Gleich knallt's. Eva Encke

Gleich knallt's - Eva Encke


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Sie haben das verursacht, kein Wunder liebe Frau … ehm, dass Sie unglücklich sind …“

      „Aber …“

      „Ich …“, fingen Gabi und Frau Reinermann gleichzeitig an zu reden. Gunilla schnitt ihnen mit einer Handbewegung das Wort ab.

      „Ihr Schaden wird selbstverständlich ersetzt, reichen Sie mir nur die Quittung der Reinigung in mein Büro rein und Sie, Schwester Gabriele, Sie möchte ich morgen nach Dienstschluss bei mir sehen, guten Tag.“

      Damit verschwand sie aus dem Zimmer. Die beiden Frauen sahen sich an. Mist, dachte Gabi, jetzt bin ich geliefert. Egal, was ich sage, es wird keinen Einfluss haben. Frau Reinermann schaute richtig eingeschüchtert.

      „Die ist ja ganz schön schroff. Dabei wollte ich ihr gerade sagen, dass es ein Missgeschick war“, fügte sie noch leise hinzu.

      Gabi war so in ihre dunklen Gedanken versunken, dass sie gar nicht mitbekam, wie die Frau das Zimmer verließ. Diese Frau Reinermann war eine Hexe und brachte ihr nur Unglück. Da änderte eine kurze Feuerpause nichts daran.

      Abends saß Gabi in ihrer Stammkneipe bei Doris am Tresen und klagte ihr Leid.

      „Wenn ich daran denke, dass ich noch so viele Jahre malochen muss. Mir wird ganz schlecht. Vielleicht schmeiß ich doch alles hin und geh auf Stütze. Aber mit dem bisschen Kohle …“

      Doris schaute sie mitfühlend an. Dann schob sie ihr ein neues Bier hin.

      „He, kannst du nicht was gegen dieses Miststück unternehmen? Wenn ihr euch alle einig seid, dann könntet ihr sie doch sabotieren oder so was oder ihr irgendetwas unterschieben. Ich hab gerade so einen Krimi gelesen, da war das so, die haben einfach irgendwelche Dokumente manipuliert und so den Chef abgewürgt.“

      „He, glaubst du etwa, wir leben in einem Roman?“

      „Du hast schon recht, aber vielleicht kannst du früher in Rente gehen. Du musst nur berufsunfähig sein. Der Rudi, du weißt schon, der Typ von der Nadine, der ist erst an die vierzig und hat schon Rente und ich sag dir, die ist gar nicht knapp.“

      „Ja, und weswegen hat der Rente? Da musst du schon ziemlich kaputt sein, um berufsunfähig zu sein. Aber du hast mich da auf eine Idee gebracht, ich muss Prozente, so ein Behindertending, kriegen, dann ist es einfacher. Prozente. Muss mich mal erkundigen. Ja … ich weiß auch schon bei wem.“

      Ihr Gesicht hellte sich auf, sie trank ihr Bier. Gleich darauf kamen aber wieder die dunklen Gedanken. Morgen der Termin bei der Chefin, wer weiß, was dabei herauskam. Eine Verbannung bestimmt. Dabei fühlte sie sich so wohl bei den chirurgischen Männern. Aber Gunilla hatte sicher nichts Gutes mit ihr vor.

      Den restlichen Abend verbrachte sie damit, ihren Frust zu ersäufen.

      Es kam wie befürchtet. Während der gesamten Schicht quälte Gabi ein dumpfes Gefühl. Und das, obwohl sie erfahren hatte, dass der Reinermann praktisch wieder fit war und auch die anderen Patienten so was von gut zu händeln waren, dass sie normalerweise einen Luftsprung gemacht hätte. Aber da war dieses Schwert, das über ihr hing. Und das Ding hatte einen Namen: Gunilla.

      Sie fühlte sich wie ein schwerer nasser Sack, als sie vor deren Tür stand. Das herrische „Herein“ brannte sich schmerzhaft in ihren Bauch. Die Oberschwester thronte hinter ihrem Riesenschreibtisch wie eine Fürstin, als wolle sie sagen: ‚Seht her, ich Gunilla von und zu, empfange eine Untergebene, ich werde sie in den Staub schicken, sie soll vor mir kriechen.‘

      Und so war es auch. Gabi wurde ins Archiv versetzt. Den ganzen Tag würde sie staubige Akten einsortieren oder suchen, Papiere zuordnen und die Fremdbefunde einscannen müssen. Eine Arbeit für Idioten, nicht für eine qualifizierte Schwester, das war schon mal klar. Und, da sie keine Schwesternstelle besetzte, würden sich auch ihre Bezüge verändern; sie käme in eine niedrigere Gehaltsstufe. Vielleicht würde sie dann zu einem späteren Zeitpunkt eine Chance bekommen und wieder auf einer Station eingesetzt werden.

      Gabi war blass geworden und brachte gar kein Wort heraus. Nachdem sie das Büro verlassen hatte, fielen ihr eine Menge Sätze ein, die sie hätte sagen können und wollen, wenn auch die meisten nicht dem guten Ton entsprachen. Sätze, die mit: ‚Sie blöde …‘ anfingen, fielen ihr zum Beispiel haufenweise ein. Gabi schleppte sich die Treppe runter. Was sollte sie nur tun? Das war das Ende. Selbst wenn sie die Arbeit hinschmisse. Ein gutes Zeugnis konnte sie vergessen. Und das alles nur wegen dieser Kuh Reinermann.

      Ihr Kopf konnte einfach nicht mehr denken. Er war ausgefüllt mit einer Masse, die in klebriger Schwere nur noch schwarz und schwärzer zuließ. Ihre Füße konnte sie kaum vom Boden heben, fühlen konnte sie nichts mehr, alles vermischte sich zu einem ungenießbaren Einheitsbrei. Gabi spürte die Tränen nicht, die ihre Wangen herunterliefen. Schmerz, Trauer, Wut, alles eins.

      Auch diesen Abend verbrachte sie bei Doris an der Theke. Sie kippte ein Bier nach dem anderen und mehr als nur ein paar Klare, bis Doris ihr nur noch Cola gab und ein paar Kumpels aufforderte, sie nach Hause zu bringen. Später erinnerte sie sich an fast nichts, nur dass es zu viel Alkohol war. Das sagte ihr auch ihr Kopf, der sich anfühlte, als wären an ihrer Schädeldecke Stacheln nach innen gewachsen, die sich in jede ihrer Gehirnwindungen bohrten.

      Morgens lag sie stöhnend im Bett und verfluchte jeden Sonnenstrahl, der sich in ihre Nähe wagte. Die Vorhänge hatte sie vergessen zu schließen, als sie sich in voller Montur auf die Matratze geworfen hatte. Ins Bad musste sie kriechen. Dort kauerte sie sich auf den Boden vor der einladenden Schüssel und gab von sich, was noch in ihrem Magen war. Es dauerte Stunden, bis sie in der Lage war, etwas bei sich zu behalten. Gott, und dabei hatte sie Mittagsschicht. Am Telefon nuschelte sie was von „Magen-Darm“ in den Hörer und sie würde sich melden, wenn es ihr besser ginge. Dann verzog sie sich wieder in ihre Koje.

      Lotte

      „Au, verdammt!“ Charlotte warf das Unterhemd ihres Mannes auf den Boden. Seit zwei Stunden saß sie im Gästezimmer, das bei Bedarf in ein Nähzimmer umfunktioniert wurde, und besserte Unterwäsche ihres Mannes aus. Obwohl sie immer nur erste Qualität für Reinhard kaufte, schlichen sich nach einiger Zeit winzige Löcher ein. Deshalb hatte sie den ganzen Stapel, den sie vor sich auf dem Tisch aufgetürmt hatte, sorgfältig durchgesehen. Sie konnte doch ihren Mann nicht mit löchrigen Unterhemden zur Kur schicken!

      Nun hatte sie sich auch noch in den Finger gestochen und auf dem strahlend weißen Baumwollfeinripp Blutflecken hinterlassen.

      Das musste sie noch mal kochen, am besten vorher kalt einweichen, sonst bekam sie die Flecke nicht heraus.

      Lotte seufzte tief. Bis morgen musste sie alles fertig haben. Wie sollte sie das bloß schaffen?

      Anschlussheilbehandlung! Direkt nach dem Krankenhausaufenthalt zur Kur! Wer dachte sich so etwas nur aus? Die armen Ehefrauen der Patienten konnten zusehen, wie sie das alles schafften! Aber das interessierte ja die kompetenten Vertreter des Gesundheitswesens nicht. Die hatten ja Wichtigeres zu tun!

      Ob sie ihm auch noch zwei wärmere Pullover einpacken sollte? Es war zwar schon Mai, trotzdem konnte es noch mal richtig kalt werden.

      Besser ist besser, dachte sie und eilte ins Schlafzimmer, um die Pullover aus dem Kleiderschrank zu holen.

      Sie packte immer für ihren Mann den Koffer, auch wenn sie in Urlaub fuhren.

      Dann machte sie es gern, die Vorfreude auf den gemeinsamen Urlaub machte die Arbeit leicht.

      Aber nun fuhr er ja allein weg. Mit dem Zug nach Bad Kissingen. Ohne sie!

      „Ich bekomme meine Entlassungspapiere morgen schon ganz früh.“

      Reinhard Reinermann saß im Jogginganzug an dem kleinen Tisch unter dem Fenster und nahm sein Abendessen ein. In den letzten Tagen hatte er einen guten Appetit entwickelt, auch seine Gesichtsfarbe war nicht mehr so fahl und die Wangen wirkten wieder voller.

      „Um zehn Uhr geht der Zug ja schon. Du kommst also mit dem Koffer hierher, lädst mich ins Auto ein und fährst direkt mit mir zum Bahnhof.“

      Reinhard


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