Moderne Tauchmedizin. Kay Tetzlaff
im Kapitel über Nitrox bereits erwähnt, bringt Sauerstoff auch Nachteile mit sich, wie zum Beispiel die Tiefenbegrenzung, die vom Anteil des verwendeten Sauerstoffanteils im Atemgas abhängig ist. Während beim Nitroxtauchen der Sauerstoffanteil künstlich erhöht wurde (hyperoxisch), wird er in den Tauchgasen für größere Tiefen unter den natürlichen Volumenanteil von 21% gesenkt (hypoxisches Gemisch). Ab einem Volumenanteil von weniger als 17% soll ein solches Gas an der Oberfläche nicht mehr geatmet werden, da sein Sauerstoffanteil für das Gehirn nicht mehr ausreichend ist. Eine Bewusstlosigkeit mit Ertrinken wäre die Folge. In 10 m Tiefe, also bei rund 2 bar, ist der Partialdruck eines Gemisches mit 12% O2 bereits wieder 2 × 0,12 bar = 0,24 bar und damit voll lebenserhaltend, während dieses Gasgemisch an der Oberfläche zur Gefahr werden könnte. Somit muss bei hypoxischen Gemischen also nicht nur auf die maximale, sondern auch auf die minimale Verwendungstiefe geachtet werden.
Wenn man unser Gemisch mit 12% Sauerstoffanteil betrachtet, worin besteht dann der Rest des Volumens? Auf jeden Fall nicht nur aus Stickstoff, denn dies sollte bereits beim Nitroxtauchen eliminiert werden. Also suchte man vor vielen Jahren bereits nach Ersatzgasen als „Füllgas“ und experimentierte mit Wasserstoff, Helium und einigen anderen Gasen. Die COMEX in Frankreich führte 1988 Experimente mit Gemischen unter Verwendung von Wasserstoff auf bis zu 534 m Tiefe durch, allerdings nur in einer Druckkammer. Da Wasserstoff im Gemisch mit Sauerstoff als Knallgas bekannt ist, war dessen Handhabung nicht unkritisch. Helium war in seiner Verarbeitung beim Füllen und Tauchen deutlich sicherer als der explosive Wasserstoff. Die Versuche der COMEX endeten erst in einer Tiefe von mehr als 700 m im Jahre 1992. Auch dabei wurden verschiedene Hydrelioxmischungen (Sauerstoff, Wasserstoff, Helium) verwendet.
Im heutigen technischen Tauchen wird meistens Trimix eingesetzt. Hierbei sagt der Name Trimix jedoch nicht direkt etwas über die Zusammensetzung der Gase aus, sondern lediglich, dass es sich hierbei um ein Gemisch aus drei Gasen handelt. Diese sind im Normalfall Sauerstoff, Helium und Stickstoff.
Wann wird nun welches Gemisch verwendet? Der Sauerstoffpartialdruck soll in der Zieltiefe in einem normoxischen bis leicht hyperoxischen Bereich liegen, während die Narkosetiefe meist flacher als 30 m gewählt wird. Mit Narkosetiefe ist der Anteil des Stickstoffs im Atemgas gemeint, der zu den Symptomen des Tiefenrauschs führt und auch als Stickstoffnarkose bezeichnet wird. Damit kann man nun genau ausrechnen, welche Volumenanteile an Sauerstoff und Stickstoff das Atemgas enthalten darf. Der Rest zu 100% wird dann mit Helium aufgefüllt. In den frühen Jahren des Trimixtauchens wurden oft Narkosetiefen von 40 m und tiefer gewählt. Dies lag vor allem am damaligen Unwissen über die Verwendung von Helium. Inzwischen verwenden es die meisten Taucher bei 30 m und weniger, bei sehr anspruchsvollen, langen Tauchgängen auch bis hin zu schwimmbadähnlichen Tiefen. Je komplexer die Tauchgänge, desto klarer sollte der Kopf sein.
Aber warum wird der Stickstoff nicht komplett aus dem Atemgas entfernt, also Heliox getaucht, ein Gemisch aus Sauerstoff und Helium? Weil Stickstoff zu einer minimalen Narkose führt und diese minimale Narkose durchaus zweckmäßig sein kann, denn schließlich haben wir auch an der Oberfläche einen physiologischen Stickstoffpartialdruck von etwa 0,79 bar und außerdem verringert dieser Stickstoffpartialdruck durch seine dämpfende Wirkung das Auftreten eines HPNS-Syndroms (s. unten). Insgesamt muss aber wegen der Gefahr eines Tiefenrauschs beachtet werden, dass Stickstoff ein im technischen Bereich eher unerwünschtes Gas ist.
8.6 HPNS
Das High-pressure-nervous-Syndrom stellt eine ernstzunehmende Gefahr bei extrem tiefen Tauchgängen dar. HPNS äußert sich in extremem Zittern der Extremitäten bis hin zur Unfähigkeit, einfachste Handgriffe durchzuführen. Damit ist es hinsichtlich seiner Gefährlichkeit als ernstes Problem einzustufen. Anfangs dachte man noch, dass das Helium für HPNS ursächlich ist, später ergaben Tests dann den Druck an sich als Ursache. Genauer gesagt: Das schnelle Ansteigen des Drucks führt zum HPNS durch eine direkte Auswirkung auf Zellmembranen.
Leider kann man meist nicht beliebig langsam absteigen und sollte sich deshalb dieses Problems bewusst sein. Indem man mindestens eine Narkosetiefe von einigen Metern beibehält, lässt sich das Einsetzen von HPNS dämpfen, d. h., es wird eine Narkose gegen diese Überreizung eingesetzt. Die Gefahr eines HPNS wird im Allgemeinen bei Tiefen ab 120 m als gegeben angesehen.
8.7 Gasdichte
Ein weiterer Aspekt bei heutigen tiefen Trimix-Tauchgängen ist die zunehmende Gasdichte in der Tiefe. Bei Stickstoff wirkt sich dies stärker aus als bei Helium, aber prinzipiell gilt für jedes Gas, dass es bei hohem Druck dichter und damit „zähflüssiger“ wird. Bei Pressluft ist dies ausgeprägter als bei Trimixen mit hohem Heliumanteil.
Die Gasdichte von Stickstoff beträgt bei 37 °C und 1 bar Druck 1,1017 g/l, bei Helium liegt dieser Wert lediglich bei 0,1572 g/l. So wird hier ein weiterer begrenzender Faktor von Stickstoff deutlich.
Durch die hohe Gasdichte fällt nicht nur das Atmen schwerer, sondern es wird auch die Belüftung der Lunge schlechter, da die Strömungen in den kleinen Bronchien und Bronchiolen nicht mehr laminar, sondern turbulent erfolgen. Im Kreislaufgerätetauchen spielen diese Gasdichten und Strömungsverhältnisse ebenfalls eine sehr wichtige Rolle. Auch hier ist Stickstoff als eines der minderwertigen Gase für extreme Tauchgänge anzusehen!
Aufgrund des vergleichsweise geringen Atemwiderstands von Helium-Gemischen wird sich unbewusst ein erhöhtes Atemminutenvolumen einstellen, was in Luftverbrauchsberechnungen berücksichtigt werden sollte.
8.8 Dekompression
Alle geatmeten Gase lösen sich im Blut und in den menschlichen Geweben. Diese Löslichkeit hängt vom Löslichkeitskoeffizienten und vom Umgebungsdruck ab. Reduziert sich nun dieser Umgebungsdruck, wie zum Beispiel beim Vorgang des Auftauchens, so überschreitet die Sättigung einen kritischen Wert und das Gas geht aus der Lösung. Es kann zur Gasblasenbildung kommen. Diese Blasen können – abhängig von ihrer Größe, Anzahl und Lokalisation – unter Umständen Symptome verursachen. Früher dachte man, dass Taucher bereits eine Dekompressionskrankheit hätten, sobald Gasblasen venös feststellbar waren. Diese Meinung ist inzwischen dadurch revidiert, dass es Tausende von Tauchern mit Tauchgängen gibt, bei denen eine symptomlose Dekompression mit sehr kurzen Profilen getaucht wurde, aber trotzdem Bläschen venös nachweisbar waren. Die venösen Gasblasen werden im „Lungenfilter“ aufgefangen und dort sehr effektiv abgeatmet. Dies geht allerdings nur bis zu einer gewissen Grenze. Zusätzlich verringert sich die Gasaustauschfläche, wenn der Lungenfilter überlastet wird. Da ein persistierend offenes Foramen ovale zusätzlich zu einer Arterialisierung von Gasbläschen führt, resultiert aus dieser Erkenntnis ein wichtiger Grundsatz: keine tiefen, technischen, dekompressionspflichtigen Mischgastauchgänge mit einem offenen Foramen ovale! Da ca. 25% der Menschen ein solches PFO aufweisen, sollten alle Taucher, insbesondere aber jene, die komplizierte, dekompressionspflichtige Tauchgänge durchführen, sich auf ein solches PFO testen und ihre Tauchtauglichkeit untersuchen lassen (Abb 8.2). Heutige Dekompressionszeiten können durchaus mehrere Stunden betragen.
Abb. 8.2: Anspruchsvolles Tauch- und Dekompressionsprofil, das durch den Höhlenverlauf vorgeschrieben wurde. Die roten Kreise entsprechen Warnhinweisen des Computers, z. B. bei zu schnellem Aufstieg. Der blaue Kreis ist eine individuell gesetzte Wegmarke, die man bei einem Umkehrpunkt oder einem interessanten Ereignis setzen kann
8.9 Kosten
Tatsächlich sind technische Tauchgänge durch die verwendeten Ausrüstungsgegenstände und Gase teurer als Sporttauchgänge, aber das teuerste ist und bleibt immer noch die Fahrt zum Tauchplatz. Dagegen spielen die Gaskosten in Europa nur eine untergeordnete Rolle. Wenn man beim Equipment oder den Gasen aus Preisgründen die Sicherheit vernachlässigt, sollte man lieber einem weniger teuren Tauchgang den Vorzug geben.
8.10 Ausrüstung
Im technischen Tauchen werden fast ausschließlich Trockentauchanzüge verwendet. Die Mehrzahl der Taucher benutzt Trilaminatanzüge. Als Anzuggas kommt wegen der besseren isolierenden Wirkung Argon zum Einsatz, bei sehr langen Tauchgängen im kalten Wasser werden auch elektrische Anzugsheizungssysteme eingesetzt. Diese verfügen im Regelfall über Heizleistungen zwischen 50 und 75 W. Leider