Montagsmeeting. Kai Preißler

Montagsmeeting - Kai Preißler


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der vergangenen Dreiviertelstunde keine Runde auf dem Laufband gedreht hat. Bonds elegante zweireihige Anzugjacke passt nicht ganz zum Stil der dunkelblauen Jeans, wohl aber zu den glänzenden schwarzen, garantiert rahmengenähten Schuhen. Seine Haare sind einen Tick zu lang und mit Haarwachs in Form gebracht. Er beendet sein Telefonat, in dem es offenbar um eine Verabredung zum Kartfahren geht, und dreht sich zu uns um. Während er mich mustert, lutscht er lässig seine Zähne sauber, zieht noch mal an seiner Zigarette und geht mit maskulinem Gang bis zur Kante seines Schreibtisches, wo er stehen bleibt und sein Kinn vorschiebt. Testosteron liegt in der Luft und ich bin mir sicher, dass es nicht meins ist. Für Frauen, die auf Porschefahrer und Puffgänger stehen, ist dieser Typ garantiert das personifizierte Weihnachten. Für alle anderen ein neureicher Prolet. Mit einer zackigen Bewegung schüttelt er seine Rolex hervor und legt die Stirn in Falten.

      „Lasst uns hinne machen. Gleich ist Meeting.“

      Er streckt mir die Hand entgegen. „Danny Hahn. Und du bist?“

      Alles klar, wir sind beim Du. Ich schüttele die Hand, die Minuten zuvor wahrscheinlich noch Frau Dahlkes Hintern umklammert hielt. Ein Odeur aufdringlichen Rasierwassers und Zigarettenrauchs weht mir entgegen. Seine Hand fühlt sich zudem nicht ansatzweise so frisch gewaschen an wie die von Frau Dahlke.

      „Thomas Krallmann. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.“

      Danny Bond Hahn sieht mich fragend an. Dann wandert sein Blick zu seiner Kollegin.

      „Das ist doch der Support für Pias Team“, klärt sie ungewohnt temperamentvoll auf. Offenbar gerät sie beim Anblick von Danny schon wieder in Wallung.

      Danny Hahn schaut sie fragend an. „Ach, der Hiwi?“

      Pinella Dahlke nickt.

      Support? Hiwi? Alles klar! Hier weiß eine Hand nicht, was die andere tut. Ich räuspere mich. Damit es nicht noch peinlicher wird, kläre ich die Situation mit wenigen Worten auf.

      „Ich war vor zwei oder drei Monaten zum Vorstellungsgespräch bei Herrn Kuhn.“

      Danny Hahn macht ein gleichgültiges Gesicht, das er sich garantiert bei den James-Bond-Bösewichten abgeguckt hat. Ich bin mir jetzt sicher, dass er die gesamte DVD-Collectors-Edition im Billyregal hat.

      „Herr Kuhn ist nicht mehr bei uns beschäftigt.“ Ich merke, wie die Temperatur im Raum binnen Sekunden gen Gefrierpunkt fällt.

      Er lässt den Satz im Raum stehen und überlässt es meiner Fantasie, mir vorzustellen, was mit Herrn Kuhn wohl geschehen sein könnte. Entlassen? Geflohen? Liquidiert? Einen Moment herrscht Schweigen.

      Muss ich jetzt was sagen?

      Es gibt Situationen, da sollte man einfach nur die Schnauze halten und dennoch redet man sich um Kopf und Kragen. Meine Worte sind nicht wirklich wohlüberlegt, aber offenbar ist genau das Danny Hahns Sprache.

      Im Tonfall eines Oberarsches frage ich nämlich: „Was hat er gemacht? Werbekulis geklaut oder in der Agentur ’nen Tripper verbreitet?“

      Danny Hahn blickt mich an, als hätte ich ihm eben erzählt, Sean Connery sei schwul und Pierce Brosnan im wirklichen Leben Stewardess bei British Airways. Pinella Moneypenny Dahlke hat plötzlich noch mehr Farbe im Gesicht und droht zu platzen.

      „Okay“, denke ich, ,das war’s dann wohl. Dann verbringe ich den Tag halt nicht beim Meeting, sondern im klammen Overall.‘

      Danny Hahn beugt sich ein wenig nach vorn, als wolle er mir etwas anvertrauen.

      „Der ist mit unserem wichtigsten Kunden zur Konkurrenz nach Düsseldorf.“

      Oha. Da lag ich mit dem Tripper wohl gründlich falsch. Womöglich habe ich Alphamännchen Hahn jetzt erst auf die Idee gebracht, dass auch andere in diesem Laden die Schreibtische nicht ausschließlich zum Schriftverkehr gebrauchen. Statt mich jedoch aus der Agentur zu schmeißen, liegt Anerkennung in seinem Blick. Habe ich etwa genau seinen Ton getroffen?

      „Ziemlich schlechter Stil, oder?“, frage ich.

      „Aber so was von!“, sagt Danny Hahn und blickt mich an, als hätte ich den komplexesten Sachverhalt der Welt endlich durchschaut.

      Er überlegt noch einen Moment und wendet sich dann ruckartig an Pinella Dahlke, die immer noch aussieht, als wäre bei ihr eine Klinikpackung Betablocker fällig.

      „Komm, lass uns den Vertrag fertig machen.“ Er kneift mir ein Auge zu. Ich freue mich wie ein junger Hund und wedele unauffällig mit dem Schwanz. Das lasse ich jedoch ganz schnell wieder sein, um eine gewisse professionelle Distanz aufrecht zu halten. Das Letzte, was ich schließlich will, ist eine Männerfreundschaft mit Danny Hahn und gemeinsame Videoabende mit gerührtem Martini.

      Pinella Dahlke, die knapp am nervösen Zusammenbruch vorbeigeschrammt ist, schiebt mir ein paar Unterlagen herüber und ich setze mich auf einen der Besucherstühle, um die Zeilen zu überfliegen. Wie ein Idiot bin ich nicht in der Lage, mich zur zweiten Zeile vorzuarbeiten, da ich immer wieder in der ersten hängen bleibe. Säße ich nicht bereits auf einem Stuhl, würde ich spätestens jetzt um einen bitten. Nach einer gefühlten Ewigkeit blicke ich auf und sehe die beiden an wie Rudolph Mooshammer, der von Daisy zum Oralverkehr genötigt wird. Mein Mund formuliert ein Wort, das halb Frage, halb Feststellung ist.

      „Praktikumsvertrag?!“

      Vier große Augen blicken mich an. Pinella Dahlke ergreift als erste das Wort. „Was stimmt denn nicht?“

      Ich überlege, ob ich darauf tatsächlich antworten oder kommentarlos gehen soll.

      „Das ist ein Praktikumsvertrag“, wiederhole ich betont sachlich und spüre, wie mir die Galle den Hals hinaufkriecht. „Ich hatte mich auf eine Festanstellung beworben.“

      Schmierlapp Bond atmet durch und zieht ein Schüppchen. „Das ist bei uns ein ganz normaler Vertrag.“

      Meine Verwirrung wächst. „Inwiefern?“

      „Solche Verträge haben bei uns fast alle.“

      „Alle haben Praktikumsverträge? Sie auch?“

      Danny Hahn schiebt brüskiert sein Kinn hervor. „Ich nicht. Ich bin ja ein Leader.“

      Ein Leader, so so.

      „Und Sie?“, wende ich mich an Pinella Dahlke.

      „Ich auch nicht. Ich bin ja …“ Sie stockt. Offenbar hat sie vergessen, was sie hier macht.

      ,… die, die der Boss poppt‘, vollende ich in Gedanken.

      „Und wer hat hier Praktikumsverträge?“, frage ich.

      Danny setzt sich in seinen gigantischen Chefsessel, der aber offenbar nicht so teuer war, wie er aussieht und Geräusche macht, um die ihn jedes Furzkissen beneiden würde.

      „Die meisten haben hier Praktikumsverträge“, erklärt er mir im Tonfall des Ertappten. „Das sind aber eigentlich keine Praktikanten, sondern die haben Aufgaben wie richtige Angestellte.“

      Er sagt dies, als sei es die größte Selbstverständlichkeit der Welt. „Praktikumsverträge lassen sich nur halt besser aufheben“, schließt er seine Erklärung ab.

      Ich blicke ihn fragend an. „Die kann man schneller kündigen?“

      „Richtig“, raunt Danny, als habe ich die Millionenfrage beantwortet. Um seiner Anerkennung Nachdruck zu verleihen, schnipst er und deutet mit dem Zeigefinger auf mich, als sei ich der Schnellmerker schlechthin.

      Ich bin mir sicher, dass er mir nach der nächsten clever beantworteten Frage anerkennend in die Wange kneift und mich spontan zum Mitarbeiter des Tages ernennt.

      Gut, normale Angestellte sind in Dannys bunter Welt also Praktikanten. Kommen wir zum nächsten heiklen Punkt meines Vertrages, wenngleich ich weiß, dass Danny die Frage nicht gefallen wird, zumal er doch hinne machen wollte.

      „Und werden alle Praktikanten so bezahlt, wie in diesem Vertrag?“

      Danny


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