternehmungen freuen.

      *

      Das Wetter meinte es gut mit den Veranstaltern und den Gästen des Grillfestes. Die Sonne schien von einem nahezu wolkenlosen Himmel, und die kleinen weißen Wölkchen, die ab und zu auftauchten, wirkten eher dekorativ als bedrohlich. Eine große Wiese ganz in der Nähe des Flugplatzes war als Parkplatz für die Autos der Besucher freigegeben. Daniel stellte seinen Wagen ab und half seiner Begleiterin anschließend galant aus dem Auto. Sie hob den Kopf und schnupperte.

      »Ich kann die leckeren Sachen, die da drüben gegrillt werden, bis hierhin riechen. Mir läuft direkt das Wasser im Mund zusammen. Hoffentlich hältst du mich jetzt nicht für eine verfressene Person.«

      Daniel hakte sich bei ihr unter. »Ich halte dich für eine bezaubernde, charmante und attraktive junge Frau, Claudia, die einen gesunden Appetit mitgebracht hat, so wie es sich für ein Grillfest gehört.«

      Sie lächelte vergnügt, als sie neben Daniel zu dem nahe gelegenen Veranstaltungsplatz schritt. Eine Musikkapelle spielte, an einem Hangar standen kleine Sportmaschinen, für Kinder war eine Hüpfburg aufgebaut worden, in einer Holzhütte konnte man es sich bei Kaffee und Kuchen gemütlich machen, ein riesiger Grill war aufgebaut und für ausreichend Sitzplätze gesorgt worden. Ein Fotograf bot an, Bilder von Besuchern vor einem kleinen historischen Flugzeug zu erstellen. Für diesen Fotografen interessierte sich die junge Frau sofort. Aus der Entfernung warf sie einen prüfenden Blick auf seine Arbeitsgeräte.

      »Dieser Mann ist sicher kein Amateur«, raunte sie Daniel zu. »Bei den beiden Kameras, die auf seinen Stativen stehen, handelt es sich um extrem teure Geräte, und damit meine ich nur die Gehäuse. Die Objektive sind nahezu unbezahlbar für einen Amateurfotografen. Dieser Mann muss ein Profi sein.«

      Daniel schaute seine Begleiterin fassungslos an. »Woher weißt du das alles? Ich kann an den Kameras keine Besonderheiten feststellen. Du scheinst dich allerdings bestens auszukennen.«

      »Stimmt«, bestätigte sie. »Darüber bin ich jetzt selbst ziemlich erstaunt. Ich habe keine Ahnung, woher ich diese Kenntnisse habe. Sie sind einfach da. Bin ich selbst vielleicht eine Fotografin gewesen? Wenn es so ist, kann ich mich daran aber nicht erinnern.«

      »Vielleicht fällt dir wieder etwas ein, wenn wir beide uns fotografieren lassen«, meinte Daniel. »Komm mit, wir versuchen es einfach. Vielleicht haben wir Glück.«

      Sie war mit diesem Vorschlag einverstanden, und so ließen sie gleich drei Fotos von sich machen. Anschließend betrachteten sie die Bilder.

      »Ja, genauso hätte ich es auch gemacht«, erklärte die junge Frau. Die Verteilung von Licht und Schatten ist ideal. Dadurch entsteht eine sehr schöne Stimmung. Ich weiß genau, wie man eine Kamera einstellen muss, um solche Fotos zu bekommen. Aber ich kann wirklich nicht sagen, woher ich diese Kenntnisse habe. Unser Versuch hat leider nicht funktioniert. Ich habe an nichts eine Erinnerung.«

      »Sei nicht traurig, Claudia«, riet Daniel. »Es war nur ein Versuch. Der hat nicht viel gekostet, und wir haben ein paar sehr hübsche Fotos von uns beiden bekommen. Allein das ist doch auch schon schön.«

      Trotz der tröstenden Worte blieb die junge Frau ein bisschen betrübt. Aber sie freute sich trotzdem auf ein leckeres Steak vom Grill. Während Daniel zum Grill hinüberging, um zwei Steaks für sich und seine Begleiterin zu besorgen, nahm sie auf einer der Bänke in der Nähe Platz und schaute sich um. Als Daniel zurückkam, fiel ihr Blick auf ein recht großes Lagerfeuer unweit der Landebahn, über dem ein großer Suppenkessel angebracht war.

      Die junge Frau wusste selbst nicht, wieso sie plötzlich so angespannt in die Flammen blickte. Gleichzeitig nahm sie ein Sportflugzeug wahr, das gerade die Landebahn ansteuerte. Die Motorgeräusche dröhnten in ihren Ohren, und sie wurde urplötzlich von Panik erfasst. Dass Daniel ihr gerade den Teller mit dem Steak reichen wollte, nahm sie überhaupt nicht wahr.

      »Das Flugzeug«, stöhnte sie. »Es stürzt ab! Ich kann keine Fotos mehr machen. Meine Kameras werden weggeschleudert. Ich werde aus dem Flugzeug katapultiert. Die Maschine überschlägt sich. Sie brennt!« Abwehrend streckte sie die Hände von sich. »Müssen alle sterben, nur ich nicht? Aber alles tut weh! Die Schmerzen sind entsetzlich. Doch daran darf ich nicht denken. Ich muss nach Hause zu Kira. Sie wartet doch bei Ellen auf mich! Ich muss zu ihr zurück und zwar sofort!«

      Daniel entging nicht, dass die junge Frau im Augenblick nur noch körperlich anwesend war. Ihre Gedanken weilten ganz woanders, genau dort, wo sie ihr Gedächtnis verloren hatte, offensichtlich bei einem Flugzeugabsturz. Hastig stellte er die Teller mit den Steaks, die er noch immer in den Händen hielt, auf einem Bänkchen ab und wandte sich ihr zu.

      »Wie heißt du, und wer ist Kira?«, fragte er eindringlich und hoffte, dass seine Begleiterin die Worte verstand.

      »Ich bin Liane Eichhöfer und arbeite freiberuflich als Fotografin. Kira ist meine Tochter. Sie ist neun Jahre alt. Mein Mann ist vor einigen Jahren gestorben. Ich bin nach Kärnten geflogen und sollte dort eine Ferienanlage von einem Flugzeug aus fotografieren. Dann kam dieser Vogelschwarm auf das Flugzeug zu. Es ist abgestürzt. Wir hatten Angst und haben geschrien.


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