Big Ideas. Das Management-Buch. Philippa Anderson
selbst wenn sie auf dem Papier sehr überzeugend wirken. Kenntnisse über die Konkurrenz und den Markt sind erforderlich, um herauszufinden, ob tatsächlich Potenzial vorhanden ist. Wer will die gleichen Kundengruppen erreichen? Bieten die Wettbewerber direkte Konkurrenz- oder auch Ersatzprodukte an? Wie werden die Wettbewerber auf dem Markt wahrgenommen? Wie groß ist der Markt?
Die globalen Märkte sind hart umkämpft. Will ein Unternehmen eine profitable Nische finden, sollte sich sein Angebot durch Einmaligkeit auszeichnen, damit es Aufmerksamkeit weckt. Die meisten verfolgen eine Strategie der Differenzierung: Sie zeigen den Kunden, dass sie etwas bieten, das die Konkurrenz nicht hat – ein funktionales oder emotionales Alleinstellungsmerkmal (USP oder ESP).
»Nur eines ist schlimmer, als bei einem Versuch zu scheitern … und zwar, den Versuch erst gar nicht zu wagen.«
Seth Godin Unternehmer (geb. 1960)
So versucht jedes Unternehmen in jedem Stadium des Produktionsprozesses – von der Rohstoffgewinnung bis zum Service nach dem Kauf –, sich mit seinen Produkten und Dienstleistungen von allen anderen abzuheben. Buchläden präsentieren beispielsweise oft sehr viele Bücher zu ein und demselben Thema, die durch ihr Umschlagdesign, ihr Format und manchmal auch ihre Größe auffallen sollen.
Zwei Faktoren beeinflussen, wer sich einen Vorsprung sichern kann: Entweder man ist der Erste in einer Marktnische oder man unterscheidet sich stark vom Wettbewerb. eBay war 1995 die erste Online-Auktionsfirma, sie dominiert seither den Markt. Auch Volvo sah zuerst den Markt für Luxusbusse in Indien und erreicht dort einen sehr guten Absatz. Facebook war zwar nicht das erste soziale Netzwerk, aber es hat das am besten akzeptierte Produkt und daher Erfolg. Ist die Firma dann etabliert, steht sie direkt vor der nächsten Herausforderung: Der Absatz muss sowohl kurz- als auch langfristig wachsen.
Anpassung ist alles
Das dauerhafte Überleben hängt davon ab, dass sich ein Unternehmen laufend neu erfindet und umstellt. So bleibt es immer einen Schritt voraus. In dynamischen Märkten, die sich ständig verändern, verliert die ursprüngliche Idee oft schnell an Wirkung oder sie wird kopiert. Selten bewegen sich Unternehmen in einer konstanten Umgebung. Vielmehr sind sie wie lebende Organismen in Ökosystemen, die sich ständig anpassen müssen. In dem Buch Reinventing Giants (2013) schreiben Bill Fischer, Umberto Lago und Fang Liu, dass die chinesische Haushaltsgerätefirma Haier sich in den letzten 30 Jahren mindestens dreimal neu erfunden hat. Kodak dagegen, im 20. Jahrhundert ein riesiger US-Konzern, reagierte zu langsam auf die digitale Fotografie und ging bankrott.
Doch nicht nur das Unternehmen, auch der Gründer muss sich ändern. Die meisten Firmen bleiben so klein wie am Anfang, weil nur wenige Unternehmer bereit und fähig sind, den nächsten Schritt zu gehen und Personen als Mitarbeiter einzustellen, die nicht zu Familie oder Freundeskreis gehören. Die Entwicklung vom Unternehmer zur Führungspersönlichkeit stellt neue Anforderungen und erfordert ganz andere Fähigkeiten. Wo einmal Ideen, Energie und Leidenschaft zählten, werden plötzlich formale Systeme, Abläufe und Prozesse – kurz: Management – gebraucht. Gründer müssen lernen zu delegieren, zu kommunizieren und zu koordinieren – oder sie müssen Leute einstellen, die das können.
Wie Larry Greiner es in seinem Aufsatz Evolution and Revolution as Organizations Grow (1972) ausdrückte: Wenn ein Unternehmen wächst, ändern sich die Anforderungen. Sein Wachstumsphasenmodell (»Greiner Curve«) zeigt, dass es in der ersten Zeit nach der Gründung auf Eigeninitiative ankommt, während der Übergang zu nachhaltigem, erfolgreichem Wachstum nur mit erfahrenem Personal und festen Systemen möglich ist. Statt Unternehmergeist wird dann professionelles Management wichtig für die Entwicklung. Manchen Führungskräften wie Bill Gates und Steve Jobs gelang der Wandel vom unternehmerischen Gründer zum Unternehmensführer, doch viele haben große Schwierigkeiten mit den notwendigen Veränderungen. Einige scheitern bei dem Versuch, während andere von vornherein beschließen, nicht zu wachsen.
Im Gleichgewicht
Die Wachstumsgeschwindigkeit ergibt sich also aus den Wünschen und Fähigkeiten des Gründers. Die Idee ist nur überlebensfähig, wenn sie eine Nische füllt und der Gründer genug Unternehmergeist hat. Er muss die Idee – und sich selbst – flexibel an die Anforderungen des Unternehmens und des Marktes anpassen. Glück spielt zwar eine gewisse Rolle, aber das Gleichgewicht dieser Faktoren bestimmt, ob ein kleines Start-up großen Erfolg hat oder nicht.
»Wenn man den Wert seiner Ideen beweisen und andere Leute davon überzeugen muss, dafür zu bezahlen, denkt man sofort wesentlich klarer.«
Tim O’Reilly Unternehmer (geb. 1954)
TRÄUME SIND DA, UM SIE ZU VERWIRKLICHEN
VON DER IDEE ZUR UMSETZUNG
IM KONTEXT
SCHWERPUNKT
Start-up-Unternehmen
WICHTIGE DATEN
18. Jh. Der im englischsprachigen Raum verwendete Begriff »Entrepreneur« (Unternehmer) beschreibt jemanden, der das Risiko eingeht, zu einem Festpreis zu kaufen, obwohl der Verkaufspreis nicht feststeht.
1946 Professor Arthur Cole lenkt mit An Approach to Entrepreneurship Aufmerksamkeit auf die Unternehmer.
2005 Die Non-profit-Website Kiva.com vergibt Kleinkredite an sehr kleine Unternehmen.
2009 Mit Crowdfunding-Websites wie Kickstarter.com können Privatpersonen Unternehmungen finanzieren.
2013 Eine Studie von Ross Levine und Yona Rubinstein zeigt, dass viele erfolgreiche Unternehmer als Teenager aggressiv waren, Regeln verletzten und Probleme hatten.
Es gibt viele Gründe, sich selbstständig zu machen. Manche träumen davon, ihr eigener Herr zu sein, andere davon, ihr Hobby in ein profitables Unternehmen zu verwandeln, ihre Kreativität auszuleben oder eine angemessene Belohnung für ihre harte Arbeit zu erhalten. Walt Disneys Leitspruch: »Wenn du etwas träumen kannst, kannst du es auch tun« ist gut und schön, doch oft muss der Gründer ein Risiko dabei eingehen. Er muss den Mut aufbringen, eine bezahlte Arbeitsstelle aufzugeben, sich selbstständig zu machen und einer unsicheren Zukunft entgegenzugehen. Oder der Anstoß kommt von außen – oft eine Kündigung und die damit verbundene Abfindung. Zudem gibt es immer mehr Gründer, die bereits mit Anfang zwanzig genug können und die Aufregung und Freiheit eines eigenen Unternehmens genießen wollen.
Der Glaube an die Idee
Eine Eigenschaft vereint alle Unternehmer: ihre Risikobereitschaft. Kaum einer schafft es beim ersten Mal. Sie müssen widerstandsfähig sein, um Rückschläge zu überwinden, und durchhalten, selbst wenn sie von Kunden, Banken und Investoren immer wieder abgewiesen werden. Ohne festen Glauben an die eigene Idee geht es nicht. Die meisten Start-ups brauchen in den frühen Wachstumsphasen Fremdkapital. Dann muss der Gründer Banken und andere Geldgeber überzeugen, dass sein Konzept gut und er fähig ist, die Idee in ein profitables Geschäft zu verwandeln, auch wenn das etwas dauert. Amazon zum Beispiel fuhr erst nach sechs Jahren Gewinne ein. In letzter Zeit ist die Finanzierung eines Start-ups etwas einfacher geworden. Viele Regierungen bieten