Human Punk For Real. Marco Thiede

Human Punk For Real - Marco Thiede


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       Marco Thiede

       HUMAN PUNK

       FOR REAL

      – FUEGO –

      – Über dieses Buch –

      Ich war noch keine zwölf Jahre alt, als ich 1976 das erste Mal von diesem „Neuen Ding“ aus England hörte: Punk Rock! Etwas ganz neues, rotziges, revolutionäres. Eine musikalische und verbale Revolution gegen das Establishment! Ein Faustschlag, mitten ins Gesicht vom dahinsterbenden Love Song-Gedudel! Ich war sofort fasziniert oder besser gesagt: infiziert!

      Es fing an mit den Sex Pistols und The Damned – doch als ich Jean Jaques Burnels Bassgitarre bei „Good bye Toulouse“ von den Stranglers hörte, war es komplett um mich geschehen! Bis heute hat Punk für mich seine Power und Energie nie verloren, und ich liebe all diese Songs wie am ersten Tag!

      In diesem Buch möchte ich die Anfänge der Punk-Bewegung in Bremen beschreiben. Über die ständigen Auseinandersetzungen mit rechten Skinheads, und wie man jeden Penny zusammenkratzte, um nur bei jeder guten Show dabei zu sein – zuerst in Bremen, dann in anderen deutschen Städten, dann im gelobten England, sowie später in Kalifornien.

      Für mich ist es heute noch ein niemals endendes Abenteuer, und ich bin letztendlich 2012 in der Bay Area „gelandet“.

      Ich werde im Dezember 2014 fünfzig Jahre alt, und Punk Rock ist nach wie vor die einzige Art von Musik, die mir ständig Gänsehaut macht. Und das wird sich, wie bei vielen „Infizierten“, bis zum letzten Atemzug auch nicht mehr ändern!

       Vorwort

      Was für eine Nacht - nahezu drei Stunden kreisten irgendwelche Helikopter über unserem Haus in Vallejo, einer Kleinstadt in Kalifornien, nahe Oakland und San Francisco. Ich lebe nun schon seit Oktober 2012 hier, fernab von meiner doch eher kalten Heimat in Deutschland.

      Völlig gerädert, schleife ich meinen müden Körper aus dem Bett und freue mich auf den ersten Kaffee.

      Ich schaue aus dem Fenster und beobachte eine alte Frau, die gerade in der Ryder Street an unserem Haus vorbei schlendert. Die Frau hat etwas zigeunermäßiges und erinnert mich an meine längst verstorbene Oma aus Bremen-Nord.

      Oma Thiede lebte direkt an unserer Haushälfte in Bremen-Aumund, und mit der alten Dame war nicht gerade zu spaßen. Naja, und sie war nun wirklich alles andere als eine Dame...

      Mein Opa war einer der eher besser situierten aus dem Kreis Aumund-Vegesack. Er war der erste in dem Ort, der so was wie einen kleinen Lastwagen besaß. Als er dann meine Oma heiratete, war es schnell vorbei mit dem „besser situierten”. Sie zeigte ihm schnell den Mittelfinger in Sachen aufräumen und alles andere was den Haushalt anbelangte. So dauerte es nicht lange und beide fingen das Saufen an. Gesoffen hatten beide schon immer, aber nach der Hochzeit ging‘s nur noch in eine Richtung: Bergab!

      Nach einigen Jahren verwahrlosten beide immer mehr und als kleine Kinder bekamen meine beiden älteren Geschwister und ich den Terror von nebenan immer mehr zu spüren.

      Ständig flogen irgendwelche Flaschen ans Äußere unserer Zimmerwände, wo auf der anderen Seite unsere Oma und Opa, wie wild, tagtäglich auf sich einschlugen.

      Mein Vater, der das komplette Gegenteil war, konnte einem dabei schon leidtun. Es dauerte nicht lange und es trieb sich übelstes Trinkervolk nebenan herum. Fensterscheiben wurden durch Holzplatten ersetzt, und des Öfteren stand auch schon mal der eine oder andere Mannschaftswagen der Polizei vorm Haus.

      Während die Autos damals mit Tempo 50 durch unsere Straße rasten, bremsten alle vor dem Haus unserer Großeltern ab, um zu sehen, was gerade wieder aus dem Fenster flog, oder ob irgendwas im Vorgarten demoliert wurde.

      Oma und Opa Thiede waren in Bremen-Nord schon ein Gesprächsthema.

      Zwei Häuser weiter wohnten meine Großeltern mütterlicherseits, die zum Glück weitaus angenehmer waren. Damals gab es dort einen großen Obstgarten mit Misthaufen und Kaninchenstall. Als Kinder hatten wir in unserer Siedlung gute Möglichkeiten uns auszutoben. Nicht sehr weit war ein kleines Waldgebiet und ein nahegelegener Tümpel, wo ich oftmals wie ein Besessener Frösche und Molche fing.

      Nebenan bei meiner Oma lebten auch meine beiden älteren Cousins und meine gleichaltrige Cousine. Die konnten einem bei dem Treiben nur leidtun. Meine Tante Giesela, deren Mutter, war wohl teilweise Prostituierte und Hardcore-Alkoholikerin. Ihr Mann, Onkel Willie, war eigentlich Seemann irgendwo bei Bremerhaven, widmete sein Leben aber mehr oder weniger exzessiv dem, was der Rest der Familie schon bevorzugte.

      Meine Cousins endeten nach einer Weile in einem nahegelegenen Heim, in Bremen-Aumund.

      Ich nahm noch einen Schluck von meinem Kaffee, als mir dieser dämliche Helikopter wieder in die Gedanken kam. Die Cops schienen wohl irgendjemanden durch die Hintergärten zu jagen.

      Vallejo hat nicht grad den besten Ruf, was krimineller Geschichten angeht.

      Als ich kürzlich, mehr oder weniger durch Zufall, auf einen deutschen Stammtisch in einer Kneipe in Napa Valley traf, erschraken alle Anwesenden als ich denen berichtete, dass ich in Vallejo lebe.

      Alle anwesenden älteren Omis versicherten mir, dass wenn sie nach Vallejo oder Oakland fahren, sie immer ihren Revolver in der Handtasche dabei haben. Ich konnte mir das Grinsen kaum verkneifen und dachte mir nur im Stillen: was ich wohl mehr fürchten muss - die bis an die Zähne bewaffneten deutschen Omas, oder irgendwelchen ansässigen Crackheads?

      Aber wieder zurück zu meiner Kindheit.

      Bei einem Leben mit drei Fernsehkanälen war der Alltag, abgesehen von dem was nebenan passierte, eher unspektakulär. Als kleiner Knabe musste ich leider immer essen was auf den Tisch kam, ob ich es mochte oder nicht. Ab und zu gab’s bei uns auch mal Kaninchen, aber aus irgendeinem Grund war das nie so mein Fall. Bis ich eines Tages mein eigenes Kaninchen namens „Max“ auf den Teller hatte, ab da war Kaninchen, mein Lieblingsessen! Normalerweise läuft so etwas, gerade in der Kindheit, eher in die andere Richtung...

      Meine Mutter zwängte mich als kleinen Stepke ständig in kratzige Strumpfhosen, in denen ich teilweise nur wie ein Roboter agieren und funktionieren konnte. Noch heute verfolgt mich eine Kratzphobie beim Einkaufen oder Anziehen von neuen Hosen. Es dauerte Jahre bis die Jeanshose endlich meiner Cordhose den Rang ablaufen konnte.

      Irgendwann fing mein Vater in unserem Garten an, ein neues Haus zu bauen, was aber einige Jahre dauerte. Den Terror von unseren Großeltern konnte man dann endlich mit etwas Abstand genießen.

      Trotzdem nahmen die Saufeskapaden weiter ihren Lauf, mit immer mehr schrägen Schlägertypen und diversen finsteren Gestalten. Man sah schon gelegentlich irgendeinen neuen Gastzecher, mit neuem blauem Auge, oder mit selbstgenähten Narben im Rambostyle. Bei dem einen oder anderen Einbruch in nahegelegene Kioske oder Tante Emma Läden, sprang schon manchmal was für uns Kinder raus, etwas wofür das gemeine Zechertum keine Verwertung hatte.

      Ich fand schon als junger Spund meine Vorliebe fürs Fußballspielen und bolzte mit meinen Kumpels bei Wind und Wetter auf jeder nur erdenklichen Grünfläche. Dies wiederum führte zu einigen Konflikten mit weniger begeisterten Nachbarn, die direkt an den Grünflächen wohnten. Deshalb traten viele Stepkes unserer Siedlung dem ansässigen Fußballverein Eintracht Aumund bei.

      Dort blieb ich dann als Verteidiger bei den E-Knaben, bis eine Knieverletzung die Fussballvereinskarriere als hoffnungsvoller Goalgetter in der C-Jugend beendete.

      1974 wurde Deutschland Weltmeister. Das war das erste Mal, dass ich meine komplette Familie nach dem gewonnenen Endspiel auf der heimischen Couch tanzen sah! Die Vorstufe zum Pogo?

      Gerd Müller vom FC Bayern wurde zu meinem Fußball-Idol, was meiner Vorliebe zum FCB noch bis heute zu gute kommt.

      Anmerkung: Mir fällt dabei auf, das alle, die wie ich 64er Baujahr sind, standhaft ergebene treue Typen sind. Man steht zu seiner Sache und schwimmt nicht im ständigen Wechselstrom, wie viele


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