Die Geschichte des Untergangs der RMS Titanic. Группа авторов
unter der Wasserlinie aufgerissen worden war.
Nachdem die Passagiere sich beruhigt hatten und die meisten in ihre Quartiere oder zum Kartenspiel zurückgekehrt waren, machte sich in der ersten Klasse das Gerücht breit – niemand wusste genau, von wem es stammte –, dass die Titanic sinken würde. Wie diese Information nach außen gelang, ist unklar. Die Mannschaft begann aber sofort mit dem Vorbereiten der Rettungsboote. Dann zitterte der mächtige Dampfer und rutschte von dem Eismassiv herunter, auf das er aufgefahren war. Sein Bug sackte jetzt tief ins Wasser.* »Wir sind verloren, wir sind verloren!«, schrieen Hunderte Kehlen, »das Schiff sinkt! Wir werden ersaufen wie Ratten.«
Frauen in Abendkleidern und mit Juwelen behangen, knieten auf den überfüllten Decks vor den Rettungsbooten und bettelten um Hilfe. Andere baten die Offiziere, sie in die Boote zu lassen. »Alle Mann in die Boote« lautete der Aufschrei von einem zum anderen Ende der Titanic. »Frauen und Kinder zuerst!«, war die raue Antwort der Mannschaft.
Ohne Nahrung, nur mit dem am Leib, was man zum Zeitpunkt der Kollision gerade trug, setzte man die Frauen in die Boote. Die Davits schwangen aus, ein paar Männer wurden an die Winden beordert, ein Offizier übernahm das Kommando eines jeden Bootes, und dann hieß es »Lasst die Boote herab!« Die kleinen Schiffchen, mit lebender Fracht an Bord, wurden abgeseilt.
KEIN UNTERSCHIED ZWISCHEN DEN KLASSEN
Männer von Rang und Namen auf beiden Hemisphären der Erde wurden von ärmlich bekleideten Slawen und Ungarn aus dem Weg gedrängt. Ehemänner wurden beim Kampf um einen Platz in den Booten von ihren Frauen getrennt. Die Szenen, die sich abspielten, als die mit schluchzenden Frauen beladenen Rettungsboote eines nach dem anderen auf das mit Eis bedeckte Wasser gelassen wurden, waren herzzerreißend.
Es gab keine Zeit, eine Wahl zu treffen. Die erste Frau, die ein Rettungsboot betrat, behielt ihren Platz, egal ob sie eine Dienstmagd oder die Frau eines ungarischen Bauern war.*
Viele Frauen hakten sich bei ihren Männern ein und weigerten sich, zu gehen, manche zerrten ihre Männer mit in die Boote. Und so bekam in dem Chaos auch manch ein männlicher Passagier einen Platz.
Zuvor gab es kaum ein Anzeichen von Panik. Henry B. Harris – ein Theatermanager aus New York –, betrat zum Beispiel zusammen mit seiner Ehefrau ein Rettungsboot, bevor es herabgelassen werden sollte. »Frauen zuerst!«, rief einer der Schiffsoffiziere. Mr. Harris schaute auf und sah, dass man ihn meinte. »Alles klar«, antwortete er trocken.
»Auf Wiedersehen, meine Liebe«, sagte er, küsste seine Frau, drückte sie einen Moment an seine Brust und kletterte dann wieder auf die Titanic zurück.
DIE FLOTTE LEGT AB
Stück für Stück entfernten sich die kleine Rettungsboot-Flotte von den turmhohen Bordwänden des gigantischen Dampfschiffs. »Die Titanic ist verloren!«, raunte man. »Wir werden sinken, bevor Hilfe kommt!«
Das Wasser strömte in den 270-Meter-Rumpf, dessen Hülle und dessen Nieten aufgerissen worden waren, als bestünden sie aus Käse. Im Maschinenraum warf man die Pumpen an, aber das Meerwasser strömte in so großen Mengen in den Rumpf, dass allen klar war, der Kampf ist hoffnungslos!
Weit oben kontaktete man per Funk andere Dampfer. Die Rettungsbootflotte hielt sich jetzt in einem ausreichenden Sicherheitsabstand zum Unglücksort auf und die 1.595 Menschen, die ohne Rettungsboote an Bord verblieben waren, warteten auf einen möglichst schnellen Tod, der dem Drama ein Ende setzen sollte.
FRAUEN ZUERST
Ein paar Bretter, ein oder zwei Kisten, hier und da ein Wrackteile. Das waren für die Menschen an Bord der Carparthia die einzigen sichtbaren Überbleibsel der Titanic, als man schließlich zur Rettung eintraf.
Der Tag brach bereits an, als man die Rettung abgeschlossen hatte.
Die Überlebenden waren dermaßen erschöpft, dass kaum einer sofort berichten wollte, was zu so früher Stunde an diesem Montag passiert war. Es schien unmöglich, sich einen vollständigen Überblick über das Unglück zu verschaffen.
NUR WENIGE WURDEN VERLETZT
Nur wenige Gerettete, die an Bord der Carpathia kamen, hatten Verletzungen davongetragen. Ihr Leiden waren vielmehr Schmerz und Schock.
Viele der Frauen hatten sich zwar noch von Ihren Ehemänner verabschieden können, bevor sie in die Rettungsboote gingen, mussten später aber zuschauen, wie ihre Geliebten in den Tode gingen. Die Überlebenden trieben in ihren Booten im Umkreis von nur etwa einer halben Meile, als die Titanic mit einem Grollen für alle Zeiten in der Gischt verschwand.
Und dann folgte eine der härtesten Erfahrungen, die ein Mensch jemals hatte machen müssen …
Die Nacht war stockdunkel. Glücklicherweise hatten ein paar der geretteten Männer oder der Unteroffiziere, denen man die Boote anvertraut hatte, Streichhölzer in ihren Taschen. Mit Papierfetzen bastelte man sich behelfsmäßige Leuchtmittel. Kaum etwas war zu erkennen.
SIGNALE MIT FACKELN
Diese primitiven Fackeln mussten vorsichtig trocken gehalten werden. Sie stellten aber gerade für diejenigen, die sich schon zum Tode verurteilt fühlten, eine winzige Hoffnung dar. Diejenigen, die die Fackeln bewachten, hatten die Aufgabe, sie erst dann anzuzünden, wenn Rettung auftauchen sollte.
Erst als eine Leuchtrakete, von der Carpathia abgeschossen am Himmel auftauchte, wurde die erste Papierfackeln angezündet. Da ihr Licht nur sehr schwach war, musste sich ihr Träger auf die Schultern von fünf anderen stellen, um das brennende Papier so hoch wie möglich zu halten. Er schwenkte das Licht dann so lange, bis es abgebrannt war und seine Fingerspitzen versengte.
Die Verstreuten drängten sich in ihren kleinen schwankenden Booten dicht zusammen und konnten nicht erkennen, ob man sie auf dem Leuchtsignale gebenden Schiff hatte sehen können. Man wartete fünfzehn Minuten und wiederholte den Vorgang.
Schließlich nahm die Silhouette der Carpathia im Morgengrauen Formen an und glitt mitten in den weit verstreuten Pulk der Boote mit ihrer menschlichen Fracht – mehr tot als lebendig. Fast sechs Stunden hatten sie auf dem offenen Wasser verbringen müssen. Das Meer durchnässte langsam aber sicher alle mit Gischt, dann und wann schwappte eine Welle über die Boote. Die bittere Kälte fror die nasse Kleidung am Körper fest. Nur wenige waren noch in der Lage zu gehen, als man sie endlich an Bord der Carpathia bringen konnte.
Die Seeleute der Carparthia mussten in die Boote hinabsteigen und die dort bewusstlos herumliegenden Körper ihren Kameraden auf den Leitern seitlich am Rumpf der Carpathia hoch reichen. Man tat alles, was man nur tun konnte.
Einige hatten sich bereits bei dem Versuch, in ein Rettungsboote zu gelangen, verletzt, waren gestürzt oder hatten sich Schnittwunden zugelegt. Doch die meisten litten einfach an extremer Erschöpfung. Ihnen allen wurde eine erste medizinische Betreuung gewahr, die anderen steckte man ins Bett. Nur ganz wenige waren während der Rückfahrt fähig, an Deck herumzulaufen.
DER BERICHT ÜBER DIE RETTUNG
Ein Passagier der Carpathia machte folgenden Bericht:
»Ich wachte gegen halb eins auf, da es auf dem Deck einen etwas ungewöhnlichen Tumult gab. Das war aber nicht wirklich beunruhigend, da unser Schiff ganz normal weiter fuhr. Also ging ich wieder zurück ins Bett. Gegen drei wachte ich erneut auf. Nun standen die Maschinen still. Ich ging auf Deck, die Carpathia hatte ihren Kurs geändert.
Dann sichteten wir Rettungsboote, die sich uns näherten – und eins nach dem anderen kam seitlich bei. Insgesamt waren das sechzehn Stück und es war enorm schwierig, deren Passagier an Bord zu holen. Man musste den Erwachsenen helfen, die Strickleitern zu erklimmen, indem man ihnen Seile um die Brust legte und zog. Kleine Kinder und Babys holte man in Taschen hoch.
Einige der Boote waren vollkommen überfüllt, andere nicht einmal halbvoll. Ich konnte das gar nicht verstehen. Einige der Schiffbrüchigen trugen komplette Abendgarderobe, andere nur Schlafanzüge oder waren lediglich in Decken gewickelt. Unter ihnen waren auch Immigranten in jedweder Art. Man schickte – alle