Montagsmeeting. Kai Preißler

Montagsmeeting - Kai Preißler


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      Kai Preißler

      Montagsmeeting

      © 2014

Verlagslogo

      1. Auflage September 2014

      ©2015 OCM GmbH, Dortmund

      Gestaltung, Satz und Herstellung: OCM GmbH, Dortmund

       Verlag:

      OCM GmbH, Dortmund, www.ocm-verlag.de

      Printed in Germany

      ISBN 978-3-942672-28-3 (Print)

       ISBN 978-3-942672-29-0 (eBook)

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de.

      Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt auch für die fotomechanische Vervielfältigung (Fotokopie/Mikrokopie) und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

      Über dieses Buch

      Thomas Krallmann, von seinen Freunden „Hirni“ genannt, hat es geschafft! Nach dreiundzwanzig Semestern Germanistikstudium hat er endlich den Abschluss in der Tasche und beginnt seinen ersten richtigen Job – als unterbezahlter Praktikant in einer Eventagentur. Gefangen im aberwitzigen Irrsinn des Agenturalltags stolpert er von einer Absurdität in die nächste. Bis er gebeten wird, das Projektteam für „Private Events“ bei der Planung einer opulenten Hochzeitsfeier zu unterstützen. Die Braut ist keine Geringere als seine Ex-Freundin Imke. Hirni ahnt, dass er in den kommenden Wochen verdammt clever improvisieren muss.

      Inhaltsverzeichnis

       Pappkameraden

       Sechzehntausend

       James Bond

       Der Arschlutscher

       The Sky is the Limit

       Einen im Tee

       Ausgeblasene Eier

       Wasser findet immer einen Weg

       Voll auf die Zwölf

       Dampfbad

       Pfefferspray

       Brockhaus

       Die Kuh auf dem Eis

       Vitello tonnato

       Top of the Flops

       Niederkunft

       Simarik

       Mission Impossible

       Hohlraumdübel

      Pappkameraden

      „Ja, ist die denn bescheuert?“, denke ich und starre auf einen kleinen handgeschriebenen Zettel, den ich gerade eben in meinem Briefkasten gefunden habe. Um zu begreifen, lese ich die Zeilen noch einmal:

      Herr Krallmann,

      da ihr Fahrrad trotz mehrfacher Ermahnung erneut im Hausflur neben den Briefkästen stand, habe ich mir erlaubt, selbiges den Entsorgungsbetrieben zu übergeben.

      Gruß

       E. Rieke

      Mein Blick wandert nach rechts und tatsächlich steht dort nichts, das auch nur annähernd an mein altes Hollandrad erinnert.

      „Rieke, du blöde Kuh“, murmele ich und stapfe entschlossen hinaus auf die Straße, doch auch dort findet sich nicht der Hauch einer Spur meines Rades.

      Passanten auf dem Weg zur Arbeit trotten an mir vorbei. Einige mustern mich geringschätzig, andere schmunzeln und zwei Jugendliche mit Rucksäcken lachen sich schlapp. Schadenfreude kann offenbar so schön sein! Aber woher wissen die denn bitte, was passiert ist? Hat Frau Rieke ihren Brief etwa auch als Anzeige im Lokalteil der Zeitung geschaltet? Auf Facebook gepostet? Getwittert?

      Ich zeige den beiden Jugendlichen einen Vogel und will die andere Hand möglichst lässig in meiner Hosentasche vergraben, nestle aber etwas unbeholfen dort herum, wo die Finger in der Öffentlichkeit nichts zu suchen haben und in diesem Fall auch gar keine Tasche ist. Ich blicke an mir herab, richte meinen Blick dann wieder auf und atme tief durch. Es sind nicht allein meine für einen Mann recht untypischen Hausschuhe im Bärentatzen-Look, die die Leute amüsieren, auch nicht meine vom Kopfkissen zerknautschte Frisur im Stil eines Rosettenmeerschweinchens. Es ist schlichtweg vor allem mein alter Pyjama, der für Erheiterung und Unverständnis sorgt – das Oberteil nach ungezählten Maschinenwäschen schlabberig und die Hose so aus der Form geraten und eingelaufen, dass sie den UFA-Filmschauspielerinnen der Zwanzigerjahre schon fast wieder stehen würde. Ich sehe aus wie eine vermännlichte Marlene Dietrich, die der Nervenheilanstalt entflohen ist.

      Damit die hübsche Verkäuferin aus der Kamps Bäckerei schräg gegenüber nicht auch noch herüberschaut, drehe ich mich langsam um und gehe auf den Eingang des Mehrfamilienhauses zu, in dem ich seit einigen Wochen eine winzige Wohnung mit Blick auf einen Parkplatz gemietet habe. Ich habe die Tür fast erreicht, da öffnet sich diese einen Spalt und ein grauer Pudel an einer Leine tritt hinaus. Am Ende der Leine folgt ihm eine erschreckend rüstige Frau von gut und gerne achtzig Jahren. Ihre graue Krause, wie man die Dauerwelle hier im Ruhrgebiet nennt, ist Ton in Ton mit ihrer Garderobe und harmoniert prächtig mit der des Pudels. Elvira Rieke, meine Nachbarin, tritt hinaus und wirft einen fachkundigen Blick zum fast wolkenlosen Himmel. Sie entscheidet, ihren mitgeführten Knirps nicht aufzuspannen, womit in diesem Fall nicht der Pudel gemeint ist, und marschiert energisch los, nicht ohne mir einen ‚guten Start in den Tag‘ zu wünschen. Mein Gesicht bekommt einen wächsernen Ausdruck, so wie bei Auftragskillern im Film, unmittelbar bevor sie ihren Job erledigen.

      Mit einem kurzen Nicken zieht sie an mir vorbei und ich blicke ihr fassungslos hinterher. Die Art, wie sich diese ehemalige Oberstudienrätin mit Altersstarrsinn im Endstadium triumphierend entfernt, macht mir Angst und vor meinem geistigen Auge entwickelt sich der Plan zum Gegenschlag. Im Hausflur ist nämlich heute ein Parkplatz freigeworden und ich sollte mal schauen, ob das nichts für meinen alten Polo wäre.

      Im Moment freue ich mich jedoch auf ein wohlduftendes Wannenbad, um mich einzustimmen auf eine feucht-fröhliche Schicht im ,Wash & Go‘, wo ich diese Woche Dienst am Hochdruckreiniger habe und die in knapp zwei Stunden beginnt. Nein, ich arbeite nicht als Friseur, sondern ich jobbe in einer Waschstraße. Das ist zwar keine Tätigkeit, die man sich in den Lebenslauf schreiben würde, aber solange ich noch nicht Programmdirektor beim ZDF oder Werbetexter bei Mercedes-Benz bin, kommen so einige Hundert Euro im Monat zusammen, mit denen ich mir wenigstens die Miete für meine Wohnung unter Elvira Rieke und den Sprit für meinen Polo leisten kann. Grundsätzlich sind zwei Stunden natürlich eine Menge Zeit, um zur Arbeit zu gelangen, nicht jedoch, wenn man den ,Wash & Go‘-Overall am Vortag mit Himbeersirup versaut, über Nacht in der Waschmaschine vergessen hat und mit einem handelsüblichen Reiseföhn wird trockenblasen müssen. Da der Morgen bisher nicht besonders glücklich begann und gewiss noch das ein oder andere Pech dazukommen wird, habe ich gute Chancen, den Tag in klammen Klamotten verbringen zu müssen. Halbnasse Overalls kleben gerne am Körper und tragen in der Regel auch unschön auf. Das mag bei Brad Pitt ganz sexy sein, bei mir weckt es eher Mitleid.

      Als ich meine kleine Wohnung betrete, höre ich meine eigene Stimme. Nein, ich bin nicht reif für die Klapse, obwohl ich für die schon das passende Outfit trage, sondern stolzer Besitzer eines automatischen Anrufbeantworters, auf dem ich soeben einen Anrufer begrüße.

      „Hallo,


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