Der Serienmörder von Paris. David King
Petiot kam dem beschämenden Schritt zuvor und trat von selbst zurück. Zumindest war nun die politische Karriere des „jungen Clemenceau“ beendet. Für Petiot begann ein neuer Lebensabschnitt.
Nach einem Bier in einer Brasserie am Place Dauphine und einem kurzen Anruf bei seiner Frau kehrte Massu ins Büro zurück und schickte einige Ermittler los, um Georgette Petiots Angaben zu überprüfen. Niemand hatte sie in der Rue de Reuilly 52 gesehen, doch das bedeutete nicht unbedingt einen Widerspruch zu der Aussage, da sie sich ja angeblich versteckt hatte und keiner der 21 Bewohner sie kannte. Auch der Concierge konnte sich nur schwach an sie erinnern.
Inspektor Hernis überprüfte das Hôtel Alicot in der Rue de Bercy 207, wo sie angeblich vor der Abfahrt nach Auxerre eine Mahlzeit eingenommen hatte. Henri Alicot, der Besitzer, bestätigte, dass Madame Petiot am Morgen des 13. sein Restaurant aufgesucht und einen verwirrten und erschöpften Eindruck gemacht habe. Darüber hinaus gab er zu Protokoll, dass sie den Tag über dort verbrachte, von den Neuigkeiten wie am Boden zerstört.
Wie sie sagte, war es schlichtweg unmöglich, dass ihr Mann, „der mich so gut behandelt“, die in den Zeitungen geschilderten Verbrechen begangen habe. Weiter meinte Georgette, dass sie Petiot in den 17 Ehejahren kein einziges Mal wütend erlebt habe. Sie hegte die Absicht, nach Auxerre zu reisen, um mit ihrem Sohn zusammen zu sein. Madame Petiot versuchte, in einem der Räume ein wenig Schlaf zu finden, was ihr auch gelang. Allerdings schlug sie das Essen aus, bis Alicot sie schließlich überzeugte, wenigstens vor der Abfahrt um 17.20 Uhr einen Teller Suppe zu sich zu nehmen. Eines war klar – Georgette Petiot hatte panische Angst vor einer Verhaftung.
Das wohl interessanteste Ergebnis der Befragung bezog sich allerdings nicht auf die Frau des Verdächtigen, sondern auf den Bruder. Maurice kam fast jede Woche geschäftlich nach Paris, reiste für gewöhnlich am Mittwoch an und wohnte in dem Hotel bis Samstag. Alicot behauptete, ihn seit dem letzten Monat nicht gesehen zu haben. An die letzte Begegnung erinnerte er sich aber genau, da sie ihm sonderbar vorkam.
Während des Aufenthalts vom 19. bis 22. Februar 1944 erschienen ein Lastkraftwagenfahrer und ein Arbeiter an der Rezeption seines Hotels, um eine Nachricht für Maurice abzugeben. Ihr LKW, der eine Lieferung für den jungen Petiot enthielt, hatte eine Panne an der Ecke Boulevard Saint-Michel und Boulevard Saint-Germain gehabt, woraufhin sich die beiden Männer gezwungen sahen, ihn stehen zu lassen. Alicot fand nicht die Nachricht an sich merkwürdig, obwohl er sich wunderte, warum zwei Männer in diesen Zeiten einen LKW voller Ware einfach im Stich ließen. Es war eher der verängstigte Ausdruck der beiden Männer, der ihm auffiel, und die Geschwindigkeit, mit der sie die Halle nach Überbringung der Botschaft wieder verließen.
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