Cher - Die Biografie. Peter Lanz
Jeden Cent, den er verdiente, steckte Sonny Bono damals in seine Karriere. Songs, die Battiste nicht akzeptierte, brachte er in zwei eigenen Firmen auf den Markt. Unter den Pseudonymen Ronny Sommers und Don Christy sang er auch selbst. Allerdings beachtete kaum jemand seine Platten. Ein Lied von ihm, She Said Yeah, war in der Urfassung ein ziemlicher Reinfall, wurde aber viele Jahre später, als die Rolling Stones den Song noch einmal einspielten, ein echter Hit. Ein anderes Lied von Sonny Bono aus der damaligen Zeit, das er mit Don und Dewey herausbrachte, Ko Ko Joe, wurde 1963 von den Righteous Brothers aufgenommen und platzierte sich als Remake gleich an der Spitze der Charts. Mag sein, dass Sonny Bono damals einfach dem Geschmack seiner Zeit voraus war und die Menschen nicht recht zu schätzen wussten, welche Ohrwürmer Sonny Bono ihnen servieren konnte.
Einmal, es muss 1958 gewesen sein, hatte Sonny Bono ein Schlüsselerlebnis. Er trat abends öfter mal in Konzerthallen auf, um seine Songs vor Publikum vorzutragen. »Und da saß ich in der Garderobe und an der Wand hingen Fotos von all den Stars, die schon mal da aufgetreten waren. Ich musste immer daran denken. Endlich kam ich an die Reihe, ging hinaus, nahm das Mikrofon in die Hand – und plötzlich war da wieder das Bild von Elvis Presley aus der Garderobe. Und im selben Moment war es mir, als säße ich jetzt da unten bei den Zuschauern und könnte mich selbst sehen. Und ich sagte mir, verdammt, Bono, willst du wirklich ein Sänger werden? Hast du ehrlich das Zeug dazu?«
Mit der Zeit wurde Sonny in der Plattenindustrie von Südkalifornien ein fester Bestandteil: ein Mann, der das Gespür für Lieder hatte und der vor allem seine Künstler besser »verkaufen« konnte als jeder andere. Wenn er von einem der viel gehörten Radiosender eingeladen wurde, über einen der Sänger von Specialty Records zu plaudern, konnte man sicher sein, dass am anderen Tag die Plattenverkäufe sprunghaft anstiegen. Sonny, das war ein Typ, der Eskimos Kühlschränke verkaufen konnte.
Genau so einen Mann suchte Phil Spector, der Besitzer von Philles Records. Viele der ganz großen Stars waren bei Philles Records unter Vertrag – The Crystals, Bob B. Soxx and the Blue Jeans, Darlene Love und natürlich The Ronettes.
Phil Spector selbst war ein genialer Geschäftsmann, er war knallhart, emotionslos, und er hatte wenige Freunde. Als der gebürtige New Yorker erkannte, dass die neue, erfolgreiche Musik in den 1950er Jahren im Westen der Vereinigten Staaten gemacht wurde, übersiedelte er mit seinem Büro nach Los Angeles. Seine Maxime lautete: »Es gibt nur zwei Menschentypen – Gewinner und Verlierer.« Er selbst zählte sich selbstverständlich zu den Gewinnern. Obwohl nicht mehr ganz jung, wirkte er immer noch jungenhaft, er war klein gewachsen, schlank, flink. Phil Spector strahlte in Verhandlungen eine eisige Kälte aus. Er hatte die Angewohnheit, seinen Gesprächspartnern nicht in die Augen zu sehen.
Spector machte seine besten Geschäfte mit schwarzen Musikern, er setzte schon früh auf Soul. Und sein Gefühl trog ihn nie. Als er mit seiner späteren Ehefrau Veronica Bennett Be my Baby aufnahm, »wusste ich bereits, dass das ein Welthit wird«, sagte Spector später.
Veronica – genannt Ronnie – war ein einfaches Mädchen aus Brooklyn, ehe Spector sie mit den Ronettes entdeckte und ihnen Musikstoff für eine Weltkarriere gab. Zusammen mit Ronnie waren noch ihre Schwester Estelle und die Cousine Nedra Talley aus Harlem bei den Ronettes. Die Mädchen hatten eine merkwürdig anmutende Angewohnheit: Sie nahmen ihre Platten nur in völlig abgedunkelten Studios auf. Ronnie Spector sagte später darüber: »Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren und Emotionen freilegen, wenn ich dauernd all die Kabel, Mikrofone und Bandmaschinen im Auge hatte.« Phil Spector, der ansonsten für Spleens wenig übrig hatte, gestand seiner späteren Ehefrau alle möglichen Marotten zu. Er selber hatte auch einen Tick: Er ließ in die Auslaufrille der Platten immer seinen und den Vornamen seiner damaligen Frau, Annette, eingravieren. Als er dann Ronnie kennenlernte und Be my Baby aufnahm, fehlte zum ersten Mal Annettes Name auf der Platte … The Ronettes landeten einen Hit nach dem anderen. Sie nahmen Walking in the Rain auf und Do I Love You?.
Phil Spector kümmerte sich über alle Maßen um das Mädchentrio, und bald war in der Branche klar, dass der Erfolg nicht so sehr auf der einzigartigen Stimme von Veronica Bennett beruhte, sondern vor allem dem Marketinggeschick von Phil Spector zu verdanken war. Als die Beatles auf Amerika-Tournee gingen, verstand es Spector, ihnen The Ronettes als Vorgruppe aufzuschwatzen.
Der knallharte Geschäftsmann Spector war von seiner neuen Liebe Veronica völlig gefangengenommen. Er überschüttete sie mit Geschenken, kaufte ihr die teuersten Juwelen, richtete ein riesiges Haus für sie ein, las ihr jeden Wunsch von den Augen ab – und versuchte, sie ganz nach seinem Geschmack zu formen.
Während The Ronettes populäre Musik machten, musste Ronnie – Phil nannte sie immer mit ihrem vollständigen Namen Veronica – daheim ausschließlich klassische Musik hören. Er verbot ihr auch, allein oder mit Freunden auszugehen. Phil nahm Ronnie voll und ganz in Besitz und wachte eifersüchtig mit Argusaugen über sie.
Dieser Phil Spector, den Sonny Bono damals kennenlernte, imponierte Sonny vom ersten Moment an. Zu jener Zeit dürfte sich auch bereits bei ihm der Plan abgezeichnet haben, genauso wie Phil Spector mit Hilfe einer talentierten Sängerin, die er an sich binden wollte, all das geschäftlich zu verwirklichen, was ihm bisher versagt geblieben war.
Sonny Bono war – im Gegensatz zu Phil Spector – ein Typ, der es verstand, sich schnell Freunde zu machen. Er war hilfsbereit, bis zu einem gewissen Grad zuverlässig und nie verlegen, wenn es darum ging, mit kleinen Aufmerksamkeiten Vorteile zu erlangen. Kam er frühmorgens in ein Rundfunkstudio, um wieder mit den Disc Jockeys über neue Sänger zu reden, brachte er heißen Kaffee und Brötchen mit. Ein Kollege von damals: »Phil dachte nie über den Tag hinaus. Wenn ihm etwas nicht passte, brach er alle Brücken hinter sich ab, ohne daran zu denken, dass er vielleicht einmal wieder drüberlaufen müsse. Sonny dagegen baute schon weitsichtig die Brücken zu einem Zeitpunkt, als er sie noch gar nicht brauchte.«
Als Sonny Bono zum ersten Mal mit Cher zusammentraf, wäre er nie auf die Idee gekommen, dass sie die Frau sein könnte, die sein Leben völlig verändern und mit ihm gemeinsam die erträumte Weltkarriere machen würde.
Sonny näherte sich der elf Jahre jüngeren Cherilyn eher zurückhaltend und äußerst vorsichtig an. »Er war der erste Mann in meinem Leben, der einfach nur nett war, ohne gleich mehr von mir zu wollen«, sagte Cher später in einem Interview mit dem Frauenmagazin McCalls. »Ich hatte immer das Gefühl, dass er Frauen besser verstünde, als andere Männer das tun. Ich konnte mit ihm sprechen, und er hörte zu. Das war eine neue Erfahrung für mich.«
Damals, mit 16, war Cherilyn kein unbeschriebenes Blatt mehr. Die häufig wechselnden Ehemänner ihrer Mutter bewiesen ihr, dass es nicht verwerflich sein konnte, mit mehreren Männern Beziehungen einzugehen. »Irgendwann dachte ich, Prinzen gebe es nur im Märchen. Im wirklichen Leben müsse man eben sehen, wie man zurechtkomme.«
Cher verheimlichte nie, dass sie ihr erstes sexuelles Erlebnis mit 14 Jahren gehabt hatte. Während ihre Freundinnen damals davor zurückgeschreckt waren, einem Jungen »alles zu geben«, und sich mit Petting im Auto begnügt hatten, hatte Cher den Nachbarsjungen in ihr Bett mitgenommen. In einem Interview mit dem US-Playboy sagte sie 1988: »Er machte mich so lange an, bis ich einfach sagte, los, lass es uns tun. Ich empfand gar nichts dabei, und nach einer Weile fragte ich, ob das jetzt alles gewesen sei. Er sagte Ja. Na fein, sagte ich, dann können wir ja nach Hause gehen.«
»Mein zweiter war 35. Ich war verrückt nach ihm. Er war der Geliebte meiner Mutter, war blond, einen Meter neunzig groß. Ich wollte immer ganz nahe bei ihm sein – wie eine Erwachsene. Ich bin dann einfach zu ihm ins Bett gekrochen. Robert war großartig.«
Bevor sie Sonny Bono traf, war Cher auch Warren Beatty, dem späteren Bonnie & Clyde-Star und Frauenhelden, sehr nahe gekommen: »Meine Freundinnen waren verrückt nach ihm«, sagte sie in dem Playboy-Interview, »aber er suchte sich mich aus. Was für eine Enttäuschung für die. Technisch war er ja gut, aber in mir rührte sich nichts.«
Cher war 16 und fuhr in einem geliehenen Skylark nach Hollywood. Hinter Schwab’s Drugstore rammte sie fast ein Lincoln. Der Fahrer folgte ihr. »Er fuhr hinter mir auf einen Parkplatz und ich war auf Hundert. Ich sprang aus dem Auto und herrschte ihn an: ›Bist du völlig