Salomos Söhne. Philomène Atyame

Salomos Söhne - Philomène Atyame


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Kameruns hart. Meine Ururgroßeltern kannten das Alte Testament nicht, aber auch sie glaubten, dass eine Frau immer am Tod ihres Mannes schuld sei. In Mbaangok folterten sie die Witwen deswegen, beerdigten sie lebendig in den Gräbern ihrer Männer. Zum Glück kam meine Mutter später zur Welt!

      Mama ist 1956 geboren. Die Missionen waren schon im Süden des Landes. In Mbaangok sah man die ersten Missionare gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Sie kamen mit der Botschaft Christi, predigten die Vergebung der Sünden aller Menschen. »Es war das erste Mal, dass man hier Weiße sah«, berichtete meine Mutter. »Die Leute nannten sie Nanga Kon, die Außerirdischen, hatten Angst vor ihnen, weil sie so weiß waren. Auch die Missionare hatten Angst, weil sie die Schwarzen nicht kannten und keine ihrer Sprachen verstanden. Aber sie waren auf ihre Mission so gut vorbereitet, dass es ihnen gelang, mit der Bibel viele zu bekehren, die sie hier fanden. Hier, in Mbaangok, wo man Witwen lebendig beerdigte, predigten sie den Leuten, dass es im Buch Moses ein Gebot gibt, das die Vergeltung erlaubt, das aber seit Christi Tod nicht mehr gültig ist. Damit meinten sie, dass alle, die die Witwen weiter folterten, später vor dem Gericht Gottes ihre Taten zu verantworten haben. Seitdem hat man in Mbaangok keine Witwe mehr lebendig begraben. Die Alten sagen, dass die letzte Witwe, die man lebend beerdigte, 1912 starb.« – »Was machte man mit ihren Kindern?«, forschte ich. »Wenn eine Witwe Kinder hatte, vertraute man sie den Verwandten ihres Mannes an.« – »Und wie war’s, wenn eine Frau vor ihrem Mann starb?« – »Der Mann durfte weiter leben. Er war ja keine Frau, sondern ein Mann.«

      Ich war froh, dass meine Mutter zu einer besseren Zeit zur Welt gekommen war. Nur: Sie war in ihrer Ehe so verbittert, dass ich mich fragte, ob es jemals auf dieser Welt eine bessere Zeit für Frauen geben wird. Sie hasste Papa mehr als sie ihn liebte, nahm es ihm übel, dass sie unglücklich war, gab ihm die Schuld an allem. Ich weiß, meine Mutter hätte meinen Vater nie ermordet, aber ich glaube, sie hätte (in jenen Augenblicken der großen Verzweiflung) ihn gern lebendig begraben gesehen! Sie war 1992 schon sehr krank, als ich sie eines Tages in ihrem Zufluchtsort Bangi besuchte. Ich lag mitgenommen neben ihr in ihrem Bett, als ich sie etwas Fürchterliches murmeln hörte: »Möge er in Mbaangok als Fisch zurückkehren, die Schlangen dort werden ihn fressen und zur Hölle schicken.« Plötzlich zuckte mein Herz heftig. Ich fürchtete, meine Mutter hätte kein Herz mehr. Erst als ich Tränen in ihren Augen sah, verstand ich, dass ihre Gefühle für meinen Vater immer noch unklar waren, dass ihre Liebe zu ihm noch nicht tot war und dass diese Hassliebe, unter der auch ich litt, wahrscheinlich nie sterben würde.

      »Er ist im Himmel«, war die Antwort, die ich immer gab, wenn die Leute mich nach meinem Vater fragten. Es war keine eindeutige Antwort, keiner wusste, ob ich meinen leiblichen Vater oder den lieben Gott meinte. Diese Antwort half mir, so wenig wie möglich über meinen Vater zu reden, denn oft folgten keine weiteren Fragen.

      Ich ließ die Leute ahnen, was sie wollen. Wer ahnte, dass ich den lieben Gott meinte, der verstand mich. Wer aber ahnte, dass ich meinen leiblichen Vater meinte, der verstand nur den Christen, denn Jesus befreite die Toten von ihren Sünden und ließ ihnen die Pforte zum Himmel offen. Es war leider eine enge Pforte … Auch ich habe Papa alles verziehen und ihm eine gute Himmelsfahrt gewünscht, als ich die Nachricht von seinem Tod gehört habe. Ich weiß nun nicht, ob Papa einen Platz im Himmel bekommen hat, aber ein Mann wie mein Vater, der Tate hieß, durfte solch ein Ziel nicht verfehlen, denn Tate bedeutet im weitesten Sinne erhabener Gott.

      Ich ging mit achtzehn nach Mbyo, in eine Mission der katholischen Schwestern, nicht weit von Yaoundé. Oh, eine Mission, das muss ich hier vorwegnehmen, dort versammeln sich nicht nur Heilige, sondern allerlei Menschen. Sie sprechen viel über Gott, preisen seine Schöpfung, aber sehnen sich auch nach seinen Geschöpfen. Was ein hübsches Mädchen wie ich in einer Mission zu suchen hatte, war eine Frage, die mir am Anfang dort viele stellten. Ehrlich gesagt, es gab andere schöne Mädchen in dieser Mission, deswegen wunderte ich mich immer über diese Frage.

      Ich schwieg, dachte, die Frage käme zu früh, weil ich noch nicht über den Tod meines Vaters hinweg war, weil ich noch zu schwach war, um über mein Schicksal zu reden. Aber auch heute, wo ich nicht nur über den Tod meines Vaters, sondern mittlerweile auch über den Tod meiner Mutter reden kann, wage ich nicht, diese Frage zu beantworten.

      Es stimmt schon, dass ich, wie einige Verwandte es meinen, nach einem Vater suchte, nach einem erhabenen Vater, nach Gott, eine Suche, die meine Mutter mir trotz ihres guten Willens nicht ersparte. Ich suchte Gott, weil Papa, mein leiblicher Vater, weit weg von mir war. Eine weitere, mögliche Antwort wäre, dass ich Hilfe suchte, eine Stütze, eine Zuflucht. Ich sehnte mich so danach, nach etwas, was ich von meinen Eltern, besonders von meinem Vater zu wenig bekam! In Papas Reich habe ich keine Geborgenheit empfunden.

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