Das war's. Letzte Worte mit Charles Bukowski. Gundolf S. Freyermuth
kein ferner Gott oder König, sondern ein Narbengesicht, in dessen Nachbarschaft man sich wünschte.
“Ich war baßerstaunt, wie freundlich und höflich dieser angeblich ‘wilde Mann’ war”, erinnert sich der Schriftsteller John Rechy an seine erste Begegnung mit Bukowski: “Ich ging mit der Einsicht, daß Bukowskis rauhes Image so sorgfältig gepflegt war wie der Glamour-Schein um Andy Warhols ‘darling’-Truppe ...” Er blieb nicht der einzige, den Bukowski überraschte. Renee Tajima koproduzierte den Dokumentarfilms “Best Hotel on Skid Row”, zu dem Bukowski den Kommentar schrieb und sprach. “Er war wirklich unglaublich”, sagt sie. “Ich dachte, er würde sich wie ein Monster benehmen, weil er doch über sich selbst schreibt, als wäre er der totale Frauenfeind, ein komplettes Monster, aber in Wirklichkeit ist er ein wunderbarer, ein einfach wunderbarer Mensch.”
Die meisten, Kritiker wie Fans, die ihm persönlich begegneten, machten irritierend normale Erfahrungen wie diese. Nachdem “Bukowski, der Mythos” erst einmal etabliert war, drohte der Autor zum Gefangenen seiner eigenen Texte und auch Inszenierungen zu werden - weshalb er selbst früh die Demontage seines Mythos betrieb.
“Ich habe nie gesagt, ich wäre der schreibende Bogart oder der beste seit Hemingway. Das besorgen die Zeilenschinder”, sagte er bereits 1977, “es ist ihr Geschäft, und wahrscheinlich leben sie nicht schlecht dabei.”
So einfach und direkt hätte sich “Bukowski, der Mythos” vielleicht dementieren lassen, stellte er einzig ein Kunstprodukt dar, entstanden aus der geschickten Zusammenarbeit zwischen Dichter und Medien. Doch mehr als auf seinem - reichlich veröffentlichten - Privatleben beruhte Bukowskis Ruf auf seinen Texten. Die “autobiographische Falle”, in der er sich gefangen fand, hatte er herbeigeschrieben. Allerdings nicht aus Versehen oder Ungeschick. Mit der literarischen Fiktionalisierung des Privaten geht zwangsläufig die Mythisierung und damit Neukonstruktion der realen Autorenperson in einem intertextuellen Kaleidoskop einher. Sich selbst von dem (Zerr-) Bild verletzt zu finden, das die eigenen Texte entwerfen, stellt gewissermaßen eine Berufskrankheit dar. Unter ihr leiden Schriftsteller, die sich in das Genre der autobiographischen Fiktion wagen, wie Bergleute unter Staublunge.
Als literarische Schreibweise ist autobiographische Fiktion neueren Datums, weitgehend ein Produkt des zwanzigsten Jahrhunderts. Autoren wie Marcel Proust und Céline haben sie in der europäischen Moderne entwickelt. In den amerikanischen Kulturbereich wurde sie von Amerikanern in Paris eingeführt, von Hemingway und stärker noch von Henry Miller. Die Konsequenzen, die sich aus ihr - verstärkt durch die wachsende Medialisierung des Alltags - ergeben, haben beide am eigenen Leib erfahren müssen; wie ein paar Jahrzehnte später Bukowski. Ihm gelang es, für eine Weile immerhin, ironisch zu bewältigen, was Hemingway an sich hatte zweifeln und zuguterletzt verzweifeln lassen. Dabei mag Bukowski das spezifische Verhältnis geholfen haben, in dem sein Leben und Schreiben zueinander standen. Während Hemingway die Fiktion autobiographisierte, unternahm es Bukowski, seine Autobiographie zu fiktionialisieren. Die Konsequenzen, die dieses Unternehmen für seine eigene Person hatte, gleichen dem Schicksal von Henry Miller.
“Er begann sein Leben als ein menschliches Wesen”, schreibt dessen Biograph Robert Ferguson, “und nach einer Serie von überraschenden und manchmal gewagten Abenteuern erfüllte er die selbstgestellte Aufgabe und verwandelte sich in ein seltenes Mischwesen aus Mann und Buch.”
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