Human Punk For Real. Marco Thiede

Human Punk For Real - Marco Thiede


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zog mit meiner Schwester Pedy Pengpeng zusammen.

      Meine Schwester ist vier Jahre älter als ich. Bei ihr dauerte es aber noch bis Ende der 80er, bevor sie sich der Szene anschloss.

      Unser Hauptdomizil war und blieb der Schlachthof, wo sich auch Anfang der 80er Change Musik aus ‘ner Gruppe von aktiven Punks gründete.

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      ... vor dem Schlachthof

      Im Schlachthof selber gab’s dann auch ab und zu den Kampf der Giganten. Lohse und Schachti beide zwei Riesentypen, über zwei Meter groß. Schachti saß dann immer in der Kneipe und fing an sich zu besaufen, und irgendwann hieß es, Lohse ich bin gleich wieder soweit... Eigentlich hatte Lohse darauf überhaupt keinen Bock.

      Irgendwann hatte J. Kahrs dann das Zepter übernommen und sich regelmäßig mit dem eigentlich körperlich überlegenden Andrew gebeult. Andrew hatte da eigentlich auch keinen Bock drauf. Ich erinnere mich noch, als sich Andrew bei einer Schlägerei hinter dem Tresen verschanzte und Kahrs alle Barhocker ins Flaschenregal geworfen hatte.“Geil, das hab ich mal im Fernsehen gesehen“, meinte Kahrs später zu mir. Kahrs liebte es, sich zu beulen. Eigentlich hatte er voll die „Alete Arme“, aber das war kein Thema für ihn. Einmal nahm er mich überglücklich in die Arme und erzählte mir voller Stolz, dass sein 15-jähriger Bruder seinen Vater, der auch „nicht ohne“ war, zusammengeschlagen hatte. – Ooookaay dachte ich. Grohner Dühne 3 halt...

      Bei irgendeiner Glatzenbeulerei hatte Kahrs dann ‘ne Leuchtkugel an die Stirn bekommen, was ihn eigentlich Null interessierte. Als er dann am Ende des alten Lloyd-Tunnels angelangt war, brauchten die Cops nur noch die Türen vom Mannschaftswagen aufzuhalten, um ihn gleich einzusacken.

      In Nord hingen wir dann auch ab und an auf dem Sedanplatz ab. Digger hatte seine Band Nebenwirkung gegründet, die jahrelang Bestandteil unserer Szene war. Schumann, der Gitarrist, hatte irgendwann beim Schlachthof ‘nen Hippie vermöbelt. Nicht die Treppe runter, wie üblich, sondern rauf. Der Hippie hatte Haare bis zum Arsch und Schumann hat ihm immer wieder ‘ne rechts-links Kombination gegeben, mit den Worten: „Du scheiß Skinhead!“... Schumann war auch nicht ohne - besonders, wenn er sein eigenes Blut geleckt hatte.

      Ich hatte schon seit einiger Zeit damit angefangen, die Kutten von einigen Punks zu bemalen. Manchmal saß ich bis zu 12 Stunden an einer Jacke, für ungefähr 25-35 D-Mark. Jeder wusste, dass ich einigermaßen zeichnen konnte, und ich hatte mir damit einen Namen gemacht.

      In den 90ern gab’s dann allerdings noch einen Tede in Bremen-Nord, der um einiges besser zeichnen konnte, als ich. Ich hab dann aber trotzdem von seiner Arbeit profitiert, weil die Leute fragten: „Boa, wer hat die Kutte denn gemacht? Tede... ach ja cool, Thiede, hätte ich mir ja gleich schon denken können.“

      Anyway. Um ‘82 herum fing ich dann auch an, ein Punk-Comic namens Sabberblatt zu zeichnen. Man konnte das dann in Bier oder D-Mark bezahlen. War immer ganz angenehm. Besonders auf den Marktplatz verkaufte sich das Sabberblatt ganz gut.

      Eines Tages saß ich mit GG auf ‘m Marktplatz und wir tranken ein paar Bier. Auf einmal kam ein Typ angeradelt und meinte, „Ein paar Typen von euch haben Stress in der Sögestrasse“. St... äh GG und ich sind dann nix wie hin. Als wir ankamen, sahen wir Schaschlik und Gockel die Stress mit einem Türken hatten. Gockel und Schaschlik hatten sich einen Spaß erlaubt, sich beide ‘ne Glatze geschnitten, Domestos-Hosen angezogen und sich als Glatzen verkleidet! Als sie im Kino waren, schlug der türkische Landsmann urplötzlich auf die Beiden ein. Eigentlich war es eher ein Geschäftsmann, als einer von den typischen Gangtürken. Er war im Anzug mit Aktenkoffer...

      Gockel war blutüberströmt und schlug immer wieder mit seinem Gürtel auf den Mann ein. Aber der Koffer schien ‘ne gute Abwehr zu sein. Schaschlik zückte dann ‘ne Gaswumme, die noch nicht einmal geladen war. Er stürzte auf den türkischen Mitbewohner zu und es machte nur klick, klick, klick... Ein Meer von alten Rentnern und anderen Anwesenden, schmiss sich schreiend zu Boden. Was für ein Schauspiel! Schaschlik und GG drängten den Türken Richtung Schuhladen, wo dieser auf einmal den Koffer öffnete und ‘ne Knarre zog. Als er dann auf die beiden zielte, gab GG ihm einen gezielten Tritt unter die Hände, so dass er in die Decke schoss. (Ich weiß bis heute nicht, ob es ‘ne scharfe Knarre war. Nach Gas hat es aber auf jeden Fall nicht gerochen!) Danach schickte GG seinen Kontrahenten mit einem gezielten Faustschlag direkt durch die Schaufensterscheibe. Nun hieß es das Weite suchen.

      Schaschlik und ich kamen aber nicht weit. Am Marktplatz hatte uns schon ‘ne Streife gestellt.

      Mit den Händen auf ‘m Autodach filzte uns der Beamte. Er fand dann auch schnell eine Dose CS-Gas in meiner Jackentasche, die er dem meuchelnden Mob dann voller Stolz präsentierte. Die Passanten hätten uns am liebsten gelyncht.

      Wir wurden dann festgenommen und aufs 6. Polizeirevier gebracht. Bei der Personengegenüberstellung kamen ein paar Hippies die für uns aussagten, und meinten „Die waren es nicht“. So mussten uns die Herren Beamten dann doch gehen lassen.

      Beim Herausgehen meinte Schaschlik auf einmal, „Ich war‘s!“. Was für ‘n Honk, dachte ich, aber so was war nun mal Teil seiner Show...

      Ein paar Wochen später war ‘ne Party bei Lohse in der Gertrudenstraße. Es waren jede Menge Leute dort. Irgendwann kam Schmanuel die Treppe hoch und meinte, draußen stehen ein paar Leute von uns und haben Stress mit zwei Faschos. Er erklärte mir dann, wer alles unten sei, dass sich aber irgendwie keiner traute.

      Waaas...? Sieben von uns gegen zwei und alle haben Schiss? Das ging absolut nicht in meinen Schädel und ich rannte wütend hinunter auf die Straße. Sofort ergriff ich das Wort und hatte die allergrößte Fresse. Einer der Hools namens Fisch kam dann auch gleich auf mich zu und machte den Breiten. Ich konnte es gar nicht fassen, Schaschlik, Koma, Gockel, alles gute Hauer, und keiner wollte so richtig. Irgendwann standen Fisch und ich uns dann gegenüber und pöbelten uns verbal an. (Fuck, dachte ich, jetzt wird’s ernst und ich hatte mich bis dahin nie so richtig gehauen) Ich zitterte am ganzen Körper und sagte ihm „Du hast den ersten Schlag“. „Ne du.“ Das ging dann ein wenig hin und her, bis ich dann dachte, tick ihn lieber eine, bevor er dir welche langt. Also schmetterte ich ihm eine mitten ins Gesicht. Als er dann völlig überrascht herumtaumelte, schnappte ich ihn mir und drückte seinen Kopf gegen den Kantstein. Ich drückte so lange, bis er aufgab und danach desillusioniert abzischte. Alle klopften mir danach auf die Schulter und gaben mir den ganzen Abend Getränke aus. Besonders Koma schien ziemlich beeindruckt gewesen zu sein.

      Weitere Überfälle auf Punks, die auf den Weg zum Schlachthof waren, sollten folgen.

      So erwischte es dann auch Zulu, der alleine durch den Findorff-Tunnel ging und von circa 40 Skinheads abgefangen wurde. Einer der Wortführer, K. Panzer, dessen Vater ein stadtbekannter Wehrsportbulle war, drückte Zulu seine Gasknarre an den Kopf und drückte ab. Zulu musste für einige Tage ins Krankenhaus und erstattete Anzeige.

      Irgendwann kam es zur Verhandlung und wie der Zufall es wollte, hatte ich am selben Tag einen Gerichtstermin wegen eines kleinen Verkehrsdeliktes. Ich machte mich schlau und ging eine Stunde früher zum Gerichtsgebäude, um bei Panzers Verhandlung reinzuschauen. Als ich ankam, schloss der Richter gerade den Gerichtssaal ab und es stand „Tötet alle Punks!“ mit Blut an die Wand geschrieben! „Was war hier denn los?“ fragte ich. Der Richter erklärte mir die Situation und meinte, Zulus Vater wäre in den Gerichtssaal gekommen und hatte Panzer ein Messer in den Nacken gerammt. Irgendwelche Punks haben sich dann um die restlichen Glatzen gekümmert.

      Panzer überlebte und brachte es zu Zeiten von Selbstjustiz à la Marianne Bachmeier sogar auf die Titelseite des Stern-Magazins. Derjenige, der „Tötet alle Punks“ an die Wand geschrieben hatte, ist heute ein guter Freund mir. Holger K., damals auf der anderen Seite, erzählte mir dieselbe Story aus seiner Sicht bei einem Essen vor ein paar Monaten. Was man circa dreißig Jahre später alles so


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