Der Bergpfarrer Staffel 20 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer Staffel 20 – Heimatroman - Toni Waidacher


Скачать книгу
Mann. »Monika ist ja eine liebe Person, und eigentlich kann ich den Vater schon irgendwie verstehen. Nur kann ich net ertragen, dass er meine Mutter so schnell vergessen hat.«

      »Aber geh, er hat sie doch net vergessen! Nach über zehn Jahren verliert die Trauer um den Verlust eines geliebten Menschen seinen Schmerz. Es bleibt eine Wehmut, die nie endet. Dennoch heißt das net, dass man sein Leben auch beenden muss. Gönn ihm doch seine Familie. Wie lang wird’s dauern, dann hast du auch deine Familie, und dein Vater bleibt allein zurück.«

      »Das hat er auch gesagt.«

      »Und er hat recht. Glaub mir, Klaus, es ist net in Ordnung, wenn du dich gegen ihn stellst. Das hat er net verdient. Jeder Mensch braucht ein bissel Liebe, einen anderen, der zu ihm gehört und zu ihm hält.«

      »Na ja, das mit Carola zeigt ja wohl, dass das auch danebengehen kann«, wandte Klaus ein. Ein trauriger Blick streifte das Grab der Mutter. Doch zu seiner Überraschung merkte er, dass auch sein Schmerz mit einem Mal anders geworden war, sich während der Unterhaltung mit Sebastian Trenker verändert hatte.

      »Wer sucht, kann verlieren. Wer net sucht, hat schon verloren. Daran musst immer denken. Wie würde es dir gefallen, wenn sich dein Vater auf dem Hof verkriechen und immer nur um deine Mutter trauern würde? Was hättest du davon?«

      Klaus schwieg, offensichtlich dachte er noch immer nach. »Kann schon sein«, räumte er nach einer Weile ein. »Monika ist ja wirklich eine nette und dazu bildhübsche Person. Nur ihre Tochter…«

      »Was ist mit Martina? Sie ist ein Madl aus der Stadt, und trotzdem hat sie sich in den Wochen, die sie hier lebt, schon recht gut dreingefunden. Sie geht einkaufen, redet mit den Leuten, und man hat das Gefühl, als hätte sie schon immer in St. Johann gelebt.«

      »Merken S’, was ich meine?« Klaus war schon wieder voller Zorn. »Sie schmeichelt sich überall ein, alle mögen sie, und im Geheimen plant sie…«

      »Geh, was plant sie denn?« Sebastian lachte leise vor sich hin. »Welche Möglichkeiten hat sie denn, etwas zu planen? Glaubst denn wirklich, sie will dich aus deinem Heim ekeln?« Er schaute Klaus forschend ins Gesicht. »Verliebt hast dich in sie, und das willst für dich net akzeptieren.«

      »Ich und verliebt?« Klaus spürte, wie es ihm heiß ins Gesicht stieg vor Wut. Am liebsten hätte er den Mann vor sich in diesem Moment an den Schultern gepackt und einfach geschüttelt. »Ich glaub, das hier ist net der richtige Ort, um solche Dinge zu besprechen. Aber verliebt hab’ ich mich ganz gewiss net, net in eine aus der Stadt.«

      »Ist schon recht«, murmelte Sebastian vor sich hin und schüttelte mit einem kaum merklichen Lächeln den Kopf. »Du musst selbst drauf kommen, was Sache ist. Aber steigere dich net in solch einen Unsinn hinein, der dir das Leben nur unnötig schwer macht. Hör auf meinen Rat.«

      Klaus nickte geistesabwesend. »Schönen Abend auch noch«, murmelte er. Dann ging er mit raschen Schritten auf das Friedhofs­tor zu.

      In seinem Innern rebellierte es gegen die Vermutung des Bergpfarrers. Er sollte sich in Martina verliebt haben! Dass er nicht lachte. Einen größeren Unsinn hatte er schon lange nicht mehr gehört. Ausgerechnet in diese berechnende Großstadtpflanze. »Eher blü­hen im November die Osterglocken«, sagte er leise vor sich hin. Und plötzlich musste er lachen, einfach so. Aber den Grund dafür kannte er nicht.

      *

      »Das hättest net gedacht, Schwesterchen, dass mein Vater dir hier einen roten Teppich ausrollen und eine gut bezahlte Arbeitsstelle anbieten würde, net wahr?« Der Spott tropfte nur so aus den Worten von Klaus Anstätter. »Mein Vater hatte schon immer ein mitleidiges Herz mit den Armen«, fügte der Mann noch hinzu, weil er das Gefühl hatte, seine Worte hätten Martina gar nicht erreicht.

      »Lass mich zufrieden, Klaus. Ich will weder die Arbeit in dem geplanten Gästehaus noch will ich was von eurem Geld. Und damit du es gleich weißt, ich werde nach der Hochzeit sofort von hier verschwinden. Schau zu, wie du allein mit der vielen Arbeit fertig wirst. Auf mich brauchst jedenfalls net zu zählen.« Hastig wandte sich Martina ab und verließ wie von Furien gehetzt den Stall, wo sie eben das Federvieh hatte füttern wollen.

      Verwundert blickte Klaus ihr nach. Eigentlich hatte er auf einen saftigen Streit gehofft, denn er liebte es, Martina aufzuregen und zur Verzweiflung zu bringen. Sie war wunderschön, wenn sie zornig war, und wenn es in ihren Augen dann feucht schimmerte, hatte er ein angenehmes Machtgefühl in der Magengegend.

      So bösartig kannte Klaus sich gar nicht. Manchmal fragte er sich sogar, was denn in ihn gefahren war, dass er der Frau das Leben hier so sauer machte. Es war ganz gewiss Platz für alle auf dem Hof, und Arbeit gab es ebenfalls mehr als genug. Und dennoch kam er nicht dagegen an, er musste den Platzhirsch spielen und versuchen, alle anderen zu vertreiben.

      Martina hatte jedenfalls genug. Keine Minute länger als unbedingt nötig wollte sie hierbleiben, wo sie nicht einmal mehr geduldet wurde. Verzweifelt hielt sie Ausschau nach der Mutter, doch ihre Augen waren tränenblind. Sie konnte kaum etwas von ihrer Umgebung sehen.

      »Himmel, Tina, was ist denn? Du siehst aus, als müsstest du dich sofort mit hohem Fieber ins Bett legen. Dabei ist so ein schöner Abend. Paul und ich werden gleich noch einen Spaziergang nach einem harten Arbeitstag unternehmen.« Monika war unbemerkt aus der Dämmerung getreten und legte nun einen Arm um die Schultern ihrer Tochter. »Was hast denn, Kind? Du zitterst ja am ganzen Leib. Ist dir kalt? Ich glaub, ich bring dich erst einmal ins Bett. Und wenn es mit einer Wärmflasche net besser wird, dann holen wir den Doktor. Aber so kann es net weitergehen.« Besorgnis schwang in ihrer Stimme mit.

      »Es geht schon, Mutterl«, antwortete Tina ausweichend, dann brach alles aus ihr heraus: »Ich wollte dir auch nur sagen, dass ich es auf diesem Hof keine Minute länger als unbedingt nötig aus­halten kann. Gleich wenn ihr

      zur Hochzeitsreise aufgebrochen seid, werde ich zurückfahren nach Starnberg. Leider kann ich in diesem Punkt auch keine Rücksicht auf dich nehmen.«

      »Du musst auf mich keine Rücksicht nehmen, Kind. Das hab’ ich nie von dir verlangt«, versuchte Monika, ihre aufgeregte Tochter zu beruhigen. »Aber magst du mir net sagen, was vorgefallen ist?«

      »Es geht nur um Klaus, er kann mich net leiden, und ich merke jeden Tag, wie er sich mehr und mehr bemüht, mich von hier wegzuekeln. Jetzt hat er sein Ziel erreicht! Ich gehe, wenn die Feier vorbei ist.«

      »Was hat er denn jetzt schon wieder angestellt?«

      »Das kann ich dir gar net so genau sagen. Es sind seine Worte, seine Blicke. In seiner Gegenwart fühle ich mich net nur wie ein Eindringling, sondern auch gleich noch wie ein Erbschleicher, als hätte ich es auf sein Geld abgesehen. Was glaubt denn der, wer ich bin? Ich hab’ einen tollen Job, verdiene meinen Lebensunterhalt ganz alleine und muss net hier in der Einsamkeit von St. Johann versauern. Ich leb eh lieber in der Stadt.« Trotzig warf sie den Kopf zurück, dass ihre blonden Haare nur so flogen.

      »Ja, das stimmt alles, und Klaus weiß das bestimmt. Weiß der Himmel, welcher Teufel ihn von Zeit zu Zeit reitet, dass er sich so daneben benimmt. Vielleicht solltest du ihn die nächsten Tage einfach mal ignorieren. Könnte sein, dass das mehr bringt, als wenn du auf seine Sticheleien eingehst.«

      »Ich hab’ bereits alles versucht, hab’ rebelliert, bin ihm aus dem Weg gegangen, war nett zu ihm. Nichts! Mit dem Kerl ist einfach kein Auskommen. Er ist bös’, und daran wird sich auch nichts ändern, wenn ich noch irgendeine andere Taktik versuche. Ich hab’ die Nase voll. Er hat gewonnen, und ich gehe. Hoffentlich gibt er dir dann wenigstens Ruhe.« Tina atmete schwer vor innerer Erregung.

      »An mir wird er sich die Zähne ausbeißen«, antwortete ihre Mutter lächelnd, dann blickte sie jemanden an, der hinter Tina stand, und nickte kurz. »Kann ich dich allein lassen, Liebes?«, fragte sie Tina dann.

      Martina drehte sich um. Paul stand lächelnd da und beobachtete die beiden Frauen mit liebevollem Blick. »Sollen wir daheim bleiben?«, fragte er Monika mit einem besorgten Blick auf Tina.

      »Sollen wir?«, fragte Monika ihre Tochter. »Wenn du willst, bleib ich bei dir, und wir setzen


Скачать книгу