Tales of Beatnik Glory, Band III (Deutsche Edition). Ed Sanders

Tales of Beatnik Glory, Band III (Deutsche Edition) - Ed Sanders


Скачать книгу
Zeiten hätte Groovy vielleicht ein Missionar sein können, aber das Schicksal brachte Groovy in die schmutzigen Straßen, dahin, wo es groovy war.

      Er verschenkte, was er besaß. Er half denen, die auf schlechten Trips waren. Er war ein Hippie für die Hippies. Er verdiente sich ein bisschen Geld, indem er Acid und Peyote und ein paar Aufputschtabletten verkaufte. Er war fasziniert von Methamphetamin-Hydrochlorid, das unter dem Namen Methedrin verkauft wurde.

      Groovy hatte eine geradezu alttestamentarische Abneigung gegen Leute, die einen übers Ohr hauten. Die Straßenmafiosi auf der Avenue A dazu übergegangen, in der Neuen Bohème mit Drogen zu handeln, zusätzlich zu den Hippie-Dealern mit den runden Nickelbrillen und Halsketten aus Schlangenwirbeln. Viele Straßendealer verlangten zu viel und hauten die Kundschaft übers Ohr. Groovy beschwerte sich bei ihnen persönlich, wenn er sie traf. Sie schätzten das nicht besonders. Mit seinen beschränkten Mitteln war Groovy so etwas wie ein Polizist der Gegenkultur, auch wenn er so einen Gedanken mit einem zornigen Akkord aus seiner Harmonika verscheucht hätte.

      Hübsche Hippiemädchen, die von zu Hause weggelaufen waren und Namen wie Dove, Oat, Rainbow und Yes trugen, fühlten sich zu ihm hingezogen. Sie standen auf ihn, und Groovy fühlte sich im sprichwörtlichen Himmel, wenn er mit einer, zwei oder drei von ihnen auf psychedelischen Leintüchern im Verlauf des Sommers der Liebe herumspielte.

      Sam las ihm einmal den »Rattenkäfigtext« von Orwell vor, als sie die Zehnte Straße zum Tompkins Park hinuntergingen. »Das ist es, was wir verhindern müssen, Mensch. Keine Rattenkäfige mehr«, sagte Groovy, während er beim Gehen aus dem Stegreif verrückte Muster hinlegte, tanzte und Melodien aus seiner Hohner-Marinekapellen-Harmonika mit dem Drahtgestell schlingern ließ, das ihm die Hände freiließ, um mit Freunden abzuklatschen und freundlich die Kurven der jungen Mädchen zu umspielen.

      Groovy kannte sie alle — »Hi, Moan!« rief er über die Straße hinweg einem Freund zu, »Hi, Toke! Hi, Win! Hi, Mule Train!« Hin und wieder schrieb er die Adresse einer Unterkunft auf eine Karte und gab sie einem von zu Hause Weggelaufenen, der einen Platz zum Schlafen brauchte. Im Geiste suchte er immer wieder neue und geheime Unterkünfte, da die Polizei immer bemüht war, sie aufzuspüren.

      Als er mit Groovy unterwegs war, hatte Sam erstmals das Gefühl, nicht auf der Höhe seiner Zeit zu sein: Ihm blieb diese Fülle an ein- und zweisilbigen Namen ein Rätsel. Es gab mindestens hundert junge Frauen, die Gipsy hießen. Wirklich, es gab so viele Gipsies, als handelte es sich um einen Science-Fiction-Film. Und allein in der Woche, als er Groovy beim Auflegen der Matratzenwiese half, traf er junge Leute namens Hawk, Pepsi, Flame, Stowaway, Crimson, Time, Thyme, Tyme, Tome, Tam, Tum, Thomb, Thumb, Peace, Moan, Sky, Abs (für Absolute), Theena (für Athena) und Fullsome. Es hatte sicherlich etwas mit den Pioniertagen Amerikas zu tun, wenn Eltern ihren Kindern Namen verpassten wie Bountiful und Welcome. Aber es machte das Leben auch zu so etwas wie einem Körbchen voller Pommes frites.

      Sam steuerte für das dichter werdende Netzwerk von Pennbuden, welches Groovy schuf, seinen berühmten Enthusiasmus bei. Gemeinsam begannen sie, ein über die ganze Stadt verteiltes System von Schlafstellen und Kommunen zu planen. Sie nannten es Goof City und waren davon überzeugt, dass dieses Vorhaben zur Rettung des Planeten beitragen würde. Es musste dafür gesorgt werden, dass die Städte freundlich, friedlich, aufregend und toll blieben, ansonsten würden sie sich in nichts anderes als von einer Küste zur anderen reichende Vorstädte verwandeln und das gesamte offene Land auffressen, das Wasser verschmutzen und das Weideland aufbrauchen.

      Sam schwebte Goof City vor als der »ewige Ereignispark«, um den Dichter Charles Olson zu zitieren, ein Ort der großen Freiheit, Erschwinglichkeit, der billigen Mieten, angemessenen Löhne, des sexuellen Glücks für alle, von Freizeit in Hülle und Fülle, garantiertem Zugang zu Vergnügen und Kunst, mit Straßen, die so sicher wären, dass Mann oder Frau um vier Uhr morgens nackt herumspazieren konnte, ohne belästigt oder angefasst zu werden.

      Sam schrieb und veröffentlichte Das Goof City Manifest und tat sein Bestes, um Versammlungen zu organisieren, damit diese Chaosstätten, die als Pennbuden bereitstanden, irgendwie in ein System gebracht werden konnten.

      Das Problem war die Zeit — Sam wollte zwar Groovy dabei helfen, ein Netzwerk von Goof-City-Unterkünften aufzubauen, aber er hatte ganz einfach nicht die Zeit dazu. Er zerriss sich ohnehin in zwanzig verschiedene Richtungen: Bürgerrecht, Dichtung, Studium klassischer Sprachen, Zusammenkünfte mit den Quäkern und dem Komitee für gewaltfreien Widerstand, Protestversammlungen gegen den Krieg, zu stundenweisen Nebenjobs eilen, Zeitschriften veröffentlichen, Filme machen, knutschen, sich streiten, sich wieder vertragen, auf LSD-Trips gehen, in Bars herumhängen, sich erholen, trampen, Galerien besuchen, die besten Köpfe seiner Generation ausfindig machen.

      »Wir leben nicht lange genug, um Goof City entsprechend zu planen. Und wir können nicht überall leben«, sagte Sam Thomas. »Wir brauchen parallele Existenzen!« Sam kam zu dem Schluss, dass er mindestens sieben Leben brauchte: eines fürs Herumhängen, eines für die Kunst, eines für nützliche Arbeit, eines um Saxofon zu üben, eines für Meditation, eines für die Liebe und ein eigenes Leben, um Goof City aufzubauen, um es in Schuss und in Ehren zu halten. Er war so zerteilt, dass er nicht wusste, welchem Scheinwerfer er seinen armen Sonnenblumenschädel entgegenstrecken sollte.

      »Eines Tages werden diese ungeplanten Tage des Herumhängens uns wie die Bruchstücke eines verlorenen Paradieses erscheinen«, sagte er. »Ich sehe am Horizont eine abscheuliche Kultur aus lauter Schreibstubenhengsten wie Bartleby, ihre Gesichter in Orwellschen Rattenkäfigen, und keinerlei Freizeit. Es ist deshalb ungeheuer wichtig, Goof City gleichzeitig auch zu leben, während wir Goof City auf die Beine stellen.« Auf einer der Matratzen saßen Indian Annie und Suncatch bereits ineinander verschlungen und bemalten einander die Zehennägel mit verrückten runden Mustern, während sie Betelnüsse aßen. Annie war vom East Village Other zur Slum-Göttin der Woche gekürt worden und schmückte sich jetzt für den Fototermin.

      Johnny Ray Slage kam, um Freedoms Käfig zu putzen und Wasser nachzufüllen. Johnny weinte und versuchte dies vor Sam zu verbergen. Jemand hatte ihm bei einem Treffen der verschiedenen Gruppen die Gitarre gestohlen, die er im Flur gelassen hatte, weil der Raum dermaßen überfüllt war. »Ich werde sie wieder auftreiben«, meinte Groovy und schluckte eine Tablette mit Meth, die ihn frech genug machen sollte, um sich auf den Straßen auf die Suche nach der Gibson zu machen. Als er schnellen Schrittes in Richtung Park abdampfte, waren die eindringlichen Melodien seiner Harmonika zu hören.

      Nachdem die Matratzenwiese fertig war, ging Sam Thomas wieder nach draußen, um etwas zu erleben. Die Sonne auf der Avenue A hatte, wenn auch nicht gerade das von den Malern so geschätzte mediterrane Leuchten, dennoch eine ungewöhnliche Intensität an einem späten Frühlingsnachmittag, der so warm war wie ein Sommertag.

      Er beschloss, sich auf die Stufen der alten Total Assault Cantina zu setzen, um dem fünfzehnköpfigen Celestial Freakbeam Orchestra zuzuhören, das auf dem Dach über ihm probte. Auf den Gehsteigen drängten sich alle möglichen Lebewesen. Hinter dem oberen Rand des Schilds der Total Assault Cantina fütterte ein Rotkehlchen seine Jungen. Es hockte da und umklammerte mit den Beinen das Holz genau über dem Wort »Total«, ein Anblick, den Sam in seinem Notizbuch festhielt, und dann sang es mit einem hellen Zwitschern, das besser war als jedes Lied im Radio.

      Das erste, was Sam auffiel, war die Tatsache, dass jeder auf der Straße glücklich wirkte, ziemlich ungewöhnlich für ein finsteres Viertel. Es war ein Tag, an dem viele, die in Armut dahinvegetierten, ihre Unterstützung erhielten, und deshalb waren sogar diejenigen, die in der Klemme steckten, überschwänglich. Aber es war mehr als das — selbst Revolutionäre, die mindestens die letzten sechzehn Jahre nicht gelächelt hatten, vergaßen eine Stunde lang ihren Unwillen!!

      John Barrett kam vorbei, so glücklich, wie es ein sich selbst verzehrender Barde nur sein kann. Er war gerade dabei, ein Stück fertigzukriegen, das im North Beach Theatre in San Francisco aufgeführt werden sollte. Er lächelte also.

      Indian Annie ging zu ihrem Fototermin als Slum-Göttin, der


Скачать книгу