Kalte Duschen, Warmer Regen. Wiglaf Droste

Kalte Duschen, Warmer Regen - Wiglaf Droste


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in Mecklenburg-Vorpommern bei der Landtagswahl 2016 seine Stimme den Schlips-und-Kragen-Nazis von der AfD gab: Überraschend ist es nicht.

      So wie es einen Antisemitismus ohne Juden gibt, so gibt es einen Fremdenhass ohne Fremde. Ein Blick in den Spiegel reicht für jeden AfD-Politiker oder -Wähler aus, um einen Ekel zu erzeugen, der dann auf andere abgewälzt werden muss, ob sie nun tatsächlich existieren oder bloße Gespinste sind, Phantome, gegen die mutig anzukämpfen eine leichte Übung ist.

      Eingeübt beim vorgeblichen Widerstand wird, wie man als Menschen geborene Wesen zu Mutanten macht, die aus Angst, Hass und ein paar Körperflüssigkeiten bestehen, die selbständig weder denken können oder wollen oder im Idealfall beides nicht. Solchen Lemuren zu attes­tieren, sie seien »Protestwähler«, die der herrschenden Politik einen »Denkzettel« hätten verpassen wollen, ist die Fortsetzung der AfD-Propaganda mit medialen Mitteln: Wer selbst nicht denken kann oder will, ist auch nicht in der Lage, Denkzettel zu verteilen, so wie Politessen ein Knöllchen ans Auto stecken.

      Wofür die AfD steht, ist die Entfernung demokratischer und emphatischer Minimalstandards aus Mensch und Gesetz; Leute, von denen Angela Merkels Restfesthalten am Grundgesetz als Gespenst des Kommunismus denunziert wird, gehören kaum noch zur Menschheit. Man sollte sie allesamt im Zoo ausstellen, in der Amöben-Abteilung; allein, wer wollte schon Eintrittsgeld dafür bezahlen, sich hasszerfledderte Feiglinge anzusehen.

       Demenz & GAU

      Die politischen Verhältnisse werden immer medizinischer; was der CDU/AfD-Atavismusbrömmler Gauland auf dem verlorenen Posten, den er mit einem erklommenen Gipfel verwechselt, gesagt hat oder lieber doch nicht gesagt hätte oder haben will, kommentierte ein Hamburger Freund mit den besonnenen Worten: »Der ist ja noch dementer als meine Mutter.«

      Das war nicht im mindesten gehässig von ihm, sondern ganz berechtigt, denn seine liebenswürdige Mutter lebt zwar in ihrer eigenen Alterswelt, aber so beschränkt wie der sich für klar im germanischen Schrumpfkopf haltende Nachbarschaftsbeauftragte Gauland könnte sie niemals werden.

       Mitte, Nimbus, Schatten, Gauck

      Man kann es schon lange nicht mehr hören, das Gerede über alles, das man angeblich »nicht den Rechten überlassen darf«; Hitler auf gar keinen Fall, denn von dem, was dieser Longseller spirituell und finanziell »erlöst«, möchten viele ihren Anteil abbekommen. Auf gar keinen Fall darf man den Rechtsradikalismus den Rechtsradikalen überlassen, das wäre verantwortungslos, vor allem, wenn sie gerade Aufwind, Oberwasser und medialen Auf­­trieb haben, da möchte man nicht beiseite stehen. Der damalige Bundespräsident Gauck verhängte das Dekret, man dürfe »die notwendige Debatte über Begrenzung nicht den Radikalen überlassen«, sondern müsse sie viel­mehr »in die Mitte« holen. Freund Friedrich kommentierte kühl: »50 Shades of braun.«

      Das gefiel mir ganz ausgezeichnet, und ich antwortete: Gauck ist der, der er immer war, was aber wegen seines zusammengeflunkerten Widerständlernimbus’ oder Nimm-den-Busses kaum jemand öffentlich zu sagen wagt. Ich plädiere für folgenden Handwerkerkalauer: »Gib mir mal den 13er Nimbus rüber, ich schraube das Ding jetzt ab.«

      Danach sollte Ruhe herrschen, aber nicht die Soldatenfriedhofs- und Verwesungsruhe, die Gauck entströmt, sondern die gute Ruhe der Einsicht und der Vernunft.

       Karneval nur noch für Deutsche!

      Verglichen mit New York ist Köln eine eher kleine Stadt, die aber seit Silvester 2015/16 – endlich, endlich! – auch ihr Nine Eleven hat. Das ist zwar, typisch Karneval, vollständig übertrieben, aber die Angelegenheit war zweifellos widerlich: Hunderte Frauen wurden von Männern belästigt, begrapscht, bedroht, bestohlen und beraubt. Das ist charakterlich erbärmlich und, was gut ist, strafrechtlich relevant. Für sowas gibt es juristisch einen auf die Mütze.

      Nach wenigen Tagen aber richtete sich das öffentliche Augenmerk auf die – in diesem Fall nordafrikanische – Herkunft vieler Delinquenten. Die Flüchtlings- und Asyl- vulgo Abschiebe-Debatte, die so gleichermaßen geheuchelt, verlogen wie aggressiv ist, dass man tatsächlich von »Debattenkultur« sprechen kann, wurde hochgekocht. Ist es für Frauen angenehmer, von betrunkenen deutschen Männern überfallen zu werden als von aus kulturellen Gründen seltener alkoholisch befeuerten marokkanischen? Weil die Frauen das Gelalle der deutschen Kerle wenigs­tens halbwegs verstehen? Eine gemeinsame Sprache schafft Verbundenheit, aber gilt das auch bei Behelligern, Zudringlingen, Räubern und Notzuchtgierhälsen?

      Oder schüren die Sprachbarrieren – afrikanische Sprachen gelten ja als »guttural« – zusätzliche Ängste? Mit betrunkenen Deppen wird man für gewöhnlich leichter fertig als mit nüchternen, aber ins Auge gehen kann beides. Doch darum ging es gar nicht, sondern um die Verschärfung eines simulierten Kulturkampfes, in dem ständig europäische, deutsche und überhaupt hochzivilisatorische Werte gegen Überfremdung und Minderkultur verteidigt werden müssen.

      Zu diesen Werten zählt auch der deutsche Karneval; ein mir bekannter Physiotherapeut, der in einer Karnevalshochburg lebt, schließt seit zehn Jahren in der Zeit zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch seine Praxis und auch die Haustür zu – jahrelang hatten ihm die lustigen Narren und Jecken jederlei Geschlechts ab dem frühen Morgen in den Hausflur gestrullt, gekoddert und sich auch fäkal »gelöst«. Der Mann hatte die Nase, die Augen und überhaupt den Kanal voll und geht in diesen »toll« genannten Tagen in Urlaub; »toll« ist hier in seiner ursprünglichen Bedeutung – wahnsinnig, tollwütig – zu verstehen.

      Wer traditionell turnusmäßig und willentlich herbeigeführte Tollwut als zivilisatorische Errungenschaft, als »Wert« oder als Ausdruck von Freizügigkeit missversteht und zum Vorwand nimmt, das organisierte Erbrechen zu rechtfertigen oder sogar zu verherrlichen, darf sich nicht wundern, wenn er als verächtlich empfunden wird. Es gibt wenig Humorloseres und Abstoßenderes als den Karneval, bei dem darüber hinaus die lokalen und regionalen Hauptkriminellen aus Wirtschaft und Politik immer in den Ehrenlogen sitzen.

      Karnevalisten gehören sozial geächtet; das ist, weil sie massenhaft auftreten, nicht ganz leicht, und sie würden es, weil sie ja unter sich sind, auch gar nicht bemerken. Dass sie sich und ihr würdefernes Treiben lieber durch Rocker-Patrouillen und rechte Schlägertrupps verteidigen lassen, als einsichtig nicht einhellig mit ihren Kameraden, sondern im Gegenteil mit ihren für andere äußerst qualvollen Gewohnheiten zu brechen, sagt viel über den Grad ihres Herabgesunkenseins aus. Und für eine deutsche Frau, die zwar von Männern nicht bis zum Äußersten belästigt werden möchte, aber falls doch, dann ausschließlich von deutschen, verfügt auch der gentilste Mann über keinerlei Hilfsmittel mehr. Da müssen sie dann durch, wie es so heißt, und eine schall-, geruchs- und blickdichte Glocke obendrauf wäre sehr hilfreich.

       Wunsch und Wahn

      Mancher möchte unbedingt etwas tun, zu dem er nicht im mindesten befähigt ist. Je geringer die Chance, dass er es noch erlernt, desto verbissener sein Ehrgeiz. So kam in die Welt, was der Deutsche Straßenverkehr nennt.

      Das ist nicht schön anzusehen; in ihren PKW, Lieferwagen und auf ihren Fahrrädern, vulgo edel-vulgär, »Bikes« entwi­ckeln die Landsleute eine Melange aus Unfähigkeit, Rechthaberei, Vorteilsnahme und mangelndem Unrechtsbewusstsein, aus der sich eine Aggression entwickelt, die der Deutsche seltsamerweise nicht gegen sich selbst, sondern gegen andere richtet.

      Es existieren aber weit gefährlichere Wunsch/Wirklich­keit-Nichtzusammenbekommer; nicht wenige Deutsche möchten das Vierte Reich errichten, können aber nur mit größter Mühe und unter Aufbietung all ihrer Kräfte bis drei zählen. Was tun, AfD und Pegida?

      Zum Glück für die geistig-horizontal katastrophale Knabbermischung aus Talkshow-Nazis und Straßenschlägern gibt es Mediengestalten, sie so gerne kritische Journalisten wären, vorausgesetzt, es wäre frei Haus und ohne Reiberei und Ärger zu haben. Man kann hier vom Plasberg-Syndrom sprechen, wobei der Name dieses Eitelfeixers nur einer von vielen ist, die auf die originelle immergleiche Idee verfallen, sich eine braune Tonne ins Studio einzuladen,


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