Human Punk For Real. Marco Thiede

Human Punk For Real - Marco Thiede


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am Zeh“.

      Vom gleichen Kaliber wie die Sippen-Mitglieder waren auch GG, oder Sven Dröhnung (RIP), ebenfalls griechischer Abstammung, der manchmal auch ziemlich schnell mit dem Messer dabei war.

      1981 hatte es wirklich in sich. Umso merkwürdiger klingt es, dass ich dann mit ‘nem Skinhead und seiner bekloppten, nervigen Punkperle nach London gefahren bin.

      Stefan S. (RIP) aus Bremen-Nord war ein äußerst netter Mensch. Er ging mit meinem Bruder in eine Klasse, und ab und zu hingen wir im Elvis of London (Vegesacks erstem und letztem Punkmode-Laden) zusammen ab. Er war eigentlich nie mit anderen Skinheads zusammen, war aber schwer zu durchschauen. Da er alleine war und mit mir rumhing, wurde er zähneknirschend akzeptiert.

      England und speziell London war damals das begehrteste Ziel eines jeden Punk Rockers. Mein Freund Henry aus Hamburg war dort Ende der 70er auf ‘nen Schüleraustausch. Sein Lehrer lud die Klasse später auf ein Konzert in einer alten Kirche ein. Dort spielten dann die Sex Pistols - … der Traum eines jeden Punks.

      Auf so was in der Art hoffte ich natürlich auch. Richtig oldschoolmäßig ging‘s dann mit der Fähre von Hamburg rüber nach Harwich in England. Dann weiter mit dem Zug in die Punk Rock-Wunderstadt London.

      Als wir endlich in London ankamen, bot sich uns ein Bild wie in einem Edgar Wallace-Film. Ein richtig heruntergerockter Bahnhof, alles düster, mit gemauertem Backstein. Nix buntes, kaum Werbeplakate oder sonstige aufheiternde Darstellungen. Aus den U-Bahn Schächten kamen uns riesige Nebelschwaden entgegen, wie im Horrorfilm.

      Dann tauchte auf einmal ‘ne Punkette aus dem düsteren Nebel auf, mit Haaren wie ein Pfau. Wow, dachte ich. Das Zweite, was ich dann aus dem Nebel kommen sah, war wieder ein Punk. Ich war im Himmel. Das war der absolute Hammer für mich!

      Stefan und ich kauften uns das Time Out-Magazin oder die Sounds und fanden dann schnell heraus, wo die nächsten Konzerte stattfanden.

      Zu unserem Glück war einiges los und wir gingen oft in den 100 Club in der Oxford Street. Dort sahen wir dann UK Subs, Angelic Upstarts und viele andere Bands.

      Die Stimmung in London war unglaublich. Beki Bondage, von Vice Squad, war auch dort und ich hatte mich gleich in sie verknallt.

      Im 100 Club hingen viele Punk Rock-Persönlichkeiten ab und tummelten sich irgendwo im Mob herum. Manchmal verbinde ich diese Zeit sogar mit ‘nem bestimmten Geruch. Ich kann nur nicht erklären mit welchem...

      Wir pennten irgendwo in ‘nem runtergekommenen Hotel, in dem man sich mit anderen Leuten das Zimmer teilen musste.

      Stefan hatte dann die Idee, Leute nach Pennplätzen auf irgendwelchen Konzerten anzuhauen. Wir hingen zwischendurch auch auf der Kings Road ab, wo sich am Wochenende bis zu 200 Punks aufhielten. Selbst die gute alte Liz Hurley soll sich mit ihren Mega-Spikes dort rumgetrieben haben. Die Kings Road wurde zum Treffpunkt erklärt, weil dort die Pistols bzw. Vivien Westwood ihren Laden hatte. Das habe ich aber eigentlich erst Jahre später gepeilt.

      Einmal bin ich über die Straße gegangen, um Bier zu holen. Mitten auf der Straße stolperte dann ‘ne kleine Oma, und fiel mir direkt in die Arme. Da stand ich nun und wusste nicht, wohin mit der Oma. Alles war am Grölen. Dann sah ich nur noch, wie ein Bobby seinen Knüppel aus der Tasche holte und auf mich zu lief. Ich wusste immer noch nicht, wohin mit der Oma... Im letzten Augenblick sprang dann ‘ne Schuhverkäuferin dem Bobby entgegen und konnte ihm zum Glück die Situation erklären.

      Durch die vielen Unterhaltungen mit Punks die von überall her kamen, bekam man aber auch mit, dass fremde Punks von Arschlochpunks in London ausgeraubt wurden. Meistens, wenn man auf der Suche nach ‘nem Pennplatz war. Besonders am Piccadilly Circus hingen äußerst fragwürdige Punkgestalten herum, die ständig gegen Kohle für Fotos posierten.

      Im 100 Club trafen wir dann Charly Harper von UK Subs und Knox von den Vibrators. Knox hatte gerade den Vibratorssong „Troops of Tomorrow“ an Exploited verkauft und einige Runden Bier an uns ausgegeben. Das war cool. Punk Rock zum Anfassen.

      Alle sind gleich, kein Rockstar-Gehabe und kein Backstage-Gehocke. Wir erfuhren dann, dass The Adicts und eine Band namens Chaos in Putney Bridge, im White Lion spielen sollten.

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      London 100 Club 1981: Charly Harper, Knox, Stefan Schmidt (RIP), Kutter.

      Am nächsten Tag sind wir hin, und Stefan haute gleich die allerhärtesten Punks auf ‘nen Pennplatz an. Mir war wegen der Schauergeschichten ehrlich nicht ganz gut zumute, zumal die Jungs wirklich hardcore aussahen. Jeder von ihnen hatte mindestens zwei bis drei Iros auf ‘m Schädel. Der größte von ihnen war Franzose. Er hatte eine Gesichtshälfte verbrannt und war ständig Glue am sniffen.

      Die vier Schergen hatten uns sofort zugesagt und uns den nächsten Tag nach Hammersmith zu ihrem Squat (besetztes Haus) eingeladen. Mir wurde noch mulmiger, da es auf dem Weg nach Hammersmith immer düsterer und abgefuckter wurde. Schließlich angekommen, traute ich meinen Augen nicht. Razor, einer der Haupttypen aus dem Squat, fegte gerade unser Zimmer aus und machte alles sauber für uns. Da stand nun der Typ mit den drei Iros vor uns und war am Reinemachen.

      Ein unglaubliches, aber beruhigendes Bild.

      Dann sagte er zu uns, „Von jetzt an braucht ihr nicht mehr für die Underground-Bahn zu bezahlen.“. „Hä? Wie jetzt?“, fragten wir. „Bleibt einfach immer hinter uns“ entgegnete er. Und echt: jedes Mal wenn wir den Kontrolleuren entgegentraten, sagten unsere Jungs: Wir sind zu siebt, ihr seid nur zwei. Also Fuck Off!

      Die Kontroletties waren jedes Mal verwirrt, aber recht hilflos uns gegenüber. Aber es klappte immer, was heute eher ein Ding der Unmöglichkeit wäre. Diese Jungs waren wirklich unser großes Ass im Ärmel.

      Zwei Jahre später konnte ich dieselben Gestalten dann auf dem „Punk und Disorderly - Vol. 2” Plattencover bewundern. Ab jetzt war England mein ständiges Reiseziel.

Foto

      Kutter, Francois, Razor, Badger, Devil, Spit (unten)

      In Bremen gab’s dann irgendwann ‘ne neue Punkkneipe namens Kirmes. Eine komplett runtergekommene Kaschemme, mit der armen Wirtin Renate.

      Renate konnte einem wirklich leidtun, wir hatten den Laden wie ein paar Parasiten einfach in Beschlag genommen. Ab und zu gingen mal ein paar Gläser auf der Toilette zu Bruch, und wenn Renate dann schreiend rüber lief, stand auch schon die halbe Mannschaft zur Selbstbedienung hinter der Theke.

      Ab und zu hielt auch die Straßenbahn direkt vor der Kneipe an, obwohl es dort gar keine Haltestelle gab. Das war dann immer der Auftritt von Schaschlik, der als Neueinsteiger in der Szene von sich reden machen wollte.

      In Bremen-Nord waren mittlerweile die ersten Häuser besetzt.

      Das Nawatzki-Haus, das Gaswerk und später der Thiele-Speicher sowie andere kurzweilige Objekte.

      In Bremen-Vegesack gab’s zu dieser Zeit eine unglaublich starke linke Szene. Die meisten kannte ich natürlich. Einmal bin ich zu spät zu ‘ner Demo in die Innenstadt gekommen und hab den Norder Mob gesucht. Dabei brauchte ich nur darauf zu achten, wo es am meisten kracht und wo die meisten Vermummten sind.

      Zu dieser Zeit hing ich viel mit M. Krusewitz (RIP) herum. Er war eine Klasse über mir, als ich noch auf der Realschule war.

      Krusewitz war so was wie ein Mentor für mich. Er hat meinen Horizont extrem erweitert und mir echt viel musikalisches Wissen beschert.

      Wir beide hatten dann auch irgendwann zusammen das Fanzine Kindertorso rausgebracht wo wir nur Lügengeschichten niedergeschrieben haben. Wie zum Beispiel, dass wir beide in London waren, wo nur Auserwählte zu ‘nem Konzert von The Fall und Flying Bricks aus Brixton (die Band hat übrigens nie existiert!) eingeladen


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