Cher - Die Biografie. Peter Lanz
tief. Ich hatte draußen bleiben müssen. Mein Selbstvertrauen war nie sehr groß.«
So problematisch auch Chers musikalisches Debüt war, im Privatleben hing Chers Himmel jedoch voller Geigen: Sie war bis über beide Ohren in Sonny Bono verliebt. Am 21. Oktober 1963 hatte das Gericht von Kalifornien die Scheidung von seiner ersten Frau Donna ausgesprochen, es war ein relativ friedliches Verfahren gewesen. Entweder wusste Donna wirklich nichts von Cherilyn oder sie wollte sich den Skandal sparen oder Sonny möglichst schnell loswerden, jedenfalls wurde in den ganzen Verhandlungen der Name der jungen Geliebten ausgespart.
Zu dieser Zeit drehten Elizabeth Taylor und Richard Burton gerade den Monumentalfilm Cleopatra, und die ganze Welt nahm Anteil an der Liebesgeschichte der beiden Hollywoodstars, die während der Studioarbeiten ungeniert miteinander turtelten und ihre Beziehung – trotz anderweitiger Bindung – nie verheimlichten. Sonny war von dieser Love Story völlig hingerissen und redete Cher ein, sie müssten sich von nun an »Caesar and Cleo« nennen. Er fing auch an, Cher im normalen Leben »Cleo« zu rufen. Cher fand das ganz witzig, bewies es ihr doch einmal mehr die Liebe und Aufmerksamkeit von Sonny, aber als alle Freunde und Bekannte weiterhin stur bei Sonny & Cher blieben, ließ Sonny seinen Plan, sich und Cher einen Künstlernamen zuzulegen, wieder fallen.
Während der ganzen Zeit hatte Sonny Bono seine Arbeit als Komponist nicht aufgegeben. Gemeinsam mit Jack Nitzsche schrieb er damals ein Lied, das der erste wirklich große Erfolg von Salvatore Bono werden sollte: Needles and Pins, interpretiert von Jackie DeShannon. (Später nahmen auch The Searchers sowie Bobby Vee und Gary Lewis die Nummer auf.) Phil Spector akzeptierte Sonny zum ersten Mal als ernsthaften Musiker, die Einspielergebnisse der Single hatten ihn letztendlich überzeugt. Aber da Spector Experimente verabscheute, drängte er Sonny, künftighin auch alle weiteren Songs gemeinsam mit Jack Nitzsche zu erarbeiten, um an Needles and Pins anzuschließen.
Sonny Bono hatte jedoch kein Interesse, seine geschäftliche Zukunft von einem anderen Songschreiber abhängig zu machen, er setzte verbissen auf das Talent von Cher und spielte zum ersten Mal ernsthaft mit dem Gedanken, eine eigene große Firma aufzuziehen und nicht mehr für Phil Spector zu arbeiten, sondern ihm Konkurrenz zu machen.
Der Misserfolg von Chers Ringo, I Love You war eine gute Gelegenheit, die Zusammenarbeit mit Phil zu beenden. Und nachdem der nicht gerade extrem großzügige Phil Geld bei dem Projekt verloren hatte, legte er Sonny nichts in den Weg, als dieser sich von ihm trennen wollte.
Freunden von damals schien es, als sei die junge Cher dem gewieften Geschäftsmann Sonny völlig verfallen gewesen. Er fuhr große Autos und redete immerfort von weitreichenden Plänen. Cherilyn, damals extrem mager, das lange schwarze Haar zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden und meist in Schwarz gekleidet, saß still dabei, wenn Sonny sich unterhielt, kicherte nur manchmal und wartete darauf, dass er ihr hin und wieder Anweisungen ins Ohr flüsterte, die sie wortlos befolgte.
Cher hatte immer noch Verbindung zu Gilbert LaPiere, einem ihrer Stiefväter und einem sehr wohlhabenden Banker, den sie gern mochte und der ihr auch weiterhin zugetan war, nachdem er sich von ihrer Mutter getrennt hatte. Einmal bestand der Plan, dass Gilbert LaPiere eine riesige Promotionskampagne für Cher finanzieren sollte. Sie wollte eine Single machen, für die ihr Ex-Stiefvater aufkommen sollte. Es war die Rede von 40.000 Dollar, die das kosten sollte. Wie es schien, war Gilbert ehrlich vom Talent seiner Stieftochter überzeugt, jedoch dürfte ihm Georgia am Ende das Vorhaben ausgeredet haben. Sonny: »Sie sagte ihm, das sei Kinderzeug, und er könne besser sein Geld gleich beim Fenster hinauswerfen.«
Für die Branche war es zu jenem Zeitpunkt unübersehbar, wie sehr Sonny Bono immer noch von seinem ehemaligen Arbeitgeber Phil Spector beeinflusst war. Er hatte sich angewöhnt, so wie Phil zu reden, und er kleidete sich auch ähnlich.
In der Musikszene in Kalifornien war man ziemlich eng miteinander befreundet. Darlene Love, Brian Wilson von den Beach Boys, Sonny, die Rolling Stones – man traf sich häufig, ging zusammen essen oder auf einen Drink. Cher nahm, um Geld zu verdienen, eine ganze Menge Angebote für Background Vocals an. Ihre Stimme wurde immer sicherer und stärker, oftmals gab es Probleme, weil sie die Sänger, die sie unterstützen sollte, mit der Kraft ihres Gesangs übertönte. Sonny versuchte selbst alle möglichen Wege, um populär zu werden: Gemeinsam mit Cher machte er unter dem Pseudonym »Caesar and Cleo « Platten, Cher nahm solo Baby Don’t Go auf, und im November 1964 bekamen Sonny & Cher ihr allererstes gemeinsames Engagement im Purple Onion Night Club in Los Angeles.
Die größten Stars der Zeit waren Ike und Tina Turner, die an dem Abend auch den Hauptteil der Show bestritten. Die geballte Sexualität, die Tina Turner auf der Bühne verkörperte, und die – in den aufbrechenden 1960er Jahren – wilde, zeitgemäße Musik der beiden Stars, lockte hunderte Leute an. Damals waren Ike und Tina auch bei Phil Spector unter Vertrag. Es ist heute bereits Legende, wie Tina, die im Sommer 2013 ihren deutschen Lebensgefährten Erich Bach heiratete, den Hit River deep Mountain high in den Gold Star Studios aufnahm. Man erzählte sich, dass sie in der Hitze des Gefechts so in Rage gekommen sei, dass sie sich vor aller Augen die Bluse vom Leib gerissen und mit nacktem Oberkörper, nur im BH, weitergesungen habe. Ike hatte damals öfter Auseinandersetzungen mit Phil Spector. Während Spector von der Ausdruckskraft Tina Turners beeindruckt war und überzeugt schien, dass sie über kurz oder lang ein Weltstar werden würde, hielt er von ihrem Mann Ike nie sehr viel. Es gab sogar Platten, auf denen Ike zwar als Interpret genannt wurde, aber keinen Ton gesungen hatte, weil Phil ihn aus dem Studio geworfen hatte und seinen Part von Background-Sängern machen hatte lassen.
Phil Spector konnte sehr brutal werden, wenn er sich mit einem Künstler zankte. Er hatte immer griffbereit die Pistole bei sich und zögerte nicht, im Studio herumzuballern, um den anderen Angst zu machen. Er war Genius und Monster in einer Person, schizophren und aggressiv, und er wurde zu einer Haftstrafe von 19 Jahren verurteilt, weil er 2003 die Schauspielerin Lana Clarkson erschossen haben soll. Al Pacino spielte Jahre später in einer Hollywood-Produktion den Musikproduzenten, der mit den Jahren sich immer skurriler benahm, seine Glatze mit verrückten Perücken bedeckte und in drei Ehen vier leibliche Kinder hatte und fünf weitere Kinder adoptierte. Phil Spector hatte seinen ersten Hit im Alter von 18 Jahren geschrieben: To Know Him Is To Love Him. Phillip Harvey Spector, 1934 in New York als Sohn russischer Emigranten geboren, dominierte die Musik der 1960er Jahre und produzierte die ersten Soloalben von George Harrison und John Lennon, die jeweils Welterfolge wurden.
Damals, im Herbst 1964, waren die dunkelhäutigen Turners in Kalifornien viel prominenter als Sonny & Cher, und Cher erinnerte sich, zu welch einem Desaster der erste Auftritt von ihr und Sonny wurde: »Die Leute im Publikum wollten Tina und Ike sehen. Sie hatten wahrscheinlich noch nie zuvor von uns gehört. Sie saßen gelangweilt da und gähnten mir ins Gesicht.« Cher hatte Bedenken, überhaupt auf die Bühne zu gehen, sodass sie Sonny mit sanfter Gewalt hinausdrängen musste.
Beim ersten Mal traten die beiden im Geschwister-Look auf: Sie in einem beigen Ensemble, dazu Schuhe mit sehr hohen Absätzen, und er in einem passenden, gleichfarbigen Anzug. Für den Auftritt bekamen Sonny & Cher ungefähr hundert Dollar. Kurz darauf folgte ein anderes Engagement in Long Beach, als Anheizer für Tom Jones.
Die beiden kamen zu der Zeit ganz gut über die Runden. Sie wohnten im Penthouse von Chers Mutter am vornehmen Beaumont Drive von Los Angeles und sparten so das Geld für eine eigene Behausung. Cher: »Mutter hatte sich zwar mit Sonny als meinem Lebenspartner nicht abgefunden, aber sie nahm ihn in Kauf, um mich in ihrer Nähe zu wissen.«
Bei ihrer ersten Konzerttournee waren sie im Vorprogramm von Dave Clark Five und The Animals. Sie bekamen 350 Dollar Gage pro Woche und hatten in 45 Tagen mehr als dreißig Auftritte zu absolvieren. »Teilweise«, erinnerte sich Sonny, »waren es lausige Hallen mit einem unmöglichen Sound-System. Wir spielten nicht in den besten Konzertsälen, sondern oft in irgendwelchen größeren Hinterzimmern, und jeder musste sehen, wie er an sein Geld kam.«
Wenn Rock ’n’ Roll angesagt war, flippten die Fans oftmals aus. Cher: »Wir konnten damals kaum ein Konzert beenden, weil es unten zu irgendwelchen größeren Schlägereien zwischen den Zuschauern kam. Wir packten einfach unsere Gage und hauten ab.« Die Begleitbands der Stars wechselten von Ort zu Ort, genauso die Leute, die für den Sound und die Beleuchtung verantwortlich waren.