Please Kill Me. Gillian McCain

Please Kill Me - Gillian McCain


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Young oder Andy Warhol in den Rock ’n’ Roll einfließen zu lassen. Aber bereits nach dem ersten Album haben wir den Ehrgeiz und die Geduld verloren. Wir konnten uns nicht einmal mehr daran erinnern, was für eine Richtschnur wir angelegt haben.

      Lou Reed: Rock ’n’ Roll ist so großartig, dass die Leute anfangen sollten, dafür zu sterben. Das versteht ihr vielleicht nicht, aber Musik gibt einem den Rhyth­mus zurück, damit man träumen kann. Eine ganze Generation, die mit einem Fender­Bass durch die Gegend rennt …

      Die Leute müssen einfach für diese Musik sterben wollen. Die Leute ster­ben doch für allen möglichen Scheiß, warum also nicht auch für Musik? Stirb dafür! Ist das nicht schön? Würdet ihr nicht für etwas Schönes sterben wollen?

      Vielleicht sollte ich sterben. Schließlich sind die großen Bluessänger auch schon alle gestorben. Aber das Leben wird jetzt besser.

      Ich will nicht sterben. Oder etwa doch?

      TEIL EINS: I WANNA BE YOUR DOG – 1967–1971

      KAPITEL 1: POETRY? YOU CALL THIS POETRY?

      Danny Fields: Wenn ich nicht gerade anderswo eine Nummer schob, bin ich jeden Abend ins Max’s Kansas City gegangen. Das war ein Restaurant mit Bar und lag zwei Häuserblocks von meiner Wohnung entfernt. Dort konnte man den ganzen Abend verbringen und sich immer wieder Kaffee holen. Den gab es umsonst. Denn man unterschrieb immer die Rechnung, aber bezahlte sie nie. Ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil ich so zwei­oder dreitausend Dollar offen hatte. In den Sechzigerjahren war das eine Menge Geld.

      Einige meiner Freunde unterschrieben ihre Rechnungen auch schon mal mit „Donald Duck“ oder„Fatty Arbuckle“. Dort war es jedenfalls einfach wundervoll, all die Kellnerinnen waren wundervoll … und erst recht die Aushilfskellner.

      Denn all diese Aushilfskellner konnte man ficken. Ich meine, natürlich nicht gerade vor Ort, aber später. Man konnte alles ficken, was das Restaurant betrat, weil sowieso jeder nur ins Hinterzimmer wollte. Man brauchte bloß zu sagen: „Du fickst mich jetzt, und ich besorge dir hinterher einen guten Platz an einem Tisch.“

      Es ging sehr freizügig zu, aber es war kein Schwulenlokal. Zum Glück. Schwulenlokale fanden wir zum Kotzen. Schwulenlokale? Wer wollte schon in Schwulenlokale? Im Max’s konnte man alles ficken, was hereinkam, und das war das Tolle an dem Laden.

      Leee Childers: Danny war Konzernfreak bei Elektra Records. Sein Job war es, zwischen den Konzernfritzen dieser dämlichen Plattenfirma und der Straße zu vermitteln. Leute wie ihn nannte man damals tatsächlich „Konzernfreak“. Er bestimmte für die Firma, was gut war und was nicht, vor allem aber, was cool war. Heute sind die Plattenfirmen immerhin so schlau, zuzugeben, dass sie nicht cool sind. In den Sechzigerjahren mussten sie einräumen, dass sie keine Ahnung hatten. Deshalb haben sie Leute angestellt, deren Job es war, cool zu sein. Eine großartige Idee.

      Danny Fields: Sie stellten jemanden zu einem niedrigen Gehalt ein, der Schlag­hosen trug und Grass rauchte und im Büro LSD nahm – nämlich mich. Und ich habe in meinem Büro tatsächlich LSD genommen. Ich habe einfach nur rumgesessen und an dem Zeug geleckt. Meine Hände waren total orange.

      Steve Harris: Ich arbeitete für Elektra und war mit Jac Holzman, dem Präsi­denten von Elektra, in Kalifornien, als er die Doors zum ersten Mal in seinem Leben im Whiskey gesehen hat. Als wir uns hinterher trafen, sagte er: „Ich habe eine wirklich interessante Band gehört, und ich glaube, ich werde sie unter Ver­trag nehmen.“ Und das tat er dann auch. Die Doors kamen dann nach New York und gaben ein Konzert im Ondine’s in der Achtundfünfzigsten Straße, da unten, unter der Brücke.

      Danny Fields: Ich kann mich deshalb so gut daran erinnern, dass Morrison an diesem Abend „Light My Fire“ gesungen hat, weil es der einzige gute Song war.

      Tom Baker: Ich saß mit Andy und seiner Entourage an einem langen Tisch in der Nähe der Bühne. Morrisons Freundin Pam Courson saß mir gegenüber und war total aufgeregt. Sie sagte: „Jim ist wirklich bestens vorbereitet auf das Kon­zert heute Abend.Vergiss diese Scheiße im Gazzari’s, heute Abend wirst du den wirklichen Jim Morrison erleben.“

      Als ich Jim im Gazzari’s am Sunset Strip gehört hatte, war er zugedröhnt mit LSD gewesen und stockbesoffen. Sein Auftritt war völlig unspektakulär gewesen, bis auf den Moment, als er sich zu Beginn des Konzerts durch einen Song gestammelt hatte – und plötzlich aus tiefster Kehle einen markerschüt­ternden Schrei ausgestoßen hatte. Pam war total sauer auf ihn gewesen und hatte ständig auf mich eingeredet, dass ich ihn eben nicht in bester Verfassung erlebt hätte. Ich sagte ihr, er wäre ein guter Typ, aber er sollte aufpassen, dass er seinen Job nicht verliert.

      Aber als er sein Konzert im Ondine’s beendet hatte, kam ich aus dem Stau­nen nicht mehr heraus. Ich schaute zu Pamela hinüber. Sie beugte sich zu mir vor und sagte: „Ich hab’s dir doch gesagt.“

      Hinterher gaben die Doors eine Party in einem Club, um ihren Erfolg zu feiern. Nachdem die Party vorüber war, standen Jim und ich unten an einer Treppe, die zur Sechsundvierzigsten Straße hinaufführte. Es war schon spät, und in der Gegend wimmelte es von Bullen und allerlei merkwürdigen Gestalten. Plötzlich begann Morrison, leere Gläser die Treppe hinaufzuschmeißen.

      Ich packte ihn am Arm und brüllte: „Bist du total übergeschnappt? Was soll der Scheiß?“ Aber er beachtete mich nicht, sondern schmiss einfach weiter Gläser die Treppe rauf und stieß dazu einen seiner markerschütternden Schreie aus. Ich hatte eigentlich erwartet, dass jetzt eine kleine Bullenarmee anrücken würde. Nach einem letzten Schrei und einem letzten Glas drehte sich Jim dann auf dem Absatz um und verschwand. Das hat mich ziemlich frustriert, weil ich ihm gern noch gesagt hätte, dass ich endlich jemanden getroffen hatte, der wirklich besessen ist.

      Danny Fields: Ich musste am nächsten Tag sowieso in die Plattenfirma, also erzählte ich ihnen von diesem Song über Feuer und sagte: „Solltet ihr eine Single von den Doors planen, dann nehmt diesen Song.“ Aber sie meinten, der sei viel zu lang. Dann fingen noch andere Leute an, sie von dieser Idee zu überzeugen. Zuerst fanden sie, es wäre unmöglich, aber nachdem ihnen auch die Diskjockeys erklärt hatten, dass sie es mit einem potenziellen Hit zu tun hätten, allerdings ohne diesen prätentiösen Blödsinn in der Mitte, da wurden sie hellhörig. Es war ein echter Ohrwurm. Also schickten sie Paul Rothschild ins Studio und sagten ihm: „Paul, kürz den Song.“ Und Paul kürzte den Song. Man kann den Schnitt in der Mitte hören. Und es funktionierte und wurde ein Nummer­eins­Hit.

      Steve Harris: Ich denke, Danny hatte Probleme mit Jim Morrison, weil Danny glaubte, er könnte Jim herumkommandieren. Im Castle in Kalifornien sind sie ziemlich aneinander geraten, als sich Jim an Nico ranmachte. Sie hingen im Castle rum, Jim war stockbesoffen und völlig stoned, und Danny hatte Angst, er würde sich zu Tode fahren, wenn er sich hinters Steuer setzte. Also nahm Danny die Schlüssel von Jims Auto an sich, und Jim hatte eine Mordswut auf Danny.

      Danny Fields: Ich war in L. A. und wohnte im Castle, zusammen mit Edie Sedg­wick und Nico, die aus irgendeinem Grund, an den ich mich nicht mehr erin­nern kann, ebenfalls in Hollywood waren. Das Castle war ein zweigeschossiges Gebäude, das irgendeiner alten Hollywood­Tunte gehörte, die es an Rockbands vermietete. Alle waren schon mal dort – Bob Dylan, Jefferson Airplane und die Velvets. Der Besitzer hat den Schuppen vor allem an Rockbands vermietet, weil er in einem derartig baufälligen Zustand war, dass es wirklich keine Rolle mehr spielte, was darin passierte.

      Kurz bevor ich in L. A. ankam, war ich in San Francisco gewesen, um die Doors im Winterland zu hören.Als ich nach dem Konzert hinter die Bühne ging, war Morrison von einem Haufen schlampiger und hässlicher Groupies umgeben. Ich fand, dass das seinem Image schaden würde. Deshalb beschloss ich, Morrison mit Nico zu verkuppeln. Es war ein „shiddach“, was Jiddisch ist und verkuppeln bedeutet. Ich wollte, dass er Nico kennen lernt und sich in sie verliebt und dass er lernen würde, mit was für Mädchen er seine Zeit verbringen sollte. Ich meine, für mich war das eine sehr nervenaufreibende Angelegenheit. Eigentlich war es wirk­lich nicht meine Aufgabe, mich in so was einzumischen, aber …

      Ich


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