Games | Game Design | Game Studies. Gundolf S. Freyermuth
der Spieleentwicklung
Prinzip Weltenbau
III GAME STUDIES
EINLEITUNG
1 VON DEN THEORIEN ANALOGER ZU DEN THEORIEN DIGITALER SPIELE
Vorindustrielle Theorien des Spiels und des Spielens
Industrielle Theorien des Spiels und des Spielens
2 DIE SCHISMEN DER GAME STUDIES
Sedimentative Ansätze: Game-Design-Theorien
Exaptative Ansätze 1: Sozialwissenschaftliche Theorien
Exaptative Ansätze 2: Geisteswissenschaftliche Theorien
3 DESIDERAT: DIE ÜBERWINDUNG DER SCHISMEN
Sehnsucht nach Synthese
Adaptative Ansätze
4 FORSCHUNGSPERSPEKTIVEN 1: DIGITALE SPIELE
Mechanics
Story
Aesthetics
Technology
Transmedia
5 FORSCHUNGSPERSPEKTIVEN 2: SERIOUS GAMES
Mechanics, Story, Aesthetics, Technology, Transmedia
Gamifikation
Opposition zum Industrialismus
EPILOG
AKADEMISIERUNG UND ÄSTHETISCHE PRODUKTION
Games-Ausbildung in Deutschland
Struktur einer grundständigen Ausbildung
Konsequenzen der Akademisierung
QUELLEN
Prolog
Spiele(n), Spiele machen, Spiele denken
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts erleben wir – als Zeitzeugen wie als Protagonisten – die ästhetische Ausbildung und den kulturellen Aufstieg digitaler Spiele. Wie die früheren audiovisuellen Leitmedien Theater, Film und Fernsehen prägen sie nun als zentrale audiovisuelle Ausdrucks- und Erzählform digitaler Kultur unsere Welt- und Selbstwahrnehmung. Parallel zu diesem Wandel und in direktem Zusammenhang mit digitalen Spielen bilden sich zwei weitere neue Bereiche und Praktiken aus:
In der Produktion von Software entwickeln sich neue teils handwerkliche, teils künstlerische Verfahren. Sie werden unter den Begriffen Mediendesign und speziell Game Design gefasst. Wie sich digitale Spiele von Spielfilmen durch Dramaturgien und Darstellungsweisen unterscheiden, die der Tendenz nach nonlinear und iterativ sind, so unterscheiden sich ebenfalls die Design-Praktiken der Spieleproduktion von den linearen Abläufen zumindest der analogen Filmproduktion.
Gleichzeitig entsteht eine neue akademische Disziplin, die analytisch-kritische Auseinandersetzung mit digitalen Spielen. In Anlehnung an die englischsprachigen Termini für die Wissenschaften von Medien und Künsten – etwa Literary Studies, Film Studies, Design Studies – sprechen wir von Game Studies.
Der vorliegende Band versucht daher eine sowohl historische wie theoretische Einführung in Dreierlei: in die Entstehung und Geschichte des neuen Mediums digitaler Spiele, in die innovativen Verfahren ihrer Produktion sowie in die sich ausbildende Disziplin ihrer wissenschaftlichen Erforschung. Im Zentrum stehen die grundlegenden Fragen:
Wie entstanden digitale Spiele und wie stiegen sie zur zentralen audiovisuellen Ausdrucks- und Erzählform digitaler Kultur auf?
Wie entwickelten sich die Verfahren der handwerklich-künstlerischen Produktion und wie sieht die gegenwärtige Praxis des Game Designs aus?
Wie formierte sich die wissenschaftliche Analyse der sozialen Wirkung und kulturellen Bedeutung digitaler Spiele, wo stehen die Game Studies heute und in welche Richtungen entwickeln sie sich?
Skizzieren werde ich in drei Hauptkapiteln die mediengeschichtlichen Entwicklungsphasen analoger und digitaler Spiele (I Games), die Geschichte und künstlerischen Praktiken ihrer Herstellung im Kontext analogen und digitalen Designs (II Game Design) sowie die wichtigsten Ansätze und Forschungsfragen ihrer Analyse aus den unterschiedlichen Perspektiven der Game-Design-Theorie, der Sozial- und der Geisteswissenschaften (III Game Studies). Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem wechselseitigen Verhältnis von Game Design und Game Studies in der künstlerisch-wissenschaftlichen Ausbildung und Forschung.
Vorweg sind zwei Begriffe zu klären, die dieser Band bereits in seinem Titel trägt: Games und Game Design. In den Game Studies gibt es einige Diskussionen, welcher Terminus ihren Gegenstand am besten beschreibe – Computerspiel, Videogame, Game, digitales Spiel. Dabei konnotiert Computerspiel im Deutschen primär PC-Spiele und kaum solche, die auf Konsolen, Tablets oder Smartphones gespielt werden. Videogame konnotiert alle Spiele, die mit bewegten Bildern arbeiten, also auch vordigitale Spiele wie TENNIS FOR TWO (1958) oder analoge Arkadenspiele der sechziger und siebziger Jahre. Entsprechende Überlegungen finden sich z.B. bei Jesper Juul und Tristan Donovan.1 Beide Autoren haben sich aus unterschiedlichen Gründen für den im Englischen eingeführten Begriff Videogame entschieden. Ich werde dagegen, um die Konzentration auf Spiele zu betonen, die auf digitaler Technologie basieren, primär von digitalen Spielen sprechen und parallel dazu den Begriff Game synonym benutzen, da er sich im Deutschen (anders als im Englischen) nur auf digitale Spiele bezieht.
Nicht minder ungeklärt ist der Gebrauch des Terminus Game Design. Eine wesentliche Ursache dafür ist der Umstand, dass es zu einer gänzlichen Kodifizierung der arbeitsteiligen Rollen, wie sie in Theater, Film und Fernsehen existieren, in der Herstellung von Games noch nicht gekommen ist. Game Design wird daher doppeldeutig verwendet: als Bezeichnung für den gesamten Produktionsprozess im Sinne von Spieleentwicklung, oft aber auch als Bezeichnung für das spezifische Arbeitsfeld der Spielekonzeption neben anderen Gebieten, etwa der Game Arts oder der Informatik.2
Der Titel dieser Einführung verwendet den Begriff deutlich im ersten, dem synekdochischen Sinne: Es geht um digitale Spiele, ihre Produktion und ihre Analyse. Ein zentraler Aspekt dieser Herstellung ist freilich Game Design im engeren zweiten Sinne. Von ihm wird auch wesentlich im Kapitel II Game Design die Rede sein.
SPIELE(N) – GAMES
In seinem »Manifesto for a Ludic Century« stellt der Game Designer und Game-Design-Theoretiker Eric Zimmerman die These auf, zwischen den fundamentalen Eigenschaften digitaler Technologie und den fundamentalen Eigenschaften analoger wie digitaler Spiele bestehe eine strukturelle Affinität: »Games like Chess, Go, and Parcheesi are much like digital computers, machines for creating and storing numerical states. In this sense, computers didn't create games; games created computers.«3 Darüber hinaus befördere digitale Vernetzung die Etablierung immer komplexerer Informationssysteme. Für eine solchermaßen von Systemen geprägte digitale Kultur seien Spiele daher das ideale, weil ebenfalls systemische Medium:
»[G]ames are dynamic systems […] While every poem or every song is certainly a system, games are dynamic systems in a much more literal sense. From Poker to Pac-Man to Warcraft, games are machines of inputs and outputs that are inhabited, manipulated, and explored.«4
Film und Fernsehen, die Leitmedien des 20. Jahrhunderts, schreibt Zimmerman, entsprachen in der Linearität ihrer passiv zu rezipierenden Audiovisionen den Informations- und Unterhaltungsbedürfnissen industrieller Arbeit und Kultur. Mit der Digitalisierung